Zuger Politiker: Lustige Einfälle und alte Tricks

Wie Rosen, eine Rikscha und eine App bei der Wahl ins Parlament helfen

CVP-Rosenkavalier Gerhard Pfister (links oben), ALG-Rikscha-Fahrer Andreas Lustenberger (unten), FDP-Ballonfahrer (rechts).

(Bild: Facebook)

Der Zuger Vorwahlkampf für die National- und Ständeratswahlen im Herbst hat begonnen: Bereits lachen Kandidaten von den Plakatwänden und die FDP lässt einen Heissluftballon steigen. Ausgefallene Aktionen sollen das Wohlwollen der Wähler sichern, und sorgen für Sticheleien unter den Politikern. Obwohl die sich in einem Punkt für einmal einig sind.

Sie verteilte keine Ballone, sondern liess gleich einen riesigen Heissluftballon vom Zuger Landsgemeindeplatz aufsteigen: Die Zuger FDP, die Anfang Monat den Wahlkampf für die eidgenössischen Wahlen eröffnete – obwohl die erst am 20. Oktober stattfinden und Zug nur gerade fünf Leute nach Bern schicken kann.

Doch die FDP stand schon bei den kantonalen Gesamterneuerungswahlen vergangenes Jahr als erste in den Startpflöcken – schickte ihre Kandidaten bereits ein Jahr vor dem Urnengang zum Schaulaufen an die Zuger Herbstmesse und tapezierte den Kanton frühzeitig und grosszügig mit Wahlplakaten ihrer Kandidaten. Die Strategie ging auf; die FDP hielt trotz zahlreicher personeller Wechsel einen grossen Teil ihrer politischer Mandate und zwei Sitze in der Kantonsregierung – in der Stadt Zug gewann sie gar einen Exekutivsitz hinzu.

«Der Vorwärtsmacher» legt los

Nun also folgt die Neuauflage der Strategie: Als erster verkündete Patrick Mollet, «der Vorwärtsmacher» und ehemalige Präsident der FDP-Stadtpartei auf Plakaten in Bushaltestellen, dass er Zug im Nationalrat vertreten wolle. Und Ständeratskandidat Matthias Michel begann sich in der Öffentlichkeit zu zeigen – pilgerte nach Einsiedeln und joggte an verschiedenen Sportveranstaltungen durch den Kanton.

Wobei – war da nicht noch eine andere Partei aktiv? Ja genau, die CVP verteilte zum Muttertag Rosen – einige christdemokratische Ortsparteien entschlossen sich gar, Schokolade zu verschenken. «Das sind eigentlich ganz normale Aktivitäten, die auf dem Jahresprogramm der Sektionen stehen», sagt der CVP-Wahlkampfleiter Jean Luc Mösch. «Aber natürlich werden sie in diesem Jahr im Zusammenhang mit den Wahlen wahrgenommen.»

Christdemokratische Sonnencrème

Seit langem ist die CVP einfallsreich beim Verteilen von Gadgets und Mitbringseln: Unvergessen ist die unter dem Namen «Duschen mit Doris» bekannt gewordene Kampagne. Als die spätere Bundesrätin Doris Leuthard 1999 im benachbarten Freiamt für den National- und Ständerat kandidierte, wurden Duschmittel mit ihrem Konterfei in Umlauf gebracht.

«Wir haben eine schonungslose Analyse vorgenommen.»

Andreas Lustenberger, ALG

Da kann es wenig überraschen, dass sich die Wähler im Kanton Zug auf eine zweite Geschenkrunde freuen können: Jeweils Anfang Sommerferien bringen die Christdemokraten ihre Sonnenschutzmittel in Umlauf.

Wer hat den besten Ballonpiloten?

Auch die CVP hat lange Erfahrung mit Heissluftballonen. «Benny Elsener setzt ihn nun bei den kantonalen Wahlen schon seit 2014 ein», sagt Mösch zum Stadtzuger Parteipräsidenten und Kantonsrat, der als Ballonpilot lange Zeit in der Schweizer Nationalmannschaft mitgewirkt hat. Ansonsten ist Mösch «kein Fan» eines frühen Wahlkampfes, versichert aber: «Wir werden mit Aktionen schon noch von uns hören lassen.»

«Der Tür-zu-Tür-Wahlkampf ist von allergrösster Wichtigkeit.»

