Viel Kritik trotz neuer Infrastruktur

Wieso Velofahrer mit dem neuen Seetalplatz unzufrieden sind

Veloschilder und -streifen beim Seetalplatz.

(Bild: jwy)

Vor lauter Schildern sieht man den Weg nicht mehr: Am Seetalplatz in Emmenbrücke hat sich auch für Velos ziemlich alles geändert. Zufrieden sind trotzdem die wenigsten. Was ist falsch gelaufen?

Neue Brücken, grosszügige Unterführungen, lauter gelbe Markierungen und rote Täfelchen: Auf dem Weg von Luzern nach Emmenbrücke fühlt man sich auf dem Velo als König.

Aber nur scheinbar: Bis man einmal falsch abbiegt, wieder umkehrt, im Autostrom landet, aufs Trottoir ausweicht – und heillos überfordert ist im Signalisationswirrwarr.

Der Verkehrsknotenpunkt Seetalplatz wurde in den letzten Jahren komplett neu geplant, gedacht und gebaut (zentralplus berichtete). Mit Folgen nicht nur für Autos, sondern auch für Velofahrerinnen und Fussgänger. Vieles hat sich tatsächlich verbessert, doch so richtig zufrieden scheinen die wenigsten. Was fehlt also zum Veloparadies?

Noch kein urbanes Zentrum

Gabriela Christen ist täglich auf ihrem Arbeitsweg von Reussbühl in die Viscosistadt mit dem Verkehrsknotenpunkt Seetalplatz konfrontiert – als Fussgängerin und Velofahrerin. «Gegenüber dem Autoverkehr wird man deutlich diskriminiert», sagt die Direktorin der Hochschule Luzern – Design & Kunst. Man habe für den Langsamverkehr zwar einzelne Probleme gelöst, aber die Gesamtsicht fehle.

«Als wolle man möglichst wenig Fussgänger und Velofahrerinnen, die den Autoverkehr stören.»

Gabriela Christen, HSLU

Einerseits sei die Verkehrsführung schwierig zu verstehen und man wisse zum Teil schlicht nicht, wohin man fahren müsse. Zum anderen würden die Phasenwechsel der Ampeln den Langsamverkehr benachteiligen. «Autos haben absolute Priorität, für Velofahrerinnen und Fussgänger dauert es ewig lang, bis es grün wird», sagt Christen. Zudem seien die Grünphasen für Fussgängerinnen viel zu kurz.

Ihr Fazit: «Das Verkehrskonzept kommt mir vor, als wolle man möglichst wenig Fussgänger und Velofahrerinnen, die den Autoverkehr stören.» Der Seetalplatz sei auch nach dem Umbau in erster Linie ein Verkehrsprojekt und kein Aufenthaltsort, ein riesiger Kreisel und Autobahnzubringer. «Gleichzeitig soll Luzern Nord ein urbanes Zentrum werden», sagt Christen. Hochschule, Viscosistadt, Zwischennutzung auf der Brache und neue Wohnungen treiben tausende Leute nach Emmenbrücke.

«Eine gigantische Baustelle»: Gabriela Christen auf der Terrasse der Hochschule.

Gabriela Christen, Direktorin der Kunsthochschule in der Viscosistadt.

(Bild: jwy)

Politiker hofft auf Verbesserung

Von anderen regelmässigen Velofahrern und Lobbyisten hört man verschiedenes. Die klaren baulichen Verbesserungen – etwa die Brücken – werden zwar gerühmt, doch immer folgt ein grosses Aber. Wiederum andere umfahren den Seetalplatz nach Möglichkeit.

Andreas Kappeler, Grünen-Einwohnerrat in Emmen und Pro-Velo-Mitglied, hat schon die Zeit gemessen, die er benötigt, um mit dem Velo den Seetalplatz zu überqueren. Ganze 8 Minuten habe es gedauert. Auch er sagt: «Die Ampeln sind nicht so geschaltet, dass man mit dem Velo sauber und schnell über den Platz kommt.» Die Priorität liege klar beim motorisierten Verkehr.

Im Zeitraffer mit dem Velo von Luzern nach Emmen:

 

Zudem stiften die vielen Markierungen, Übergänge und Schilder Verwirrung, gerade für Ortsunkundige und ungeübte Velofahrer. «Man muss den Weg kennen, sonst wird es schwierig», sagt er. Das sei alles andere als kundenfreundlich. «Denn eigentlich muss man doch froh sein um jeden Velofahrer», so Kappeler.

Der Politiker hat schon überlegt, aktiv zu werden wegen der ungenügenden Velosituation, will aber noch abwarten: «Es tut sich immer noch viel und man muss auch sehen: Die Situation ist viel besser als vorher, als es auf dem Seetalplatz noch gar keine Velomarkierungen gab.»

«Die Situation für die Velos am Seetalplatz ist gut gemeint, aber nicht praxistauglich.»

