Mit Weibello & The Gang, Artifiction & Co.

Wiederauferstehung des Badi-Open-Airs Hünenberg: Ein Neuanfang in kleinen Schritten

Auch die bekanntesten Gesichter unter den lokalen Acts am Open Air durften nicht fehlen: Weibello & The Gang.

(Bild: Laura Livers)

Über die Hitze an diesem Wochenende wurde bereits alles gesagt, was man sagen könnte. Hier folgend geht es einzig um das Badi-Open-Air Hünenberg. Denn nach drei Jahren Pause wagte dieses einen Neuanfang. Über die Tücken einer Streaming-fokussierten Karriere und Musiker, die bei gefühlten 40 Grad Celsius und verschwitzten Gitarrensaiten eine grosse Show abliefern.

Der Anfang gehörte dem Bandraumnachwuchs aus Hünenberg. Mit Waterboii und Polo Volo standen zwei Formationen auf der Bühne, die bei den Gleichaltrigen – dicht gedrängt, leicht tropfend vor der Bühne versammelt – Beigeisterungsstürme auslösten. Die Ü20er, etwas weiter hinten beim Technikerzelt, betrachteten das eher ungläubig.

«Isch das etz Trap?», wendet sich ein Zuschauer an die Autorin dieses Artikels. Die Antwort: Yep. Das ist Deutsch-Trap, Auto-Tune in bester T-Pain Manier, weinerlicher Rap-Gesang und das ausgestorben geglaubte 90er-Vocabular («Shawty, wirklich?») inklusive.

Beide Formationen stehen quasi zum ersten Mal auf einer Bühne, kleinere Unsicherheiten und Fehler wurde mit jugendlichem Charme überspielt. Ein kurzer Internetcheck zeigt, sowohl Waterboii als auch Polo Volo sind auf Spotify vertreten, erstere sogar mit beachtlichen 35’000 Streams. Als Selfmade-Künstler haben die Jungs auf jeden Fall bereits viel erreicht, da gilt es den Hut zu ziehen, ob man nun Verständnis für die Musik aufbringen kann oder nicht.

Nicht alles Gold, was glänzt

Ebenfalls aus der Sparte der Online-Künstlerinnen stammt das nächste Duo: Pull n Way. Vor drei Jahren auf Instagram entdeckt, weisen die beiden Sängerinnen bereits eine beachtliche Online-Fanbase auf. Erst kürzlich reisten die zwei nach Australien zu ihrem Produzenten, um ihr erstes Album aufzunehmen (zentralplus berichtete).

Der Auftritt am Badi-Open-Air zeigte dann aber schnell die Tücken einer Streaming-fokussierten Karriere: Der Auftritt der beiden war zaghaft, um es vorsichtig auszudrücken. Unterstützt durch den Zürcher DJ Mister Alive, sangen sich Pull n Way ihrer Musik entlang. Mal mit mehr, mal mit weniger Elan. Publikumsinteraktion wurde aussen vor gelassen; es schien ihnen an Erfahrung zu fehlen, Zuhörer vor die Bühne zu locken und für sich zu begeistern.

Kein Problem mit der Open-Air-Situation hatte Artifiction. Die konzerterfahrene progressive Metalcore-Band liess sich durch gar nichts aus der Ruhe bringen: Ob verschwitzte Gitarrensaiten, ein falsch geschlaufter Klick auf der Anlage hörbar oder die gefühlten 40 Grad auf Platz: Die fünf Musiker waren hier, um eine Show abzuliefern. Auch die Nicht-Metalfans – in sicherem Abstand der schattigen Hecke entlang platziert – wippten mit ihren Füssen und Köpfen und liessen sich zum Mitklatschen bewegen. Und spätestens bei ihrem neusten Song, der mit einem Sample von Greta Thunberg beginnt, tauchten die Hörer in die Welt des Metalcore ein, dessen sonst eher aggressiv wirkende Stilmittel plötzlich auf Verständnis stiessen.