Jean Luc Mösch, CVP

«Es geht uns nicht darum, eine Wahlkampfmethode speziell zu mögen», sagt Andreas Lustenberger, Präsident der Alternativen – die Grünen und Nationalratskandidat. Vielmehr habe man nach den Wahlen «eine schonungslose Analyse» durchgeführt und versucht nun, daraus Lehren zu ziehen. Eine Konsequenz ist, dass die Alternativen, die gerne einen Nationalratssitz erobern würden, bereits im Juni zu plakatieren beginnen – obwohl der Wahlkampf im Kanton Zug traditionell nach den Sommerferien stattfindet.

Zwei Monate lang freigenommen

Eine andere Lehre für Lustenberger ist, dass sich grosser persönlicher Einsatz auszahlt. Der Baarer hat für die Wahlen zwei Monate Ferien genommen – und reduziert bis Ende Oktober sein Arbeitspensum auf 60 Prozent. Der Rest der Zeit wird in den Wahlkampf gesteckt, den Lustenberger mit einer Elektro-Rikscha bestreitet. Damit geht er regelmässig auf Tour. «Vergangenes Wochenende war ich in Rotkreuz damit», erzählt er.

Vorbild Benny Elsener: In seine Wahlkämpfe zieht der Stadtzuger CVP-Mann jeweils mit dem Heissluftballon.

Vorbild Benny Elsener: In seine Wahlkämpfe zieht der Stadtzuger CVP-Mann jeweils mit dem Heissluftballon.

(Bild: zvg)

Doch er sucht auch gezielt den Kontakt zu Leuten und geht Klinken putzen. Vorbild ist diesbezüglich unter anderem Zari Dzaferi, neu SP-Gemeinderat in Baar, der im vergangenen Herbst versuchte, möglichst mit allen Einwohnern ins Gespräch zu kommen. «Ich will von den Besten lernen«, sagt Lustenberger und schmunzelt.

Gemeinsam gehts leichter

Das Klinkenputzen wird mittlerweile von allen als wichtig erachtet – wie auch die Aktivierung des eigenen Netzwerkes. Für Jean Luc Mösch von der CVP ist es «eine Wahlkampfmethode von allergrösster Wichtigkeit». Die natürlich nicht allen Kandidaten gleich leichtfällt.

«‹Trölen› wird im Kanton Zug bereits seit 150 Jahren praktiziert.»

Daniel Staffelbach, SVP

Um die Hemmungen abzubauen und den Kontakt zur Bevölkerung leichter zu finden, empfahl CVP-Nationalrat Gerhard Pfister an der Nominationsversammlung seiner Partei den Mitstreitern, nicht allein auf Tour zu gehen. Denn gemeinsam fällt das Hausieren leichter – und ein Bekannter kann als Türöffner dienen, um die Kandidaten vorzustellen.

Macron und Obama als Vorbild

Bei der FDP nennt man diese Methode Door-to-Door-Kampagne und will damit im Hauptwahlkampf nach den Sommerferien beginnen. «Der Tür-zu-Tür Wahlkampf gehörte für die Demokraten und Republikaner in den USA sowie für Macrons Bewegung En Marche in Frankreich zu den entscheidenden Wahlkampfaktivitäten», sagt Marc Reinhardt, der Kommunikationsverantwortliche der kantonalen Zuger FDP.

«Wir wollen nicht Gegner zum Umdenken bewegen.»

Marc Reinhardt, FDP

Es sei «ein ideales Instrument, um Wähler zu mobilisieren und Kandidaten und die Partei ungefiltert zu positionieren», sagt er. Dabei wollen die Freisinnigen zielgerichtet vorgehen und verlassen sich auf eine speziell entwickelte App.

Auf dieser sei ersichtlich, in welchen Quartieren, Strassen, Häusern liberal denkende Personen leben, sagt Reinhard. «Wir wollen nicht Gegner zum Umdenken bewegen, sondern der FDP nahestehende Menschen dazu bewegen, am 20. Oktober wählen zu gehen und die FDP-Liste einzureichen.»

Aeschi: Bald wieder auf der Strasse?

