Die heilige Kuh wird geschlachtet

Wie sich das Zuger Defizit vermeiden liesse

Ein Gedankenspiel: Was, wenn man die Steuern zur Entlastung des Sparpakets erhöhen würde? (Bild: Barbara Wieser)

Zug will massiv sparen und trifft durch Abbau und Gebührenerhöhung viele Bürger. Was würde es jedoch für den Einzelnen bedeuten, wenn man stattdessen die Steuern erhöht? Wir proben den Tabubruch. Und wissen, wie die Politik darauf reagiert.

Steuern sind die heilige Kuh der Zuger. Unantastbar, ein Erfolgsrezept und unwiderstehlicher Lockstoff für reiche Bürger und internationale Firmen. Nun muss Zug aber sparen. Und das nicht nur an den hintersten Ecken und Enden, sondern massiv und in allen Bereichen. Ganze 111 Millionen sollen jährlich zusammengehaushaltet werden.

Zwar soll der steuerliche Eigenbetreuungsabzug in diesem Zusammenhang abgeschafft werden, sowie der Pendlerabzug, sowie Zinsen und Skonti reduziert werden, die Höhe der Steuern lässt die Zuger Regierung jedoch nach wie vor unangetastet. zentral+ führt die heilige Kuh nun gedanklich ins Schlachthaus. Was würde es konkret für die Zuger Bevölkerung bedeuten, wenn sie das Defizit des Kantons mit den eigenen Steuern auffangen müsste?

Vorteile für Bürger durch Steuererhöhungen?

Dann wären zwar logischerweise die Steuern für Einzelpersonen höher. Dafür würden beispielsweise folgende einschneidenden Massnahmen obsolet: Die Kürzung der Krankenkassen-Prämienverbilligung und der Mutterschaftsbeiträge, die Schliessung der Polizeidienststelle am Kolin, die Tariferhöhungen im öffentlichen Verkehr, der Abbau des günstigeren Zuger Pass› für IV-Bezüger; überhaupt die ganzen geplanten Reduktionen im öffentlichen Verkehr oder die Erhöhung der Klassengrössen an den kantonalen Mittelschulen.

Auch könnten die Gemeinden, denen durch das Sparprogramm massive Kosten aufgebürdet werden, stark entlastet werden. Diese Perspektive hat zentral+ dazu veranlasst, den Taschenrechner hervorzuholen.

Der Kanton Zug hat im Jahr 2014 insgesamt rund 608 Millionen Franken Steuern generiert. Sollte das ganze Sparprogramm von 111 Millionen Franken über die Steuern zusammenkommen, muss der gesamte Steuerertrag um 18,24 Prozent steigen. Unser Gedankenspiel geht davon aus, dass sowohl Privatpersonen als auch Firmen höhere Steuern zahlen müssen.

Fast 400 Millionen, also 65 Prozent des gesamten Steuerertrags, werden im Kanton Zug durch natürliche Personen berappt. Diese müssten rund 72 Millionen Franken zusätzlich an Steuern zahlen. Was bedeutet das für die Einzelperson?

Was eine Steuererhöhung für Schreiner und Bankerin bedeuten würde

Max Muster ist 25 Jahre alt, ledig, konfessionslos, hat keine Kinder und wohnt in der Stadt Zug. Muster verdient als Schreiner monatlich 5’000 Franken brutto und zahlt, berechnet man die Steuern mit dem Online-Programm des Kantons, 3’770 Franken Gemeinde- und Kantonssteuern. Sein Anteil an die zu erreichenden 111 Millionen Franken wäre 397,08 Franken (18,24 Prozent der Kantonssteuern, gerechnet vom Nettolohn von 4615 Franken).

Netto Einkommen monatlich4615 Fr.
Steuern jährlich (Kanton und Gemeinde)3770 Fr.

Mehrbelastung durch Steuererhöhung (18,24 % der Kantonssteuern)

+397,08 Fr.
Steuern neu4167,08 Fr.

Brigitte Beispiel ist 52 Jahre alt, verheiratet, katholisch und hat zwei Kinder. Sie und ihre Familie wohnen in Menzingen, dort ist auch ihr Bürgerort. Frau Beispiel arbeitet bei der Zuger Kantonalbank und verdient knapp weniger als 10’000 Franken monatlich. Ihr Nettolohn liegt bei 9230 Franken. Beispiel zahlt 8733 Franken Steuern jährlich. Erhöht würde der Betrag im Falle einer Steuererhöhung um 795,26 Franken. Damit stiege Beispiels Steuerbetrag auf jährlich 9’528,26 Franken an.

Netto Einkommen monatlich9’230 Fr.
Steuern jährlich8’733 Fr.

Mehrbelastung durch Steuererhöhung (18,24 %)                                    

+795,26Fr.
Steuern neu9’528,26 Fr.

Wie sähe die Rechnung aus, wenn man nur die Hälfte des Sparbetrags direkt auf die Bürger überwälzen würde? Neu würde Max Muster dann 198,54 Franken zusätzlich zu seinen 3770 Franken Steuern zahlen, Brigitte Beispiel käme auf zusätzliche 397,63 Franken zu ihren 8’733 Franken, also auf gesamthaft 9’130,63 Franken – damit liesse sich die Hälfte der Sparmassnahmen reduzieren.

