Nahrungsmittel als Gesundheitsrisiko

«Wir haben den Laden sofort dichtgemacht»

Lebensmittelkontrolle: Laborant Markus Hofstetter bereitet Proben für die mikrobiologische Untersuchung vor. (Bild: zvg)

630 Proben beanstandeten die Luzerner Lebensmittelkontrolleure letztes Jahr. 130 Betriebe sind sogar ganz durchgefallen. Und eine Küche musste per sofort schliessen. Besonders eine Kategorie Lebensmittel sorgt für viele Beanstandungen.

In einer Luzerner Küche stank es zum Himmel. Nun ist sie zu. Wie die kantonale Dienststelle Lebensmittelkontrolle und Verbraucherschutz mitteilt, wurden im vergangenen Jahr rund 2’100 Betriebe kontrolliert. Dabei haben Stichproben einen besonders krassen Fall zu Tage gebracht.

«Null Hygiene»

In einem Lagerhaus haben die Kontrolleure des Kantons eine «schwarze» Küche entdeckt. Unter desolaten Bedingungen wurde dort illegal, also ohne Bewilligung, Essen für einen Imbissstand zubereitet. «Es herrschten desolate Zustände», sagt der Kantonschemiker Silvio Arpagaus.

«Von der Küche ging eine Gesundheitsgefährdung aus.»

Silvio Arpagaus, Kantonschemiker

Fotos, die der Lebensmittelinspektor vor Ort aufgenommen hat, zeigen die in verschiedenster Hinsicht gravierenden Mängel (siehe Bildstrecke). Der Kantonschemiker zählt die Mängel auf: «Die Küche war noch im Bau, teilweise waren die Plattenbeläge noch ohne Fugen.» Nicht nur die ungenügende Infrastruktur in der provisorisch eingerichteten Küche habe überrascht, sagt Arpagaus. Geradezu schockiert habe ihn der äusserst mangelhafte Umgang mit Lebensmitteln. «Die Lebensmittel wurden in einem Materiallager zwischen Maschinen und Baumaterialien aufbewahrt.» Überall habe Abfall und Dreck rumgelegen, alles sei total unordentlich gewesen, so der Kontrolleur.

Bei Routinekontrolle aufgeflogen 

Die hygienischen Bedingungen seien derart schlecht gewesen, «dass von der Küche eine echte Gesundheitsgefährdung ausging». Die Lebensmittelkontrolle verhängte deshalb umgehend ein Benutzungsverbot und beschlagnahmte die Lebensmittel.

«Es war wie im Krimi.»

Silvio Arpagaus

Die Imbissbude selbst sei grundsätzlich in Ordnung gewesen, erklärt Arpagaus. «Da gab es keinen Grund für Beanstandungen.» Aufgefallen sind dem Lebensmittelkontrolleur bei der routinemässigen Kontrolle allerdings die Warenflüsse des Betriebs. «Das, was über die Theke ging, konnte unmöglich alles vor Ort zubereitet werden», sagt der Fachmann. Auf Anfrage habe der Besitzer des Imbissstands behauptet, die Produktion befände sich in einem anderen Kanton.

Hinweise aus der Nachbarschaft hätten dann allerdings die Vermutung nahegelegt, dass das Essen ganz in der Nähe des Verkaufsstands zubereitet werde. «Also sind wir dem Besitzer der Imbissbude gefolgt», fährt Arpagaus fort. Die Spur habe dann zu besagtem Lagerhaus und dort direkt in die Küche geführt. Der Kantonschemiker ist ob der Aussergewöhnlichkeit des Falls noch heute erstaunt. «Es war wie im Krimi.»

Callcenter wurde angezeigt

In einem anderen registrierten Fall hat ein Luzerner Callcenter seinen Kunden Nahrungsergänzungsmittel als «Heilmittel gegen Brustkrebs oder Arthrose» angepriesen und verkauft (zentral+ berichtete). Das Lebensmittelgesetz verbietet dies ausdrücklich. Die Behörden haben die Verantwortlichen angezeigt und bei der Staatsanwaltschaft eine Freiheitsstrafe von fünf Jahren beantragt (siehe Nachfolgeartikel).

