Mein erstes Mal: «En Garde!»

Wie ich beim Fechten an meiner Angst scheiterte

Adrian Wicki, Präsident des Fechtclubs Luzern, und der Schreibende.

(Bild: les)

Ich wurde von der Redaktion auserkoren, mich im Fechten zu versuchen. Bei einer Schnellbleiche brachte mir der Präsident des Fechtclubs Luzern die Grundlagen bei, dann ging’s ab ins Gefecht.

«Du musst zwei Mal kommen», erklärt mir Adrian Wicki, Präsident des Luzerner Fechtclubs, auf meine Anfrage, ob ich es selbst mit dem Degen versuchen könnte. «Beim ersten Mal lernen wir die Technik, beim zweiten Mal kann ich dich ins Gefecht schicken», so Wicki. Na dann los, denke ich mir und merke beim Zusammenpacken der Sportsachen, dass ich keine Turnschuhe mehr habe – so viel zu meiner sonstigen sportlichen Tätigkeit.

Ich mache mich also auf zur Bruchhalle und staune schon mal nicht schlecht, als ein bunt gemischter Haufen Männer und Frauen vom jungen Erwachsenen bis zum Rentner bereit stehen. Alle mit einer grossen Tasche versehen, man könnte meinen, in Kürze finde eine Probe eines Tuba-Clubs statt. Selbstverständlich befinden sich in den Taschen die Degen der Fechter. «Jeder bringt seine eigene Ausrüstung mit», erklärt mir Adrian Wicki. Mit allem Drum und Dran kostet diese mindestens 600 Franken und hält rund zehn Jahre.

Verletzungen passieren beim Aufwärmen

Mir ist schon etwas mulmig zumute, als auch ich meine Ausrüstung erhalte. Der Degen ist schliesslich eine Waffe. Obwohl die Klinge nicht scharf ist, könnte ein falscher Umgang damit schlimme Folgen haben. Wicki erklärt mir jedoch: «Mit der Ausrüstung bist du gut geschützt, passieren kann eigentlich nichts.» Dazu passen auch seine mahnenden Worte, dass beim Basketballspiel zu Beginn des Trainings die höchste Verletzungsgefahr besteht.

«Versuch also den Unterarm zu treffen, falls das nicht hinhaut, den Oberarm und als Letztes noch die Brust.»

Adrian Wicki, Präsident des Fechtclubs

Im Anschluss daran erhalte ich bei Adrian eine Privatlektion. Wir üben einige Schrittfolgen und erste Angriffe. Als Fechter bewegt man sich immer nur nach vorne und zurück – seitwärts nur auf einer zwei Meter breiten Piste. Es ist schwieriger, als man denkt. Kaum schaut man zu stark auf die Füsse, ist der Degen wieder nicht korrekt in Position. Und sobald man sich zu stark auf die Waffe konzentriert, stimmen die Schritte wieder nicht. Und dabei bin ich motorisch gar nicht so unbegabt, dachte ich zumindest. Doch der Experte ist zufrieden, wir können erste Angriffe üben.

Schnupperkurs im Frühling

Im letzten Jahr feierte der Luzerner Fechtclub sein 50-jähriges Bestehen. Entstanden ist der Club ursprünglich als Abspaltung der Fechtgesellschaft. Es gab einen Streit um einen Fechtlehrer, worauf sich ein zweiter Club gründete. «Bei uns steht nebst dem Sport und dem mentalen Ausgleich auch das Gesellschaftliche im Zentrum», erklärt Adrian. «Wer wirklich ambitioniert ist, ist in einem anderen Club besser aufgehoben.»

Vom 12. März bis zum 9. April bietet der Fechtclub einen Schnupperkurs an. Dann kann man für 140 Franken während zwei Monaten am Training teilnehmen. «Personen, die vielleicht in jungen Jahren einmal angefangen haben zu fechten und jetzt wieder Lust darauf haben, sind ebenso willkommen wie völlige Neueinsteiger», sagt Präsident Adrian Wicki.  

Bevor ich gegen Menschen kämpfen darf, übe ich trocken gegen eine Wand. Ganz simpel erklärt, gibt’s zwei Varianten eines Angriffs. Entweder man steht genug nahe am Gegner und streckt einfach seinen Arm aus. Oder man streckt den Arm erst aus und versucht mit einem Schritt nach vorne den Gegner zu treffen. Ein Angriff wird immer so gestaltet, dass mehrere Chancen auf einen Treffer bestehen, erklärt mir Wicki. «Versuch also den Unterarm zu treffen, falls das nicht hinhaut, den Oberarm und als Letztes noch die Brust.» Einen Treffer gibt’s, wenn der Degen aufkommt und man von hinten mit 750 Gramm dagegen drückt. Das ist relativ wenig, wie ich bald merken sollte.

