Umwelt hat einen schweren Stand

Wieso sich das reiche Zug keine Klimastrategie leistet

Bislang erfolglos: Die Klimajugend forderte auch in Zug mehr Engagement gegen die Erderwärmung.

Mehr und mehr erarbeiten die Kantone eigene Klimastrategien, um den CO2-Ausstoss zu senken und sich den Folgen den Erderwärmung anzupassen. Das geht oft ins Geld. In Zug, wo dieses vorhanden wäre, macht die Klimapolitik aber keine grosse Sprünge – wieso eigentlich?

Im Sägemehl machte der Kanton Zug eine gute Figur. Das «Eidgenössische» 2019 ging als erstes klimaneutrales Schwing- und Älplerfest in die Geschichte ein (zentralplus berichtete).

Doch ausserhalb der Arena dient der Kanton Zug in Sachen Klimaschutz nicht gerade als Vorbild. Während andere Kantone in jüngster Vergangenheit eigene Klimastrategien entwickelten, fehlt in Zug eine solche konkrete Richtschnur. Obwohl das Thema mit den Klimastreiks und den neusten Berichten des Weltklimarats weit oben auf der politischen Agenda angekommen ist. Und in Zug das Geld für eine Pionierrolle vorhanden wäre.

«Was der Staat macht, kann nicht gut sein»

Die Umwelt habe im Kanton Zug schon immer einen schweren Stand gehabt, sagt Andreas Lustenberger, der Präsident der Alternative–die Grünen (ALG).  Seine Partei versucht gemeinsam mit der SP seit Jahren, grüne Anliegen durchzubringen. Meist chancenlos. Aktuell hängig ist eine Motion der ALG für das Netto-Null-Ziel bis 2039 sowie eine Interpellation der SP, die nach dem Hochwassersommer die Klimaanpassung aufs Tapet bringt.

«Die abwartende Haltung in Zug ist auch aus unternehmerischer Sicht erstaunlich naiv.»

Andreas Lustenberger, ALG

Für Lustenberger ist klar: Auch der Kanton Zug muss seinen Beitrag dazu leisten, dass die Schweiz das Netto-Null-Ziel bis 2050 erreiche. «Da ist Zug überhaupt nicht auf Kurs. Und das Geld kann ja kein Argument sein.» Der Kanton erzielte 2020 ein finanzielles Rekordergebnis und erwartet auch in der nahen Zukunft Millionenüberschüsse. Laut dem ALG-Präsidenten sind in erster Linie ideologische Gründe ausschlaggebend für die klimapolitische Zurückhaltung. «Es gibt eine neoliberale-konservative Verbrüderung der bürgerlichen Parteien im Kanton Zug», so der Baarer. «Die längst veraltete Doktrin: ‹Was der Staat macht, kann nicht gut sein.›»

Der Nachbarkanton Luzern, auch nicht gerade eine linke Hochburg, legt diese Woche seine Klimastrategie vor – deren Massnahmen in den nächsten vier Jahren mit über 50 Millionen Franken zu Buche schlagen. Dass dort eine rein bürgerliche Regierung vorwärtsmacht, ist laut Lustenberger nicht erstaunlich. Denn gerade wirtschaftlich orientierte Kreise wüssten, dass sich innovative Investitionen auszahlten. Dabei, so Lustenberger weiter, sollten doch gerade die wirtschaftlich orientierten Bürgerlichen wissen, dass sich innovative Investitionen auszahlen. «Die abwartende Haltung in Zug ist auch aus unternehmerischer Sicht erstaunlich naiv.»

Ein 16-seitiges Leitbild muss reichen

Ganz anders tönt es aus dem Regierungsrat. Was die Klimapolitik betrifft, sieht der zuständige Baudirektor Florian Weber den Kanton Zug keineswegs im Hintertreffen. Er verweist auf das «Energieleitbild Kanton Zug 2018» als konzeptionellen Rahmen der Energie- und Klimapolitik des Kantons.

Wer das Dokument anschaut, bemerkt rasch: Es handelt sich um eine vergleichsweise dünne Broschüre. Auf gerade mal 16 Seiten legt die Regierung energiepolitische Ziele bis 2035 fest. Im Kanton Luzern umfasst die Klimastrategie mit 170 Seiten das Zehnfache. Entsprechend oberflächlich und teilweise unverbindlich wirkt das Zuger Richtwerk. Und auch inhaltlich beschränkt es sich auf die Schwerpunkte Gebäude, Mobilität und Innovation. Einen Hitzeaktionsplan beispielsweise, wie ihn inzwischen mehrere Kantone kennen, sucht man vergeblich. Ebenso verbindliche Ziele zur Reduktion der Treibhausgasemissionen in einzelnen Bereichen.

Regierung kündigt neuen Klimabericht an

Man habe bewusst auf «abweichende, zusätzliche Ziele» zu diesem Energieleitbild verzichtet, sagt Baudirektor Florian Weber. Doch er betont: «Der Regierungsrat steht hinter den nationalen Klimazielen und unterstützt damit das Ziel des Bundesrats von Netto-Null-Emissionen bis zum Jahr 2050.»

Doch was unternimmt der Kanton konkret in Sachen Klima? Den Schwerpunkt lege die Regierung auf den Gebäudebereich, weil der Kanton da den grössten Handlungsspielraum besitze, sagt Weber weiter. Der Baudirektor erwähnt die Fördermittel für die Wärmedämmung von Gebäuden, die 2021 erstmals mit kantonalen Mitteln auf 2,4 Millionen Franken aufgestockt wurden. In den nächsten Jahren sollen weitere Mittel für das Gebäudeprogramm zur Verfügung gestellt werden.

