Falsche Berechnungen sind den Politikern für einmal egal

Wie Zug mit dem Riesenüberschuss die Corona-Krise meistern kann

Goldiger Jahresabschluss mit 175 Millionen Franken Überschuss: Das regt im Kanton Zug die Phantasie an. (Bild: montage wia)

Die Alternative – die Grünen möchten den überraschend hohen Ertragsüberschuss des Kantons Zug von 175 Millionen Franken dazu verwenden, die Folgen der Corona-Krise zu bewältigen. Was die Öffentlichkeit in den kommenden Monaten beschäftigen wird, ist ein Streit um die Höhe der Steuern.

100 Millionen Franken an sogenannt strukturellem Defizit hatte sich der Kanton Zug im vergangenen Jahrzehnt mit drei Sanierungspaketen mühsam vom Mund abgespart. Anfang Monat nun fand er überraschend rund 205 Millionen Franken mehr im Osternestchen als gedacht.   

Dass die Jahresrechnung 2019 des Kantons Zug mit einem Gewinn von 175,4 Millionen Franken abschloss – budgetiert gewesen ursprünglich ein Fehlbetrag von knapp 30 Millionen Franken – liegt vorab an rege sprudelnden Steuereinnahmen (zentralplus berichtete).

«Einmaleffekte» und «ausserordentliche Effekte»

Dass diese so hoch ausfallen würden, sei nicht vorherzusehen gewesen, sagt Finanzdirektor Heinz Tännler (SVP). Die Annahmen für die Budgetierung seien vernünftig gewesen, sagt er, «wurden jedoch von ausserordentlichen Effekten überholt». Seine Defiziterwartung hatte er im vergangenen Herbst korrigiert.

Bereits im Jahr 2018 hatte der Kanton Zug einen Überschuss von knapp 150 Millionen Franken ausgewiesen. Damals waren laut dem Finanzdirektor keine «ausserordentlichen» Effekte schuld am Geldsegen gewesen – sondern «Einmaleffekte».

Es wird regelmässig falsch kalkuliert

Vergleicht man Budget und Abschluss des Kantons Zug, so fällt auf, dass die Finanzdirektion in den vergangenen Jahren immer zu konservativ budgetiert hat. Am Schluss liegt stets mehr Geld in den kantonalen Kassen, als das vom Kantonsrat beschlossene Budget vorgesehen hat. Ausserdem nimmt der Unterschied zwischen Budget und Rechnung von Jahr zu Jahr zu – die Vorhersagen der kantonalen Finanzexperten liegen immer stärker daneben (siehe Grafik).

Im Vorjahr hatte dies dem Regierungsrat noch lautstarke Schelte eingetragen. Die Linke hatte kritisiert, die Finanzdirektion budgetiere absichtlich zu tief, um kleinliche Sparanstrengungen im Staatshaushalt zu rechtfertigen.

«Fokus anders gesetzt»

Mit der Corona-Krise ist das Interesse für die durch übertriebene Vorsicht ausgelösten Falschprognosen erloschen, die Kritik an den Fehlkalkulationen verstummt. Die Seuche hat die Prioritäten verschoben.

«Als Kanton müsste man aber das grosse Ganze im Blick haben.»

Andreas Hürlimann, ALG-Kantonsrat

«In diesem Jahr haben wir den Fokus aus gegebenem Anlass anders gewählt», sagt ALG-Kantonsrat Andreas Hürlimann. Die Alternative – die Grünen des Kantons Zug fordern nämlich in einer Erklärung, dass der Überschuss jetzt und in Zukunft «für die Bewältigung der Corona- und der Klima-Krise verwendet wird».

Investieren oder korrigieren?

Die Kritik an der «zu düsteren Betrachtungsweise der Finanzdirektion» halte man natürlich aufrecht, sagte Hürlimann zu zentralplus. «Das jährlich wiederkehrende Gerede» von Einmaleffekten und nicht nachhaltigen Geschäftsvorgängen möge auf einzelne Unternehmungen zutreffen. «Als Kanton müsste man aber das grosse Ganze im Blick haben», so der Steinhauser Kantonsrat.