Mein erster Kampf

Zweiter Abend: Heute steht mein erstes Gefecht auf dem Programm. Ich mache mir angesichts des bevorstehenden Duells viel mehr Gedanken um meine Ausrüstung. Ist man wirklich genug geschützt? Die weisse Ausrüstung besteht aus einem stabilen Stoff. Doch vergleichbar ist diese niemals mit einer Ritterausrüstung, an der ein Degen sofort abprallen würde. Kommt hinzu, auch am Kopf darf ich meinen Gegner treffen. Die vielen Feedbacks der erfahrenen Fechter geben mir aber ein gutes Gefühl.

Im ersten Gefecht trete ich gegen einen Gleichaltrigen an. Adrian Wicki hat seine Mannen und Frauen informiert, dass ich zum ersten Mal fechte. «Vor dem Kampf zollt man dem Gegner Respekt», sagt er. Dies sei im Fechten sehr wichtig. «Unsportlichkeiten werden rigoros bestraft», sagt er. Würde wohl einigen Fussballern auch guttun, denke ich mir. Bevor das Gefecht startet, kontrolliert man gegenseitig die Ausrüstung, grüsst sich und setzt erst dann die Maske auf.

Zwei Fechter im Gefecht. 

Zwei Fechter im Gefecht. 

(Bild: les)

Und so stehe ich nun da – Auge in Auge mit meinem Gegner – und werde versuchen, ihn zu treffen. «En garde!», ruft Wicki und «Allez», los geht’s. Es ist noch schwierig abzuschätzen, wer nun mit wie viel Einsatz kämpft. Wie geübt nähere ich mich elegant wie eine Katze meinem Gegenüber. Jetzt Arm raus und nach vorne. Ein leiser Pfiff ertönt, ich habe meinen ersten Treffer gelandet. Ehrlich gesagt, hat mich mein Gegner meinen ersten Treffer machen lassen – aber was soll’s. Die nächsten fünf Treffer macht mein Gegner und so stampfe ich mit meiner ersten Niederlage von dannen.

Mit der Angst geht nichts mehr

Der zweite Gegner fertigt mich mit 5:0 ab. Er liess mich Mal für Mal ins Messer respektive in die Klinge laufen. «Er hat viel Erfahrung – es ist auch für mich jedes Mal eine Herausforderung, gegen ihn ein Gefecht auszutragen», schätzt Wicki ein. Das Problem war seine abwartende Taktik; alles, was ich in der Schnellbleiche gelernt habe, stürzte mich geradeaus ins Elend.

«So beweglich muss man erst noch sein.»

Überraschter Gegner

Beim dritten Kampf nehme ich mir nochmals viel vor. Erst ausweichen, dann zustechen. Und dann, als sich die Gelegenheit ergibt, fasse ich meinen Mut zusammen und stürze mich mit meinem Degen voran auf meinen Gegner. Doch dieser pariert souverän, hält mir seinen Degen an die Schulter und ich ungestümer Anfänger realisiere es zu spät. Der Degen des Gegners biegt sich an meiner Schulter durch. Einen kurzen, stechenden Pieks spüre ich – der Schmerz geht jedoch schnell vorbei. Mein Gegner kann nicht mal viel dafür, ich bin völlig selber schuld. In diesem Moment hoffe ich, dass ich zumindest den blauen Fleck für den Bericht gut verwenden kann – leider blieb der grosse Bluterguss aus. 

Danach geht nichts mehr. Bei jedem Angriff habe ich Angst, dass es mich wieder treffen könnte. Ich verschliesse die Augen oder noch schlimmer, drehe mich schon ab, bevor ich richtig zugestochen habe. So bin ich ein einfaches Opfer für meinen Gegner. Als ich also dann vor meinem Gegner flüchten will, gelingt mir noch ein Zauberschlag. Den Kopf abgewandt, versuche ich über die Schulter irgendwie in meinen Gegner hineinzustochern. Und siehe da, plötzlich ertönt wieder der Pfiff. Ich habe tatsächlich einen Treffer gelandet. Auch mein Gegenüber kann es kaum glauben. «So beweglich muss man erst noch sein», lacht er.

Fazit: Sport mit dieser Ausrüstung zu treiben, ist verdammt streng. Ich schwitze wie ein Wasserfall. Mit dem Degen den Gegner zu treffen, ist eine grosse Herausforderung. Besonders das richtige Timing zu finden, ist schwieriger, als es aussieht. Der nächste Max Heinzer steckt nicht in mir. Und doch kann ich die Truppe und die Sportart nur empfehlen, es macht Freude, sich einmal in einer neuen Sportart zu versuchen.

Deine Ideefür das Community-Voting

Die Redaktion sichtet die Ideen regelmässig und erstellt daraus monatliche Votings. Mehr zu unseren Regeln, wenn du dich an unseren Redaktionstisch setzt.

Deine Meinung ist gefragt
Deine E-Mailadresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert. Bitte beachte unsere Netiquette.
Zeichenanzahl: 0 / 1500.


0 Kommentare
    Apple Store IconGoogle Play Store Icon