Das sei nicht alles. «Insbesondere der Ersatz von fossilen Heizungen durch Erneuerbare soll gefördert werden», sagt Weber. Im Budget 2022 sind dafür zwei Millionen Franken vorgesehen. Als positives Beispiel streicht er zudem die 18 Fotovoltaikanlagen heraus, die in den nächsten fünf Jahren auf kantonseigenen Gebäuden installiert werden. Weitere Massnahmen waren im Zuge der Änderung des Energiegesetzes vorgesehen – doch der Kantonsrat legte es nach dem Nein zum CO2-Gesetz auf Eis.

Die Beispiele zeigen: Zug ist keinesfalls untätig, doch es sind im Vergleich kleine und isolierte Schritte. Welchen Stellenwert die Klimapolitik einnimmt, zeigt die Tatsache, dass Florian Weber auf das gute Abschneiden Zugs bei den sogenannten «Cercle Indicateurs» des Bundes verweist. Diese Indikatoren zeichnen die Entwicklung von Kantonen und Gemeinden nach – und umfassen eine breite Palette an Nachhaltigkeitszielen, die von der Arbeitslosenquote bis zur Wahlbeteiligung reicht.

Ein Knackpunkt: die Mobilität

Doch untätig will der Regierungsrat nicht bleiben. Florian Weber kündigt an, dass er dem Kantonsrat Ende 2022 einen Planungsbericht zur Energie- und Klimapolitik vorlegen wird. Darin wolle er aufzeigen, welche Massnahmen der Kanton Zug bereits ergriffen hat und welche zusätzlichen Massnahmen geplant sind – und was der Kanton zur nationalen Zielerreichung beiträgt.

Andreas Lustenberger bezweifelt, dass dann grosse, grüne Sprünge zu erwarten sind. Als negatives Beispiel erwähnt er das Mobilitätskonzept, das kürzlich in der Vernehmlassung war und nicht nur von seiner Partei zerrissen wurde (zentralplus berichtete).

«Es braucht nun weitere Diskussionen, um eine konsensfähige Mobilität im Kanton Zug zu erhalten.»

Florian Weber, Baudirektor

«Die Stadtbahn war das letzte innovative Zuger Mobilitätsprojekt. Seither fehlt es an einer Vision», kritisiert Lustenberger und nimmt damit direkt den FDP-Baudirektor ins Visier.

Dieser entgegnet, dass die öffentliche Mitwirkung zum Mobilitätskonzept gezeigt habe, dass bei der Klimapolitik unterschiedlichste Vorstellungen aufeinandertreffen, wie die «richtige» Politik auszusehen habe. «Die Auswertung zeigt ein von starken Gegenpolen geprägtes Bild. Es braucht nun weitere Diskussionen, um eine konsensfähige Mobilität im Kanton Zug zu erhalten.» 

Wo die zwei linken Hoffnungen ruhen

Wo sich diesbezüglich mehrheitsfähige Lösungen finden werden, muss sich zeigen. In letzter Zeit gab sich auch die Mitte im Kanton Zug einen grünen Anstrich. So forderte sie beispielsweise, dass Gemeinden Zonen definieren können, in denen nur «saubere» Elektroautos verkehren dürfen (zentralplus berichtete).

Für Andreas Lustenberger ist das aber ein Nebenschauplatz. «Die Zuger Mitte und ihre Meinungsführer sind immer noch stark finanzpolitisch geprägt. Eine Mehrheit für ökologische Kompromisse finden wir nur ganz selten.»

Mehr Lichtblicke ortet der ALG-Präsident bei den Gemeinden. Tatsächlich geht auf dieser Ebene einiges. Baar hat kürzlich eine Hitzestrategie angekündigt, Cham will die Verwaltung bis 2030 klimaneutral gestalten – beides notabene bürgerlich dominierte Parteien. «Die eine Hoffnung ist dieser Druck von unten», sagt Andreas Lustenberger. «Die andere: die Wahlen 2022.»

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2 Kommentare
  • Profilfoto von Carola Oberli
    Carola Oberli, 18.10.2021, 08:09 Uhr

    Man lernt nie aus: Unser Klima spielt sich innerhalb der Landesgrenzen ab. Da gilt plötzlich kein freier Austausch wie bei Waren, Dienstleistungen und Personen mehr.

    Die Grünen und ihre Machbarkeitsfantasien: Zug, Luzern, ja die ganze Schweiz könnten auf Benzin, Diesel, Gas und Kohle verzichten, es würde am Klima nicht das Geringste ändern. Einfach nur Geld ausgeben, weil der Kanton (aber längst nicht alle Bürger) genug hat, ist sinnfrei. Typisch für diese Kreise: Sie glauben, mit Geld und noch mehr Geld alle Probleme zu lösen. Dabei dient ihnen das Klima bzw. die Panikmache nur als Vorwand, die Bürger zu gängeln und die Staatsquote zu erhöhen. Bis zum Endziel: dem Sozialismus.

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    • Profilfoto von Hans Peter Roth
      Hans Peter Roth, 19.10.2021, 00:58 Uhr

      Auf welchem Planet sind denn Sie zuhause? 🤔

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