30 Meter Abstand zum Schilf halten

Wie Stand-up-Paddler auf dem Zugersee Vögel in Panik versetzen

Zur Rücksichtsnahme aufgerufen: Stand-up-Paddler und andere Seebenützer. (Bild: Andreas Busslinger)

Jedes Jahr appellieren die Zuger Behörden an Stand-up-Paddler, sich an die Regeln zu halten und sich um ihre eigene Sicherheit zu kümmern. In diesem Jahr sorgen sie sich mehr um Vögel. Und sie fordern die Einhaltung von Mindestabständen, obwohl es keine Rechtsgrundlage gibt. Was steckt dahinter?

Stand-up-Paddlen ist vor zwanzig Jahren als Sport aufgekommen – und erfreut sich jedes Jahr grösserer Beliebtheit. «Die Nutzerzahlen verdoppeln sich jährlich», sagt Andy Schocher, der am Brüggli in Zug einen grossen Paddleverleih betreibt. «Vergangenes Jahr haben sie sich gar verdreifacht.» Wegen der Coronapandemie seien mehr Leute in der Natur und hätten das Stand-up-Paddle (SUP) für sich entdeckt.

«Man trainiert den ganzen Körper vom Kopf bis in die Zehen», beschreibt Schocher die Vorzüge des Geräts. Der Sport ist mit schönen Naturerlebnissen verbunden. Anders als in einem Kajak sitzt du nicht auf dem Wasser, sondern blickst von oben in dieses hinein. Und anders als in einem Ruderboot schaust du nicht nach hinten, sondern geradeaus. «Man kann paddeln und wunderbar den Sonnenuntergang beobachten», so Schocher, der in Goldau einen Laden für Wassersportgeräte führt.  

Stress im Schilf

Die langsame Fortbewegung der Paddler wirkt jedoch nicht auf alle beruhigend: «Es werden Wasservögel gestört, die im Wasserschilfgürtel leben und insbesondere brüten», sagt Priska Müller, Leiterin des Amts für Wild und Wald des Kantons Zug. Besonders Rohrsängerarten, Haubentaucher oder das Blässhuhn werden dadurch gestresst. Zudem werden Wasserrallen durch SUP aufgescheucht.

Die Zuger Baudirektion weist neue Paddler jedes Jahr auf die Tücken der Boomsportart hin. In den Vorjahren hat sie jeweils auf Sicherheitsaspekte aufmerksam gemacht. Etwa darauf, dass sie sich die Sportler mit einem Knöchelband, einer sogenannten Leash sichern und dass sie das Brett anschreiben sollen. Zudem informieren die Behörden regelmässig darüber, dass nicht alles erlaubt ist – und dass gelbe Bojen ein Fahrverbot anzeigen.

Stehende machen Angst

Nun aber geht’s um die Wasservögel. Weil SUP nahezu geräuschlos ist, wird das Störungspotenzial meist unterschätzt. Nicht allein die Zahl der Stand-up-Paddler sei ein Problem. Die Sportlerinnen sind durch ihre stehende Silhouette schon von Weitem zu sehen. «Dies versetzt Wasservögel in Alarmbereitschaft. Sie reagieren unter Umständen mit Flucht. Das kostet Energie und kann ihr Überleben beeinträchtigen», heisst es in der Mitteilung.

Dieser Sachverhalt treibt andernorts wunderliche Blüten. Im Kanton Solothurn ist das Paddeln auf Teilen der Aare verboten. Mittlerweile müssen die Paddler streckenweise absitzen, um die Wasservögel nicht zu erschrecken. In der Tat lösen Ruderer keine Panikreaktionen bei Vögeln aus – anders als Paddler, die auf ihren Brettern stehen.

Nur eine Sperrzone

Auf dem Zuger- und Ägerisee gibt es keine solchen Regulierungen. «Nach unseren Einschätzungen und Erfahrungen kommen die verschiedenen Seebenutzer noch immer gut aneinander vorbei», sagt dazu Judith Aklin, Sprecherin der Zuger Polizei.

«Viele waren letztes Jahr zum ersten Mal mit einem SUP auf dem See.»

Judith Aklin, Zuger Polizei

Eine eigentliche Sperrzone existiert nur beim Choller, wo das Flachwassergebiet eine Naturschutzzone ist. Die Baudirektion möchte aber, dass Paddler auch den Schilfgebieten beim Dersbach im Nordwesten des Zugersees und jenen am Südende des Ägerisee fernbleiben. 30 Meter Mindestabstand sollen sie einhalten, so die Baudirektion. Ausserdem sollen sie nicht bei Nacht paddeln und Vogelschwärme in Ruhe lassen, die während der Zugzeit auf dem Wasser rasten.

Richtlinien zur Rücksichtsnahme

Diese Richtlinien für ein rücksichtvolles Paddeln werden überall in der Schweiz propagiert. Sie stammen von der Vogelwarte Sempach, Pro Natura, SwissCanoe und der Jagd- und Fischereiverwalter-Konferenz. Das Problem: Es gibt keine rechtliche Handhabe, um sie durchzusetzen. Was nicht verboten ist, ist in der Schweiz erlaubt.

SUP-Vermieter Andy Schocher findet es dennoch wichtig, die Richtlinien einzuhalten. «Mit dem Snowboard kann man auch nicht überall runterfahren», meint er. «Wir machen all unsere Kunden auf die Naturschutzgebiete und die rechtlichen Bestimmungen aufmerksam.» Seine Paddle-Station, in der 45 bis 55 SUP stehen, ist zusammen mit der SUP-Vermietung im Chamer Hirsgarten am nächsten an den sensitiven Gebieten gelegen. Jene des Stand Up Paddle Surf Clubs Zug bei der Männerbadi in Zug und die Vermietung des Gasthof Kreuz in Oberwil sind weiter vom Schilf entfernt.

Vielfach keine Ahnung

Judith Aklin mahnt zur «Vorsicht und Rücksichtnahme von jedem einzelnen auf dem See». Die Polizei hat zuweilen Kontakt mit Paddlern, wenn sie solche retten muss. «Dies passiert, wenn Wind, Wetter oder die eigene körperliche Fitness falsch eingeschätzt werden», so Aklin.

Ansonsten kontrolliert die Gewässerpolizei im Rahmen von Patrouillen die Einhaltung der Regeln, die im Schiffahrtsgesetz festgeschrieben sind. Rechtlich gelten SUP als Paddelboote, eine Unterart der Ruderboote. Es drohen Bussen von 50 Franken beim Befahren von mit gelben Bojen abgegrenzten Fahrverbotszonen. 40 Franken werden beim Nichtbeschriften des SUP fällig und 50 Franken kostet es Paddler, wenn sie ohne Rettungsweste weiter als 300 Meter vom Ufer entfernt unterwegs sind.

«Vereinzelt sind Bussen ausgestellt worden», sagt Aklin. Meistens gehe es ums Informieren und ums auf die geltenden Regeln Aufmerksam-Machen. «Oft stellten wir fest, dass den Paddlern die gesetzlichen Vorschriften nicht bekannt waren», sagt Aklin. «Viele waren letztes Jahr zum ersten Mal mit einem SUP auf dem See.»

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2 Kommentare
  • Profilfoto von Petra Müller
    Petra Müller, 28.06.2021, 14:50 Uhr

    Ja, die sind nicht gut zu Vögeln.

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  • Profilfoto von Meier Marco
    Meier Marco, 28.06.2021, 13:05 Uhr

    Diese Paddler sind genau so eine Plage, wie die ganzen E-Scooter. Ich bin für ein Verbot von beidem.

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