In der Regel vorschriftsgemäss

«Glücklicherweise handelt es sich dabei um Einzelfälle», zeigt sich Silvio Arpagaus erleichtert. Wie dem Jahresbericht der Lebensmittelkontrolle zu entnehmen ist, haben die Inspektoren rund 2100 Gastronomie- und Detailhandelsbetriebe, Spitäler, Metzgereien und Bäckereien kontrolliert.

«Luzern steht sehr gut da.»

Silvio Arpagaus

Dabei wurden direkt vor Ort die Infrastruktur und die Produktionsabläufe überprüft. «Bei 94 Prozent der Inspektionen haben wir gute Voraussetzungen für die Produktion von Lebensmitteln vorgefunden», zieht Arpagaus Bilanz. Bei den restlichen rund 130 Betrieben seien hingegen die Zustände mangelhaft gewesen.

Um welche Betriebe es sich handelt, erfährt der Konsument nicht – wegen der Schweigepflicht. «Der Konsument ist trotzdem geschützt», versichert Arpagaus. Bei Abweichungen würden die Betriebe nämlich direkt im Anschluss an die Inspektion von der Lebensmittelkontrolle angewiesen, die Mängel zu beheben. Und im Bedarfsfall werde die Umsetzung der Massnahmen auch mit Nachinspektionen überprüft.

Vorproduzierte Lebensmittel sind heikel

Neben der Kontrolle von Betrieben haben die Kontrolleure auch knapp 6800 Lebensmittel im Labor auf Deklaration und Qualität hin geprüft. Im vergangenen Jahr wurden dabei neun Prozent von Lebensmittel-, Trinkwasser- und weiteren Proben beanstandet. «Ein häufiger Grund für Kritik ist, dass vorproduzierte Lebensmittel wie Teigwaren und Reis bei zu hohen Temperaturen oder zu lange gelagert werden», erklärt Kantonschemiker Silvio Arpagaus. 

Grund zur Beunruhigung besteht keiner. Wie Arpagaus erklärt, entspricht die Beanstandung in etwa den Werten des Vorjahres. Diese Werte seien tipptopp, meint der Kantonschemiker. «Damit steht Luzern auch im interkantonalen Vergleich sehr gut da.»

Arpagaus betont, dass von den beanstandeten Produkten keine gesundheitliche Gefahr ausgehe. Der Umgang mit den Waren entspreche allerdings nicht den hygienischen Anforderungen und die Qualität der Produkte sei vermindert.

Trotzdem seien hier Aufklärungsarbeit und Verbesserungen nötig, meint Arpagaus. «Mit einem korrekten Umgang kann ein Beitrag zur Verringerung von Food Waste – dem Wegwerfen von Lebensmitteln – geleistet werden», so der Kantonschemiker (siehe Box).

Weniger Bakterien in Cervelats

Eine deutliche Verbesserung im Vergleich zu den Vorjahren hat die Lebensmittelkontrolle bei Cervelats, Wienerli und Bratwürsten festgestellt. Frühere Untersuchungen der sogenannten Brühwurstwaren hätten Mängel in der Produktion aufgezeigt, erklärt Arpagaus. Brühdauer und Wassertemperatur seien in einigen Fällen nicht ausreichend gewesen. Zusammen mit den betroffenen Betrieben und dem Metzgerverband habe man Massnahmen beschlossen. «Unsere Anstrengungen in diesem Bereich zeigen Wirkung», hält Arpagaus fest. «Nur noch sieben Prozent der Proben zeigten Mängel, während dieser Wert in den Vorjahren noch bei 25 Prozent lag.»

Bilder von der illegalen Küche finden Sie hier in unserer Slideshow:


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1 Kommentar
  • Profilfoto von Bea Kaelin
    Bea Kaelin, 17.04.2015, 17:50 Uhr

    Ich finde, man sollte solche Schmuddelbetriebe öffentlich machen! Was soll das mit der Schweigepflicht??? Auch einwandfreie Betriebe leiden darunter! Ich koche lieber zu Hause und weiss dafür, was auf den Teller kommt!!!

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