20 Jahre Sinfonietta – Uraufführung von Zuger Werk

«Wir bleiben Freunde, die aus Freude zusammenspielen»

Konzentriert: Chefdirigent Daniel Huppert.

(Bild: Neda Navaee)

Was macht in der Boomregion Zug Heimat aus? Antwort: Unter anderem ein klassisches Orchester, das Musikfreunde in familiärem Rahmen vereint und in den letzten Jahren grosse Fortschritte gemacht hat. Intendant Simon Müller und Chefdirigent Daniel Huppert erzählen, wie sie mit der schnellen Entwicklung umgehen.

«Wir wollen unsere Wurzeln sichtbar machen», sagt Simon Müller, Intendant der Zuger Sinfonietta. Zusammen mit Daniel Huppert, dem Chefdirigenten und künstlerischen Leiter, sinniert er an der Geschäftsstelle des Klangkörpers in Zug über das 20-jährige Bestehen des Orchesters. Und über die zweite Hälfte der Jubiläumsspielzeit, welche am Samstag zum «Rendez-vous mit Paris» führt (zentralplus berichtete).  

Im Herbst hat die Sinfonietta mit Esther Hoppe und Reto Bieri konzertiert – zwei Solisten, die im Kanton Zug aufgewachsen sind. Nun möchte man zeigen, dass aus Zug auch Komponisten kommen. Und hat deswegen Cyrill Schürch, der an der Musikschule Zug unterrichtet, mit einem Kompositionsauftrag versehen. Sein Werk wird nun uraufgeführt.

Musik aus Zug

Zusammen mit Frédéric Chopins erstem Klavierkonzert und Georges Bizets erster Sinfonie möchte die Sinfonietta einen «Draufblick aufs Pariser Musikgeschehen vermitteln», wie Daniel Huppert sagt. Dank Schürch vermählt sich dabei das Lebensgefühl aus dem Jardin du Luxembourg oder dem Parc des Buttes-Chaumont in Paris mit jenem der Badi Seeliken in Zug.

Und natürlich wird auch an die Anfänge des Orchesters erinnert. 1998 entstand es aus Zuger Musikstudenten, welche Klassik mit Film kombinierten. Es bleibt auch als Profi-Ensemble noch insofern mit der Musikschule verbunden, als dass mehrere Lehrkräfte bei der Sinfonietta mitwirken.

Entfesselt: die Zuger Sinfonietta.

Entfesselt: die Zuger Sinfonietta.

(Bild: Priska Ketterer)

Repertoire erweitert

Ansonsten hat sich in den vergangenen 20 Jahren einiges geändert bei der Sinfonietta – insbesondere seit Daniel Huppert 2016 zum zweiten Chefdirigenten des Orchesters wurde – ausgewählt aus über 270 Kandidaten (zentralplus berichtete).

Man habe sich im Zusammenspiel mit guten Solisten entwickelt, sagt Huppert. Und auch Werke von «Standardkomponisten» ins Repertoire aufgenommen. Ziel sei es, für die Abo-Konzerte programmatisch grössere Bögen über die Jahrhunderte zu schlagen.

Vertrauen in die Musikauswahl

Dabei werden ungewöhnliche Stücke mit Musik verkettet, welche die Hörgewohnheiten der Besucher bedienen. «Wenn wir zu viele experimentelle Stücke programmieren, dann kaufen sich die Leute keine Abonnemente,» sagt Intendant Simon Müller.

Aber in Kombination mit Dvořák hat die Sinfonietta zum Beispiel jüngst ein jazziges Klarinettenkonzert von Aaron Copland aufgeführt und damit das Publikum begeistert (zentralplus berichtete). «Dabei hilft uns natürlich, dass wir einen treuen Kreis an Musikliebhabern gewonnen haben, der in unsere Abo-Konzerte kommt und uns bei der Musikauswahl vertraut», sagt Müller.

Zuversichtlich: Intendant Simon Müller.

Zuversichtlich: Intendant Simon Müller.

