Vor 125 Jahren begann der «Fremdenverkehr» richtig

Wie die Touristen Luzern zivilisierten

So wurde vor 125 Jahren für Luzern auf Plakaten geworben. (Bild: zvg Luzern Tourismus)

Am 11. Januar 1892 wurde in Luzern der Vorgänger von Luzern Tourismus gegründet. Dieser kümmerte sich um die Fremden und deren Bedürfnisse – was uns die ersten Trottoirs oder das Seenachtsfest bescherte.

Schon wieder ein Tourismus-Jubiläum? Erst 2015 haben die Zentralschweizer Kantone mit dem «Gästival» 200 Jahre Tourismusgeschichte gefeiert.

Doch am 11. Januar 1892 wurde die «Verkehrskommission Luzern, Vierwaldstättersee und Umgebung» gegründet – deshalb feiert Luzern Tourismus 2017 erneut. Aus der Verkehrskommission wurde später die heutige Luzern Tourismus AG (LTAG).

Der Tourismus beginnt

1892 wurde erstmals systematisch begonnen, die damalige «Industrie des Fremdenverkehrs» zu fördern. Die «Fremden», welche heute so gern nur noch «Gäste» genannt werden, begannen damals zu einem wichtigen Geldgeber in der Zentralschweiz zu werden.

In den folgenden 125 Jahren wurden viele neue Hotels, die passende touristische Infrastruktur und Attraktionen für Besucher und Gäste auf die Beine gestellt. Die «internationalen Musikfestwochen» – heute Lucerne Festival genannt – wurden gegründet und unzählige mediale Auftritte im In- und Ausland halfen mit, den Tourismus in der Region zu einem prägenden Wirtschaftsfaktor zu machen.

Reisen als Trend

Schon seit etwa 1760 begeistert sich die europäische Oberschicht für die Alpen. Das «Kuren» war eine beliebte und verbreitete Beschäftigung. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurden dann auch das Bergsteigen und das Wandern zunehmend populär. Die städtischen Eliten reagierten auf die negativen Seiten der Industrialisierung – wie Umweltbelastung und Zersiedelung – mit einer Suche nach der unberührten und gesunden Natur. Zugleich diente das Reisen der sozialen Abgrenzung gegen unten.

Reiseagenturen wie diejenige von Thomas Cook erleichterten das Reisen und machten es für eine breitere Schicht von gut situierten Bildungsbürgern erträglich und bezahlbar. «Gleichzeitig waren Künstler und Schriftsteller wie Mark Twain mit seinen Texten die perfekten Testimonials», erklärt Sibylle Gerardi von Luzern Tourismus.

Transport und Immobilien

Nachdem Luzern noch bis Ende des 18. Jahrhunderts eine mittelalterliche Kleinstadt geblieben war – die Industrialisierung ging an Luzern kaum spürbar vorbei –, hatte 1830 mit dem aufkommenden Fremdenverkehr eine neue Entwicklung begonnen. Mit den Dampfschiffen begann 1836 eine neue Form der Freizeitbeschäftigung: Ausflüge auf dem Vierwaldstättersee.

Die erste Phase der touristischen Entwicklung Luzerns setzte 1835 mit der Eröffnung des Hotels Schwanen – heute das Café de Ville – ein, das vor den Stadttoren beim Grendel errichtet wurde. 1840 eröffnete die Pension Tivoli und 1845 der Schweizerhof als erstes Luxushotel. Die neuen Hotels mit Aussicht auf den See und die Berge waren einzigartig, da den Gasthäusern in der Altstadt Luft, Licht, Weitblick und moderner Komfort meist fehlten. 1859 fuhr dann auch der erste Zug im Bahnhof Luzern ein. Die um 1300 erbaute Kapellbrücke wurde langsam zu einem der weltweit bekannten Wahrzeichen der idyllischen Schweiz.

Die Anliegen des «Fremdenverkehrsplatzes» Luzern

Luzern war Ende des 19. Jahrhunderts also mehr als bereit für den «Fremdenverkehr». Fremdenbetten gab es genug und während 1892 noch 77’950 Besucher darin nächtigten, so waren es 20 Jahre später bereits 183’219.

Die Verkehrskommission kümmerte sich derweil um wichtige Anliegen des Tourismus beziehungsweise die «Anliegen für einen erfolgreichen Fremdenverkehrsplatz Luzern». Trottoirs beispielsweise wurden von ihm angeregt, Wegweiser gemeinsam mit dem Luzerner «Verschönerungsverein» eingeführt. Dazu kamen Publikationen in Deutsch, Französisch, Italienisch, Englisch und Russisch. Reklame war ein grosses Thema – so kümmerte man sich um die Verbreitung von Fremdenblättern und Exkursionskarten.

Auch die Verbesserung des Verkehrs bei der Eisenbahn und den Droschken, die Post, die Telegrafen und -fone standen ganz oben auf der To-do-Liste der Verkehrskommission. Mondscheinfahrten wurden organisiert, nautische Spiele, ein grosses Wagner-Konzert, Pferderennen und das Seenachtsfest. Und Buch wurde geführt – über die fremden Besucher aus aller Welt.

Dort zeigt sich, dass besonders aus Deutschland, England, den USA und Kanada wie auch aus dem Inland die meisten Hotelgäste in Luzern logierten.

Die Statistik des Fremdenverkehrs. (Bild: jav/Stadtarchiv Luzern)

Was die «Gäste» wünschen

Meist begannen die Touristen die Gegend in grösseren Gruppen zu besuchen, dann in immer kleineren und schliesslich kamen die Individualtouristen. Diese Entwicklung lasse sich heute bei den Gästen aus Indien und China beobachten – dort beginnt die Entwicklung des Individualtourismus erst jetzt, erklärt Sibylle Gerardi.

Wie sich der «Fremde», der «Tourist» oder «Gast» die Zeit in Luzern vertreibt, scheint sich ebenfalls kaum verändert zu haben. Was sich immer wiederholt, sind die Hotspots, die sie in der Zentralschweiz ansteuern: Löwendenkmal, Gletschergarten, Kapellbrücke, die Rigi und der Pilatus waren schon bei den «Fremden» im vorletzten Jahrhundert die wichtigsten Ziele. Früher war das Highlight, die Berge auf Sänften oder Maultieren zu «besteigen», heute nimmt man lieber die supermoderne oder alternativ die Nostalgiebahn. Die Dampfschiffe auf dem Vierwaldstättersee haben seit 1840 nichts an Attraktivität eingebüsst.

Heute sind die hiesigen Spezialitäten, die Menschen und ihre Kultur wie auch Shopping immer mehr Thema, weiss Gerardi. Obwohl Souvenirs auch schon 1890 äusserst beliebt waren.

 

Eine ausführliche Geschichte des Zentralschweizer Tourismus finden Sie hier zum Download.

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