«Diese Methode heisst im Kanton Zug ‹Trölen› und wird bereits seit 150 Jahren praktiziert», schnödet Daniel Staffelbach, der Wahlkampfleiter der SVP. Seine Partei wolle nicht Theaterwahlkampf betreiben, meint er mit Blick auf die bunten Aktionen. «Das Theater überlassen wir dem Casino Zug oder dem Burgbachkeller. Vielmehr wollen wir mit unsern Inhalten überzeugen», sagt er.

Staffelbach hat leicht reden, denn seine Spitzenkandidaten sind profiliert und erhalten sowieso viel mediale Aufmerksamkeit: Ständeratskandidat Heinz Tännler betreibt als kantonaler Finanzdirektor und ESAF-OK-Präsident ex officio Werbung in eigener Sache.

«Für uns stehen Authentizität, Transparenz und Unabhängigkeit im Zentrum.»

Stefan W. Huber, GLP

Nationalrat Thomas Aeschi ist als Fraktionschef der SVP im Fokus der Medien. Allerdings hat Aeschi vor vier Jahren ebenfalls einen grossen persönlichen Aufwand betrieben. Zwar nicht mit Klinkenputzen, aber im Strassenwahlkampf. Wenig andere Kandidaten standen derart konsequent in jeder freier Minute und bei jedem Wetter auf Zugs Strassen und suchten das Gespräch mit den Bürgern. «Damit war er sehr erfolgreich», sagt Daniel Staffelbach. «Ich gehe deswegen davon aus, dass er es dieses Jahr wieder so macht.»

«Spannende Erfahrung»

Auf einen «Face-to-Face-Wahlkampf» setzen auch die Grünliberalen – unter anderem mangels Alternativen. Die GLP Schweiz hat den Zugern 10’000 Franken bewilligt, die laut Nationalratskandidat Stefan W. Huber kaum für den Druck von 70’000 Flyern und ein paar Plakaten ausreichen. Daneben werden in bescheidenem Umfang persönliche Mittel investiert – die in die Onlinewerbung fliessen. «Wir verstehen unseren Wahlkampf als spannende Erfahrung, in welcher Authentizität, Transparenz und Unabhängigkeit im Zentrum steht», sagt Huber. «Dazu brauchen wir keine Heissluftballone und Monsterplakate, unser politisches Programm genügt uns.»

«Es ist leider eine Minderheit, die überhaupt wählen geht.»

Barbara Gysel, SP

Die Gelder sind auch bei der SP knapp. Die nationale Partei hat deswegen eine Crowdfunding-Aktion lanciert, um für die eidgenössischen Wahlen eine Plakataktion in den Kantonen zu finanzieren – ebenso wie übrigens die Jungen Alternativen des Kantons Zug.

Kampf gegen Wahlabstinenz

Dennoch mag Barbara Gysel, die für die SP als Ständerätin und auch als Nationalrätin kandidiert, keine Seitenhiebe verteilen. «Den hochsteigenden Heissluftballon der FDP finde ich persönlich für die Gesamtdemokratie gut», sagt sie.

Es sei toll, dass die Wahlkampagne so aktiv geführt werde. Man müsse mit allen Mitteln gegen Wahlabstinenz vorgehen. «Es ist leider eine Minderheit, die überhaupt wählen geht. Da stehen die politischen Parteien gemeinsam vor einer grossen gesellschaftlichen Herausforderung», so Gysel.

Immer mehr mediale Kanäle

Die SP setzt traditionell auf den direkten Kontakt mit Wählern. Kandidaten gehen von Tür zu Tür, auch diesmal wieder. Zusätzlich greift man auf koordinierte Telefonaktionen zurück – wie schon in der Vergangenheit.

«Am Schluss zählt jede Stimme für das Ganze; so versuchen wir zu punkten», sagt Gysel zum bunten Strauss von Wahlkampfmassnahmen. Vor vier Jahren habe man dies erstmals ausprobiert. «Es hat funktioniert, sodass wir heuer versuchen, an diesen Erfolg anzuknüpfen», sagt die Präsidentin jener Partei, die 21 Kandidaten auf sieben Listen ins Rennen um die drei Zuger Nationalratssitze schickt.

«Heutzutage, mit derart vielen medialen Möglichkeiten, wird der Wahlkampf für die Parteien immer herausfordernder», resümiert Gysel. Denn man wolle schliesslich auch an Personen herantreten, die nicht traditionelle Urnengänger sind.

 

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