Lokalmatadoren

Auch die bekanntesten Gesichter unter den lokalen Acts am Open Air durften nicht fehlen: Weibello & The Gang. Der Zuger Freestyle-Champion Fabian Weibel und seine «Gang» sind seit ihren Anfängen an der Sprungfeder 2016 zu einer Einheit zusammengewachsen, die sich sehen lässt.

Die Songs sind ruhiger geworden, ohne ihre Essenz zu verlieren. Wo sich früher fünf begnadete Musiker gegenseitig zu übertrumpfen versuchten, mit immer komplexeren Lines und Solis, erklangen am Samstag Passagen mit spärlichen Beats, einzelnen Tönen aus der Gitarre, die gerade durch die Abwesenheit der sonst so üblichen Fülle erst recht Spannung zu erzeugen vermochten. Nicht fehlen durfte natürlich die obligate Freestyle-Einlage, während der Weibel einmal mehr bewies, warum er seit Jahren Stammgast beim Bounce Cypher ist. Während des Konzerts füllte sich der Platz merklich. Ein laues Lüftchen wehte über den Platz und machte das Mittanzen plötzlich angenehm und lockte die Leute aus dem See vor die Bühne.

Das Open Air, unter der Federführung der Jugendarbeit Hünenberg, findet in unregelmässigen Abständen auf der hinteren Liegewiese der Badi Hünenberg statt. «Das Open Air ist als Plattform für junge Menschen angedacht, die Interesse haben, in einem grösseren Rahmen eine Veranstaltung zu organisieren», erzählt Jonathan Casu, Bereichsleiter der Jugendarbeit Hünenberg. «Nach der verregneten Ausgabe 2016 hat es eine Weile gedauert, bis sich ein motiviertes Team gefunden hat.» Einer, der sich finden liess, ist Yannick Widmer. 2015 und 2016 noch als Helfer dabei, übernahm er für die diesjährige Ausgabe die Medien- und Öffentlichkeitsarbeit.

Der Weg ist das Ziel

«Ich hatte eine Vorstellung, was für Arbeit mit dieser Position anfallen wird», sagt Widmer. «Ich hatte nur keine Ahnung, wie gross der Aufwand sein würde.» Der gelernte Polymech liess sich aber weder von den zahlreichen Anwohnerbriefen, die es einzupacken galt, noch von komplexen Social-Media-Algorithmen abschrecken. «Solange die Motivation stimmt, packt man das schon.»

Als dann vor zwei Tagen die Hiobsbotschaft vom Ausfall von Panda Lux kam, sei ihm das Herz aber schon kurz in die Hose gerutscht. «Das ist natürlich der Albtraum eines jeden Festivals», sagt Widmer. «Und da waren wir auch richtig froh um die Unterstützung der Jugendarbeit Hünenberg und der Badibeiz. Die haben nichts anbrennen lassen und sich sofort auf die Suche nach Ersatz gemacht.»

Ein Ersatz wurde dann auch tatsächlich schnell gefunden: Nickless. Der junge Zürcher Musiker betrat, zur Freude der nun zahlreichen Teenies auf dem Platz, die Bühne. Gewohnt charmant sang er sein Set, spielte die Gitarre, liess mit Hilfe eines Drumpads Eurodance-Nostalgie aufkommen und stellte seine Beatbox-Fähigkeiten unter Beweis. Das Publikum bedankte sich bei ihm, mit Applaus, mit rhythmischem Klatschen, und einer La-Ola-Welle. Um 22 Uhr musste draussen dann aber Schluss sein – eine längere Bewilligung ist im reichen Hünenberg am See nicht zu bekommen.

Wachsen über die nächsten Jahre

Die 2019er-Ausgabe des Badi-Open-Airs mit ihrem jungen Organisationskomitee hat beachtliche Arbeit geleistet. Bei aller Luft nach oben, die es noch gibt, gilt es diese erste Ausgabe als das zu würdigen, was sie war: Eine Grossveranstaltung, organisiert von motivierten jungen Menschen, welche – sofern man ihnen Unterstützung und Wohlwollen entgegenbringt – über die nächsten Jahr hinweg wachsen kann und die Jugendkultur um Hünenberg nachhaltig beleben kann.

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