Kapellbrücke-Brand 1993: Die Lehren daraus

Wieso ein Feuer heute keine Chance mehr hätte

Markus Portmann auf der Kapellbrücke, die er 1993 beim Brand zu retten versuchte.

(Bild: jwy)

Luzern hat seine Lehren aus dem verheerenden Brand der Kapellbrücke vor 25 Jahren gezogen. Dass die Holzbrücke so schnell abbrennt, wäre heute kaum mehr möglich. Was das mit Spinnen und unsichtbaren Glasscheiben zu tun hat, erzählt uns der Feuerwehrhauptmann vor Ort.

Markus Portmann steht auf der alten Holzbrücke, um ihn herum braust der Touristenstrom. Die Besucher knipsen, staunen, gucken. Sein kundiger Blick gilt etwas anderem. Einem gut versteckten, runden, schwarzen Ding zuoberst im Dachgiebel: dem Rauchmelder.

Es ist eine der Massnahmen, die dafür sorgen, dass heute kaum mehr möglich wäre, was vor 25 Jahren Luzern schockierte: Innert einer Stunde wurden zwei Drittel der Holzbrücke zum Raub der Flammen.

Der 50-jährige Portmann ist stellvertretender Kommandant der Feuerwehr Stadt Luzern – und kämpfte in der Nacht auf den 18. August 1993 selber gegen die Flammen auf der Brücke.

Er sagt: «Sag niemals nie, aber ein vergleichbarer Brand wäre heute ziemlich sicher nicht mehr möglich, es wurden damals nach dem Brand schnell viele Massnahmen ergriffen.» Der Rauchmelder ist eine davon.

Keine Zigi auf der Brücke

Die simpelste Massnahme wird einem gleich beim Betreten der Brücke eingebläut: das strikte Rauchverbot, das vor dem Brand noch nicht galt. Man geht davon aus, dass eine Zigarette ein unter der Brücke parkiertes Boot in Brand gesetzt hat (zentralplus berichtete). Darum sind heute nicht nur Zigaretten auf der Brücke verboten, sondern auch die Boote darunter.

Als weitere organisatorische Massnahme wird die Brücke heute öfters gereinigt. «Ein Grund, wieso die Brücke so schnell abbrannte, waren unter anderem die Spinnweben unter dem Dach», sagt Portmann. Und tatsächlich sieht man beim Gang über die Brücke kaum Spinnennetze im Gebälk.

Diskrete technische Mittel

Weiter wurden bauliche und technische Massnahmen installiert – wegen des Denkmalschutzes ganz diskret. Man würde sie kaum bemerken, würde nicht der Fachmann drauf hinweisen.

Kapellbrücke-Brand vor 25 Jahren

In der Nacht auf den 18. August 1993 zerstörte ein Brand das Wahrzeichen von Luzern. zentralplus widmet dem Ereignis eine Artikelserie:

  • Der Rückblick: Wieso brannte die Kapellbrücke vor 25 Jahren?
  • Der Wiederaufbauer: Wie «Stadtvater» Franz Kurzmeyer die Krise in einen Erfolg umwandelte.
  • Die Lehren daraus: Wieso ein Feuer heute keine Chance mehr hätte.
  • Die grössten Feuer: Welche Brände in Luzerns Geschichte wüteten.

Da ist zum einen die erwähnte Brandmeldeanlage, die Alarm schlägt, wenn sich Rauch entwickelt. «Das sind normale Rauchmelder, wie man sie von vielen öffentlichen Gebäuden kennt», so Portmann. Zudem hat man einen Blitzschutz eingebaut, der einen allfälligen Einschlag in die Holzbrücke ungefährlich ableiten soll.

Die unauffälligste Massnahme sind aber die 19 Brandschutzgläser in den Giebeln. Nur feine Holzleisten zeugen vom unsichtbaren Glas neben den Bildern. «Dieses soll verhindern, dass sich ein Brand unter dem Dach ausbreiten kann», so Portmann. Er erklärt: «Wenn ein Feuer nicht aufsteigen kann, breitet es sich aus. Das ist damals bei der Kapellbrücke passiert.» Das Feuer konnte nicht entweichen, es gab einen Hitzestau und es hat sich – unterstützt durch die Spinnweben – blitzschnell quer über die ganze Brücke ausgeweitet. Zudem verlaufen heute unter dem Giebel kaum sichtbare Brandmeldekabel. «Diese reagieren auf Hitze und lösen ebenfalls Alarm aus», so Portmann.

Die Glasscheiben, die ein Ausbreiten des Feuers verhindern würden, sind nicht zu sehen. Nur die Holzleisten verraten die Massnahme.

Die Glasscheiben, die ein Ausbreiten des Feuers verhindern würden, sind nicht zu sehen. Nur die Holzleisten verraten die Massnahme.