Die Parteien sind nicht begeistert

Eine Idee, mit denen sich die Zuger Fraktionen anfreunden könnten?

Mitnichten. Die SVP, die Alternative – die Grünen und die Sozialdemokraten sind explizit dagegen, dass das Gedankenspiel zur Realität wird. Wenn auch mit unterschiedlichen Begründungen.

Die SP spricht sich seit der Ankündigung des Sparpaketes nur bei Reichen für Steuererhöhungen aus. SP-Parteipräsidentin Barbara Gysel betont: «Wir sind dezidiert gegen die Mehrbelastung von natürlichen Personen, die nicht reich sind – insbesondere vom Mittelstand und Mittellosen.» Die SP setze sich für die Erhöhung der Steuern bei Reichen ein, damit die Progression steige, ebenso für die Streichung bestimmter Abzüge, welche primär Reichen oder Vermögenden zugute kämen. Dies entspreche letztlich auch einer Steuererhöhung. Die Sozialdemokraten sprechen sich insbesondere für höhere Unternehmenssteuern und internationale Standards bei den Bemessungsgrundlagen aus.

«Dem Mittelstand in Zug geht es bereits sehr schlecht.»

Barbara Gysel, Präsidentin der Zuger SP

Gysel ergänzt: «Den Hebel müssen wir also gezielt ansetzen, damit wir die Schere zwischen den höchsten und den tiefsten Einkommen im Kanton Zug nicht noch mehr verschärfen.»

Barbara Gysel empfindet das Gedankenspiel von zentral+ als «irreführend», da die Steuererhöhungen, welche im Rechenbeispiel dargestellt würden, eben diejenigen seien, welche explizit unerwünscht seien. «Diese Beispiele führen zu nichts. Genau dem Zuger Mittelstand geht es bereits jetzt sehr schlecht. Ob jetzt Sparpaket oder Steuererhöhungen zu Ungunsten der Nicht-Reichen – beides ist asozial.»

«Nicht in unserem Sinn»

Die Alternative (ALG) argumentiert ähnlich. Die ALG sei strikt dagegen, das Sparpaket mit Steuererhöhung auf die Bevölkerung «und schon gar nicht auf kleinere und mittlere Einkommen abzuwälzen. Darum sind die gemachten Beispiele nicht in unserem Sinn.» Auch die ALG spricht sich stark dafür aus, dass insbesondere sehr Vermögende, Aktionäre und privilegierte Unternehmen zur Kasse gebeten werden.

Fraktionschef Stefan Gisler bringt gleich konkrete Alternativen aufs Parkett: «So könnte man die Milderung der angeblichen Doppelbesteuerung für Aktionäre wieder teilweise rückgängig machen», sagt Gisler. Im Rahmen der nationalen Unternehmenssteuerreform 3 würden die Privilegien für Holdings, gemischte Gesellschaften und Domizilfirmen abgeschafft; Zug müsse dann die allgemeinen Unternehmenssteuern nicht senken. Zudem wäre auch die Gewinnsteuer bei mindestens 6 statt heute 5,75% anzusetzen. Nur schon mit diesen Massnahmen könnten grosse Teile des Sparpakets ersetzt werden, so Gisler.

Die SVP will stattdessen einen billigeren Staat

Manuel Brandenberg, Fraktionschef der Zuger SVP hält Steuererhöhungen auf jeder Ebene unzumutbar. Sie würden sowohl die Haushaltseinkommen der Bürger schwächen, wie auch den Wirtschaftsstandort Zug. Zudem argumentiert Brandenberg damit, dass mit Steuererhöhungen der Staat und seine Verwaltung unnötig gestärkt würden.

«Notwendig ist der Rückbau der staatlichen Allzuständigkeit mit dem Nebeneffekt, dass der Staat billiger wird.»

Manuel Brandenberg, Fraktionschef SVP

Seine Lösung: «Notwendig ist der Rückbau der staatlichen Allzuständigkeit mit dem Nebeneffekt, dass der Staat billiger wird.» Weniger Steuern würden zu einem schlankeren Staat führen, dies führe zu mehr Freiheit, und dies wiederum entspreche der Würde des Menschen.

 

Kommt eine Steuererhöhung, die auch das Volk mittragen muss, für Sie in Frage? Finden Sie, nur die Unternehmen müssten zur Kasse gebeten werden? Oder wo sehen Sie die richtigen Massnahmen, um Zug ins finanzielle Gleichgewicht zu bringen? Teilen Sie uns Ihre Meinung in der Kommentarfunktion mit.

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1 Kommentar
  • Profilfoto von Politikerli
    Politikerli, 27.04.2015, 12:38 Uhr

    «Die SVP will stattdessen einen billigeren Staat. Manuel Brandenberg, Fraktionschef der Zuger SVP hält Steuererhöhungen auf jeder Ebene unzumutbar.»
    Warum nur fordern die bürgerlichen «Rechten» bei Strassenbau, Stadttunnels, Hallenbädern, Schulhäusern, Werkhöfen, usw. nie einen billigeren Staat?! Da lägen doch locker ein paar 100 Millionen drin? Und wieso ist jetzt auf einmal die Erhöhung auf Ebene Motorfahrzeugsteuer für die SVP zumutbar?

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