(Bild: Alexandra Wey)

Identitätsbildender Faktor

Die Wahl des Chamer Lorzensaals als Konzertort und die Positionierung als regionaler Klangkörper hat einiges zum Erfolg der Sinfonietta beigetragen. Die Konkurrenz durch Zürich mit seiner Tonhalle und dem Opernhaus oder jene durch Luzern mit den Festivals im KKL tut dem keinen Abbruch.

«Wir haben viele treue Gäste, die auch nach Zürich oder Luzern reisen, um Klassik zu hören», sagt Daniel Huppert, «die aber besonders schätzen, dass sie etwas Tolles vor ihrer Haustüre geboten bekommen.»

Die Zuger Sinfonietta ist für mich wie eine Familie geworden.»

Daniel Huppert, Dirigent

In der Tat vermitteln die Konzerte der Sinfonietta viel Verbindendes. In der Pause treffen sich Musiker mit ihren Familien. Oft stehen drei Generationen zusammen. Man trifft Politiker, Unternehmer, Musikexperten – und einen massgeblichen Teil des regionalen Bildungsbürgertums.

In einer schnell wachsenden Agglomeration, in der viele Menschen zuziehen und viele nach einigen Jahren wieder verschwinden, ist die Zuger Sinfonietta zum identitätsbildenden Faktor geworden.

«Wie eine Familie»

«Das Orchester lebt vom Gemeinschaftlichen», sagt Daniel Huppert. Das wolle man unbedingt bewahren. «Wir bleiben Freunde, die aus Freude zusammenspielen.»

Selber ist Huppert Chefdirigent der traditionsreichen Mecklenburgischen Staatskapelle Schwerin, hat derzeit daneben auch ein anderes Dirigat inne. Nach Zug kommt er jeweils, um «mit der Sinfonietta konzentriert neue Projekte zu erarbeiten». Dies bedeute auch immer, sich neu zu finden, was immer schneller gehe. «Insofern freue ich mich, dass Fortschritte sichtbar werden», sagt er.

«Wir wollen vermehrt Gastspiele geben.»

Simon Müller, Intendant

Besonders gefalle ihm am Zuger Publikum, wie es mitlebe, sagt er. Ausserdem bekomme er viele Rückmeldungen, was einem sonst als Dirigent nicht oft widerfahre. «So ist die Sinfonietta und ihr Publikum für mich in den vergangenen Jahren wie eine Familie geworden», so Huppert.

Vielleicht ein Tronträger?

Bleibt die Frage: Was bringt die Zukunft? Einen Tonträger der Zuger Sinfonietta? «Diesen Gedanken tragen wir mit uns herum», sagt Huppert. Aus künstlerischen Gründen sei eine Aufnahme sehr interessant, weil es ein Orchester zwinge, exakt zu arbeiten und punktgenau zu liefern.

«Auf der anderen Seite brauchen wir dafür auch ein klares Konzept und eine Idee, warum wir was aufnehmen sollten», sagt Simon Müller. «Eine Beethoven-Sinfonie einzuspielen, macht für die Zuger Sinfonietta keinen Sinn.»

Man überlege sich, eventuell die Reihe der Abbonnementskonzerte zu erweitern, so Müller weiter. Ausserdem wolle man vermehrt Gastspiele ausserhalb von Cham und Zug geben.

Schnelle Entwicklung

«Die Entwicklung der Zuger Sinfonietta ist in den letzten fünf Jahren gut, aber rasant verlaufen», sagt Chefdirigent Huppert. «Wir müssen sicherstellen, dass das Wachstum Schritt für Schritt verläuft und künstlerische, organisatorische und finanzielle Aspekte im Gleichgewicht bleiben» meint er.

Bildhaft gesprochen ist also die Sinfonietta eine schnittige Yacht jüngerer Bauart, die in einer frischen Brise segelt. Die aber darauf achten muss, nicht allzu schnell zu werden, um weiter gut steuerbar zu sein.

Zu Gast: Teo Gheorghiu spielt am Samstag nstelle von Louis Schwizgebel Chopins 1. Klavierkonzert.

Zu Gast: Teo Gheorghiu spielt am Samstag anstelle von Louis Schwizgebel Chopins 1. Klavierkonzert.

(Bild: Roshan Adhihelly)

Hinweis: zentralplus ist Medienpartner der Zuger Sinfonietta

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