(Bild: jwy)

Dreifach gesichert

Ein paar Schritte weiter zeigt der Feuerwehr-Hauptmann auf die letzte Sicherheitsmassnahme: Videokameras, über welche die Polizei in der Zentrale das Geschehen auf der Brücke in Echtzeit verfolgen kann. Die dünnen, grauen Kameras sind so über die Brücke verteilt, dass kein Abschnitt unbewacht ist. Schlägt die Technik Alarm, teilt die Polizei der Feuerwehr noch vor dem Eintreffen mit, ob Rauch oder Feuer sichtbar ist. «So könnten wir noch während der Alarmierung mit einem Nachaufgebot reagieren», sagt Portmann.

Die Kapellbrücke ist also dreifach abgesichert: über die Rauchmelder, den Wärmealarm und die optische Kontrolle. Welches ist die wichtigste Massnahme? «Die Kombination aus allem», so Portmann. Auf der noch älteren Spreuerbrücke, die glücklicherweise bis heute von einem Brand verschont geblieben ist, sind die Sicherheitsvorkehrungen übrigens identisch.

Alarm! Aber nicht wegen Feuer …

Es komme ab und zu vor, dass die Melder Alarm schlagen, sagt Portmann. Jedoch nicht wegen Feuer: «Das Problem ist, dass Spinnen in die Melder eindringen und so den Sensor verdecken. Dann geht der Alarm los.» Und die Polizei gibt sogleich Entwarnung, wenn kein Rauch oder Feuer sichtbar ist. «Wir sind dann beruhigt, aber machen natürlich trotzdem eine Kontrolle», so Portmann. Wenn aber jemand aus Versehen trotz Rauchverbot mit der Zigarette über die Brücke marschiert, geht der Rauchmelder in der Regel nicht los.

Auf eine Sprinkleranlage hat man im über 700 Jahre alten Wahrzeichen bewusst verzichtet – vor allem aus denkmalpflegerischen Gründen. Mit den Wasserrohren und den nötigen Anschlüssen hätte das eine aufwendige Installation bedeutet. «Das wollte man optisch nicht», sagt Portmann und versichert sogleich: «Mit den bestehenden Massnahmen ist die Brücke genügend geschützt.»

Seit dem Brand herrscht auf der Kapellbrücke striktes Rauchverbot – Markus Portmann weiss aus eigener Erfahrung, wieso.

Seit dem Brand herrscht auf der Kapellbrücke striktes Rauchverbot – Markus Portmann weiss aus eigener Erfahrung, wieso.

(Bild: jwy)

Leben mit der Ungewissheit

Hinzu kommt, dass die Feuerwehr anders organisiert ist als vor 25 Jahren. Damals gab es noch keine Berufsfeuerwehr, sondern ein Polizeilöschpikett. «Die Professionalität hat in der Zwischenzeit zugenommen», sagt Portmann. Was aber nicht zwingend bedeute, dass man schneller sei. Denn bei allen Massnahmen bleibe es dabei: «Die Feuerwehr kann erst ausrücken, wenn sie alarmiert ist.»

Über die Ursache des Kapellbrücke-Brandes wird man wohl nie Gewissheit haben. Das gehört für den Feuerwehrmann zum Job. «Das beschäftigt einen schon, aber letztlich rücken wir bei Alarm aus und sind froh, wenn wir helfen können. Das Warum rückt dann in den Hintergrund», sagt er. Auch zum grossen Bahnhofsbrand 1971 hat man nur Vermutungen, die Brandursache wurde auch hier nie mit hundertprozentiger Sicherheit herausgefunden.

Eine Feuerwehrfamilie

Markus Portmann war beim Brand der Brücke seit fünf Jahren in der Feuerwehr. Der Urluzerner, dessen Vater schon leidenschaftlicher Feuerwehrmann war, erinnert sich gut an die Nacht. Sein nüchterner Blick wird emotionaler: «Ich habe damals im Würzenbach gewohnt. Als ich über die Seebrücke zum Einsatz fuhr und die Kapellbrücke lichterloh brennen sah, hat das rüüdig weh getan.»

Er kämpfte auf der Seite des Luzerner Theaters unter Atemschutz gegen die Flammen. Unter den 150 Kollegen war auch der jetzige Kommandant Theo Honermann. «Wenn man dran ist, ist es ein Brand wie jeder andere auch und man gibt das Beste», sagt Portmann. «Aber das Bild auf der Anfahrt, das tat weh», wiederholt er.

Es war ein Einsatz, wie ihn ein Feuerwehrmann wohl nur einmal in seiner Karriere erlebt. Bei Markus Portmanns Vater war es 1971 der Bahnhofsbrand, bei ihm selbst 1993 die Kapellbrücke.

Mehr Bilder von den Brandschutz-Massnahmen gibt’s in der Galerie:

Deine Ideefür das Community-Voting

Die Redaktion sichtet die Ideen regelmässig und erstellt daraus monatliche Votings. Mehr zu unseren Regeln, wenn du dich an unseren Redaktionstisch setzt.

Deine Meinung ist gefragt
Deine E-Mailadresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert. Bitte beachte unsere Netiquette.
Zeichenanzahl: 0 / 1500.


0 Kommentare
    Apple Store IconGoogle Play Store Icon