Luzerner Gerichte: Mehr Fälle und weniger Ausgaben

Wie samstags in der Migros: So reagieren Richter auf Spardruck

Die Luzerner Gerichte haben 2017 den Spardruck gespürt.

(Bild: jal)

Sparpolitik und fehlendes Budget: Das bekamen letztes Jahr auch die Luzerner Gerichte zu spüren. Trotzdem konnten sie mehr Straffälle erledigen als 2017. Wie eine «Pflästerlilösung» dazu führte.

Man fühle sich wie an einem Tisch, dessen Tischtuch zu kurz sei – und das durch die Sparpolitik zusätzlich zu heiss gewaschen wurde. Das sagte Peter Meuli, Präsident der erstinstanzlichen Gerichte im Kanton Luzern, an der Präsentation des Jahresberichtes am Mittwochmorgen.

Denn das vergangene Jahr der Luzerner Gerichte stand ganz im Zeichen der Sparpolitik. Wegen des budgetlosen Zustandes sind im Vergleich zum Budget knapp vier Millionen Franken eingespart worden (siehe Box). Hauptsächlich, weil man mehrere Projekte zurückstellen musste. Das betrifft besonders den Informatikbereich und die Entwicklung hin zu einem papierlosen Büro, erklärte Kantonsgerichtspräsident Marius Wiegandt.

Aber auch Weiterbildungen oder aktuelle Anschaffungen in der Bibliothek mussten gestrichen werden. Wiegandt: «Das ist problematisch, weil man nicht mehr auf dem neusten Stand ist und eher Fehler macht.»

Priorität auf Straffälle gelegt

Weil der Kanton – bis im September 2017 ohne gültiges Budget – einen Personalstopp verhängte, konnten am Kriminalgericht insgesamt vier Stellen nicht besetzt werden (2 Richter, 2 Gerichtsschreiber). Peter Meuli verglich die Situation mit einem Samstag in der Migros. «Auch über unser Förderband kommen sowohl einzelne Cornets und als auch Wocheneinkäufe, aber es sitzen eben nur drei Mitarbeiter an der Kasse, egal, wie gross der Andrang ist. Und ein Self-Scanning wie die Migros kennen wir nicht.» Dank einer Ausnahmeregelung konnte das Kriminalgericht letztlich aber doch eine Gerichtsschreiberstelle besetzen.

«Mein 5-Meter-Pult reicht oft nicht mehr für alle Papiere.»

Angelika Albisser, Familienrichterin Bezirksgericht Hochdorf

Trotz des Spardrucks haben die Luzerner Gerichte 2017 mehr Straffälle erleidigt als 2016. Gemäss Marius Wiegandt war das dank des «gezielten internen Ressourceneinsatzes» möglich. Im Klartext: Aus dem Pool der frei einsatzbaren Richter sind viele beim Kriminalgericht eingesetzt worden. Ein Weg, den Wiegandt selber als «Pflästerlilösung» bezeichnete.

Denn darunter litten nicht zuletzt die Bezirksgerichte und damit die zivilrechtlichen Fälle. In diesem Bereich ging die Zahl der Prozesse, die innert Jahresfrist erledigt werden konten, weiter zurück.

Mehr Aufwand bei Scheidungsfällen

Dazu kommt, dass die Bezirksgerichte im letzten Jahr deutlich stärker belastet wurden. Denn seit Anfang 2017 ist das neue Unterhaltsrecht in Kraft. Es hat zur Folge, dass die Gerichte bei Scheidungen oder Trennungen viel aufwändiger berechnen müssen, wie gross der Unterhaltsbetrag ausfällt. «Neu muss der Betreuungsunterhalt für jedes Kind separat berechnet werden», erklärte Familienrichterin Angelika Albisser. Da gleichzeitig immer mehr Familien eine alterniernde Obhut vereinbaren und die Zahl der Patchwork-Familien zunimmt, «reicht mein 5-Meter-Pult oft nicht mehr für alle Papiere».

Zahlen und Fakten
  • 2017 sind bei den erstinstanzlichen Gerichten 9'250 Fälle eingegangen – mehr als im Vorjahr.
  • Die erstinstanzlichen Gerichte konnten knapp 3 Prozent weniger Fälle abschliessen als 2016.
  • Damit erhöhten sich die Pendenzen per Ende Jahr auf 2'730 Fälle.
  • Auch beim Kantonsgericht sind 2017 mehr Fälle eingegangen, insgesamt 2'570.
  • Die Pendenzen erhöhten sich per Ende Jahr beim Kantonsgericht auf 1'072 Fälle.
  • Die Luzerner Gerichte beschäfigen letztes Jahr 234 Mitarbeiter verteilt auf rund 194 Vollzeitstellen.
  • Der Aufwand der Gerichte betrug letztes Jahr 55,7 Millionen Franken – budgetiert waren 59,7 Millionen.
  • Die Jahresrechnung schloss mit einem Minus von 26,3 Millionen Franken.

Eine Verhandlung unter drei Stunden sei mit den neuen Unterhaltsrecht fast nicht mehr möglich, so Albisser. Das das deutlich länger als früher. Gleichwohl hielt sie fest, dass dieser grosse Aufwand nötig sei. Das neue Recht stärke das Wohl der Minderjährigen. Und die gerichtlich festgelegten Unterhaltszahlungen müssten gut begründet werden.

Gerade deshalb sollte auch das Personal entsprechend aufgestockt werden, ist die Familienrichterin überzeugt. «Jedes Bezirksgericht im Kanton Luzern bräuchte einen Juristen mehr, um die Fristen einzuhalten», sagte Albisser. Denn längere Wartezeiten würden für die betroffenen Familien zu schwierigen Situationen führen, weil beispielsweise das Besuchsrecht nicht geregelt sei.

Immerhin keine Entlassungen

Insgesamt plädieren die Verantwortlichen der Luzerner Gerichte an die Politik, das nötige Personal zu bewilligen. «Die Luzerner Gerichte sind in den letzten zehn Jahren kaum personell ausgebaut worden – im Gegensatz zur Verwaltung», sagte Kantonsgerichtspräsident Marius Wiegandt abschliessend.

Einfach nur jammern wollen die Richter allerdings nicht. Wiegandt würdigte positiv, dass der Kantonsrat den Rotstift bei den Gerichten nicht so ansetzt wie anderswo. «Wenigstens wird der Bestand gewahrt und wir mussten im Gegensatz zur Verwaltung bislang keine Angestellten entlassen.»

Themen
Deine Ideefür das Community-Voting

Die Redaktion sichtet die Ideen regelmässig und erstellt daraus monatliche Votings. Mehr zu unseren Regeln, wenn du dich an unseren Redaktionstisch setzt.

Deine Meinung ist gefragt
Deine E-Mailadresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert. Bitte beachte unsere Netiquette.
Zeichenanzahl: 0 / 1500.


0 Kommentare
    Apple Store IconGoogle Play Store Icon