Doch wie gesagt: Wegen der Corona-Krise fordern die Alternativen nun «kluge Investitionen». Ähnlich Denkende setzen freilich andere Akzente. SP-Fraktionschef Alois Gössi sagte in der «Zuger Zeitung» sinngemäss, man möge doch bitte die unnötigen Sparanstrengungen der letzten Jahre rückgängig machen, die neben den hohen Steuereinnahmen für den Überschuss verantwortlich gewesen seien.

Der letzte gute Abschluss für eine ganze Weile

Bei der CVP ist man darüber besorgt, dass der gute Abschluss der Kantonsrechnung wegen der Corona-Krise in den kommenden Jahren nicht zu wiederholen sei. «Grundsätzlich hat der Kanton Zug aber mit dem Überschuss von 2019 eine optimale Ausgangslage, um weitere dringende Massnahmen zur Bewältigung der Corona-Krise in die Wege zu leiten», sagt CVP-Fraktionschef Thomas Meierhans.

«Ich hoffe, dass eine Lösung ohne politische Grabenkämpfe gefunden wird.» 

Thomas Meierhans, CVP-Fraktionschef

Wie genau die Mittel dafür «Unternehmungen, aber Privatpersonen zugeführt werden sollen», dabei bleibt er vage. Er hoffe, dass bei den Diskussionen im Kantonsrat «eine Lösung ohne politische Grabenkämpfe gefunden wird».

SVP und FDP freuen sich auf Steuersenkung

Das wird schwierig. Weil man sich bei der SVP nämlich ganz offen über die unverhoffte Geldschwemme und die von der Regierung in Aussicht gestellte Steuersenkung freut. Und auch die FDP neben der Sorge um die Wirtschaft die befristete Steuersenkung für ein geeignetes Mittel hält, um die Konjunktur anzukurbeln.

Bei der Linken indes ist man strikt dagegen und hat sich auf die Steuersenkungspläne der Regierung eingeschossen. Dies, obwohl die auf vier Jahre befristete Senkung der Kantonssteuern nur einen Teil der kantonalen Corona-Massnahmen darstellt. Neben Kreditbürgschaften über 100 Millionen Franken, Á-fonds-perdu-Hilfen aus dem Lotteriefonds und einer Notfallreserve von total 50 Millionen Franken würde sie 40 Millionen Franken pro Jahr kosten.

Linke halten den Plan für «absurd» und «asozial»

Aber im Unterschied zu den Unterstützungsgeldern, die von der Regierung beschlossen werden kann, muss die Steuersenkung in den Kantonsrat, bietet also Potential zur politischen Profilierung. Im Moment und wegen des Stillstands des parlamentarischen Betriebs findet diese in den Meinungskolumnen der lokalen Zeitungen und in sozialen Medien statt. Dabei sind immer schrillere Töne zu hören.

In ihrem Statement hatten die Alternativen dargelegt, warum sie die Steuersenkung für «absurd» halten: Dadurch würden jene KMU und andere Unternehmen nicht entlastet, denen die Einnahmen – grossteils oder sogar ganz – wegen der Coronakrise weggebrochen sind, weil Firmensteuern ja auf Gewinne erhoben werden. Ausserdem seien andere Kantone in der Schweiz finanziell schon gar nicht in der Lage, ein eigenes Corona-Paket zu schnüren, und man setze auch international falsche Zeichen.

Steuern viermal stärker senken

Diesen Gedankengang aufgreifend, erinnerte SP-Kantonalpräsidentin Barbara Gysel in der «Zuger Zeitung» daran, dass bei vergleichbaren Ereignissen jeweils zusätzliche Krisensteuern eingeführt wurden, und nannte die Zuger Pläne «asozial». Womit sie FDP-Kantonsrat Rainer Leemann auf den Plan rief, der im selben Blatt darlegte, dass der Kanton Zug gut und gerne eine viermal höhere Steuersenkung verkraften würde – also eine Reduktion von 82 auf 66 Prozent.

Die Klingen kreuzen können die Streithähne schon bald persönlich, denn am 30. April soll der Zuger Kantonsrat nach zwei Monaten erstmals wieder zusammentreten. Die Diskussionen um die Steuern werden mutmasslich weiter anhalten. Sollte der Senkung des Steuersatzes im Kantonsparlament zugestimmt werden, so sagen Gewährsleute, würde mit Sicherheit das Referendum ergriffen werden. Das letzte Wort fiele so dem Volk zu.

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