Peter Fässler, SP-Kantonsrat

Grossen Handlungsbedarf ortet er bei den Strassen, die vom Seetalplatz wegführen. «Richtung Luzern ist die Situation gut, aber sonst gibt es kaum Velowege, die vom Seetalplatz wegführen.» Dass man etwa den Busbahnhof mit dem Velo befahren darf, sei vielen nicht klar – und den Weg zum Shopping finde kaum ein Velofahrer. Sein Fazit: «Das Potenzial ist da, aber man muss dieses auf kommenden Sommer hin auch ausnutzen.»

Peter Fässler (links) und Andreas Kappeler.

Peter Fässler (links) und Andreas Kappeler.

(Bild: zvg)

Kopfschütteln beim Velopendler

Auch SP-Kantonsrat Peter Fässler sagt: «Die Situation für die Velos am Seetalplatz ist gut gemeint, aber nicht praxistauglich.» Er fährt täglich mit dem Velo von seinem Wohnort Kriens an seinen Arbeitsplatz in der Viscosistadt.

Einiges hat sich auch für ihn verbessert: Die Velos wurden vom Autoverkehr getrennt und er muss nicht mehr den Umweg über die Bahnhofsunterführung fahren. Aber im Detail sei vieles nicht ausgereift, wirke provisorisch und unlogisch – alles in allem nicht gelungen. «Die Verkehrsplanung wurde sicher nicht von einem Velofahrer entworfen», sagt Fässler.

Er zählt verschiedene Situationen am Seetalplatz auf, die den Velofahrern das Leben schwer machen: falsch positionierte Veloampeln, unübersichtliche Kreuzungen oder gefährlich hohe Randsteine. Speziell für eine Strassenkreuzung für Velos, die er täglich passiert, hat er nur noch ein Kopfschütteln übrig: Jedes Mal wartet er vor der roten Veloampel, obwohl die Busspur vor ihm leer ist. Andere haben weniger Geduld und weichen aufs Trottoir aus.

Velos dürfen in Emmen auch den Bus-Bahnhof befahren.

Velos dürfen in Emmen auch den Bus-Bahnhof befahren.

(Bild: jwy)

Kein Gehör beim Kanton

Trotzdem: Bei der zuständigen Dienststelle Verkehr und Infrastruktur (vif) sieht man keinen weiteren Handlungsbedarf – das Projekt Seetalplatz sei abgeschlossen. Laut Hans Ruedi Ramseier, Gesamtprojektleiter Seetalplatz, hat sich die Situation für den Velo- und Fussverkehr am Seetalplatz gegenüber 2012 – also vor Baubeginn – «wesentlich verbessert». Und zwar im gesamten Projektgebiet vom Schiff (Reussbühl) über Viscosisteg, Centralplatz, Bahnhof Emmenbrücke, Bushof bis hin zum Reusszopf.

Ramseier zählt auf: «Es wurden durchgehende Trassen für Veloverkehr geschaffen, die vorher nur teilweise existierten.» Zudem verfügten die Radfahrer an den meisten Lichtsignalanlagen über separate Anmeldeschlaufen und (Hand-)Drücker und dürfen überall die Busspuren, Bustrassen (Seetalplatz) und den Bushof mitbenutzen.

Hans Ruedi Ramseier hat den Überblick: Der Seetalplatz-Gesamtprojektleiter auf der neuen Unteren Zollhausbrücke, die bald für den Verkehr freigegeben wird.  (Bild: jwy)

«Mister Seetalplatz» Hans Ruedi Ramseier ist zufrieden mit der Verkehrssituation.

(Bild: jwy)

Die Kritik an der Signalisation ist für den «Mister Seetalplatz» neu, er hat noch keine solchen Rückmeldungen erhalten: «Die Radrouten sind detailliert mit roten Wegweisern ausgeschildert. Wir haben bis heute dazu weder Reklamationen noch Ergänzungswünsche – die wir in jedem Fall prüfen – erhalten.»

Von einer fehlenden Wertschätzung könne man also nicht sprechen. «Die Förderung des Langsamverkehrs, wozu auch der Radverkehr gehört, war eines der fünf Hauptziele des Projektes Seetalplatz. Dieses Ziel wurde vollumfänglich erreicht», sagt Ramseier.

Innerhalb des Projektgebietes Seetalplatz gibt es zwar keine Ausbauten mehr – dafür auf den Zufahrten: Verbesserungen verspricht Ramseier für den Langsamverkehr in Zukunft auf der Hauptstrasse ab Fluhmühle, der Rothenstrasse ab Staldenhof sowie der Gerliswilstrasse zwischen Sprengi und Centralplatz.

Dieser Plan zeigt alle Velorouten, die beim Seetalplatz verlaufen.

Dieser Plan zeigt alle Velorouten, die beim Seetalplatz verlaufen.

(Bild: zvg)

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