Caritas-Projekt «mit mir» erfährt Zulauf

Wie der sechsjährige Yoel aus Eritrea zu einem Götti kam

Yoel geniesst die Zeit, in der er Götti Andreas für sich hat. (Bild: Marjana Ensmenger)

Andreas Walker ist seit Mai der «mit mir»-Götti von Yoel. zentralplus hat den sechsjährigen Jungen aus Eritrea und seinen 30-jährigen Paten aus Luzern zum Gespräch getroffen und wollte wissen, was die beiden bisher alles miteinander erlebt haben.  

Andreas Walker klingelt an der Türe seines Götti-Bubes. Sekunden später sitzen wir bei einer Tasse Kaffee im Wohnzimmer der eritreischen Familie zwischen mehreren Kissen auf einem Sofa. Obwohl wir Yoel erst später ein paar Fragen zu seinem Götti stellen, weicht der Sechsjährige während des ganzen Interviews nicht von dessen Seite.

Andreas erzählt, wie er den Sechsjährigen im Mai dieses Jahres kennenlernte. Seit dieser ersten Begegnung haben die beiden viel miteinander unternommen. Aber alles der Reihe nach.

Nachdem der 30-Jährige von einer Freundin vom Projekt «mit mir»-Patenschaften der Caritas erfährt, füllt er umgehend eine Online-Bewerbung für die Rolle als «Götti» aus. «Als Sozialpädagoge arbeite ich in einem 80-Prozent-Pensum mit 13- bis 18-jährigen Jugendlichen. Die Aufgabe als Götti ermöglicht mir, in eine völlig andere Rolle zu schlüpfen: Ich kann Yoel beispielsweise viel Neues näherbringen und ihm Dinge zeigen, die er so vielleicht nicht sehen oder erleben würde.»

Hiesige Gepflogenheiten und Traditionen näherbringen

Während Yoel und Andreas mit einem Spielzeugauto in Yoels Zimmer spielen, wird schnell klar, dass zwischen den beiden gerade ein enges Band entsteht. Der Sechsjährige lächelt, als er erzählt, was die beiden bereits miteinander unternommen haben: Fussball spielen, Velofahren oder Schokolade-Bananen auf dem Grill braten. Ein Erlebnis, das Yoel in besonderer Erinnerung blieb, ist der Besuch im Kino. Mit viel Popcorn. Nebensächlich der Film, den man gemeinsam schaute.

Derzeit treffen sich die beiden einmal im Monat am Mittwochnachmittag. Das passt, denn Yoel hat an diesem Nachmittag keine Schule. Wenn es nach Yoel gehen würde, würde er seinen Götti öfters treffen. Mit dabei sein darf auch seine neunjährige Schwester, die ebenfalls ein «mit mir»-Gotti aus Luzern hat.

Anders sieht es hingegen mit seiner Mutter aus. Diese muss zu Hause bleiben, findet Yoel. Und das ist auch die Idee. Während sich die Göttis um die Kinder kümmern, sollen die Eltern Zeit für sich haben. Das wirkt sich wiederum positiv auf die Kinder aus.

«Ich bin stolz, dass ich diese wichtige Rolle für Yoel als Götti übernehmen darf.»

Andreas Walker, Götti von Yoel

Neben dem Wunsch, Yoel bei seiner Integration hier in Luzern zu unterstützen und ihn mit den hiesigen Traditionen und Aktivitäten vertrauter zu machen, gefällt es Andreas, eine Beziehung mit seinem Götti-Bub aufzubauen. «Ich spüre eine enorme Wertschätzung von Yoel. Das erfüllt mich natürlich auch mit einem positiven Gefühl. Gleichzeitig bin ich stolz, dass ich diese wichtige Rolle für Yoel als Götti übernehmen darf.»

Yoel und Andreas verbringen regelmässig die Mittwochnachmittage zusammen.
Yoel und Andreas verbringen regelmässig die Mittwochnachmittage zusammen. (Bild: Marjana Ensmenger)

Vom Traumberuf Polizist

Wenngleich die Familie bereits vor zehn Jahren in die Schweiz einreiste und gut integriert ist, ist Yoels Mutter froh, dass es dieses Projekt gibt. Mit Andreas hat nämlich nicht nur Yoel eine weitere Bezugsperson, sondern die gesamte Familie.

«Mein Ziel ist natürlich schon, eine lebenslange Beziehung zu Yoel aufzubauen und ihn auf seinem Lebensweg zu begleiten.»

Andreas Walker, Götti von Yoel

Diese Wertschätzung spürt Andreas. Obschon kulturelle Barrieren eine Herausforderung sein können. Das ist aber bei Andreas und Yoels Familie nicht der Fall. Andreas erzählt: «Die Kommunikation mit Yoels Mutter ist einfach. Ein kurzes SMS reicht, damit ich einen Termin mit Yoel für ein Treffen festlegen kann.»

Suche nach einem Götti ist schwieriger

Obwohl das Projekt Gottis und Göttis vermittelt, ist die Zahl der Gottis bis heute höher als jene der Göttis. Andreas führt dies auf die verschiedenen kulturellen Hintergründe der Familien zurück. Das bestätigt auch Nicole Scherer, die das Projekt bei der Caritas Luzern leitet: «Bis heute herrschen vielerorts stereotype Vorurteile wonach sich eher Frauen um Kinder kümmern.»

Die Suche nach einem Götti ist schwieriger als diejenige nach einem Gotti. «Ich kann mir vorstellen, dass viele Männer eher in Fussballvereinen eine Freiwilligenarbeit übernehmen oder sich vielleicht selber den Umgang mit Kindern weniger zutrauen», vermutet Scherer.

Das Projekt ist eigentlich auf drei Jahre begrenzt. Trotzdem kann sich Andreas bereits jetzt vorstellen, Yoel auch danach zur Seite zu stehen. «Mein Ziel ist natürlich schon, eine lebenslange Beziehung zu Yoel aufzubauen und ihn auf seinem Lebensweg zu begleiten.» Für Yoel würde das heissen, dass Andreas dereinst erleben würde, wie er zum Polizisten wird. Denn davon träumt er schon jetzt.

Zum Projekt «mit mir»-Patenschaften der Caritas Luzern:

Die «mit mir»-Patenschaften sind ein Projekt der Caritas Luzern. In der gesamten Schweiz wird das Projekt an insgesamt acht Regionalstellen umgesetzt. Ziel des Projekts ist es, dass Freiwillige einem Kind im Alter zwischen 3 und 12 Jahren Zeit und Aufmerksamkeit schenken.

Seit 2008 vermittelt die Caritas Luzern unter der Leitung von Nicole Scherer Patinnen an Kinder aus belasteten sozioökonomischen Familiensituationen (zentralplus berichtete). Bis heute wurden über 250 Patenschaften vermittelt. Eine Patenschaft dauert in der Regel drei Jahre und wird begleitet. In 80 bis 90 Prozent werden die Patenschaften weitergeführt.

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1 Kommentar
  • Profilfoto von Familie Fasel
    Familie Fasel, 05.01.2022, 11:40 Uhr

    Lieber unbekannter Andreas Walker, wir finden es super, dass Sie einen Teil Ihrer Freizeit für den kleinen Jungen zur Verfügung stellen, ganz toll!

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