Lärmgeplagte Strasse wird nicht entlastet

Wie Baar die neue Umfahrung umfahren will

Damit die Autofahrer nicht von der Rigistrasse (links) auf die Tangente (rechts) fahren werden sie durchs Siedlungsgebiet (im Hintergrund) geschickt. (Bild: mam)

Baar ist einer der Hauptnutzniesser der neuen Tangente, die das Zuger Berggebiet mit der Autobahn verbindet – denn das Dorf wird durch sie lärm- und verkehrsmässig entlastet. Die Baarer hatten eigentlich gegen den Bau der Strasse gestimmt. Doch inzwischen hat ein Sinneswandel stattgefunden.

Gross ist der Jubel in Baar über die Ende Juni geplante Eröffnung der Tangente Zug/Baar. Da sich die Baarer von der neuen Umfahrungsstrasse eine Entlastung des heute chronisch verstopften Zentrums entlang der Markt- und Langgasse versprechen. Und ausserdem weniger Lärm auf der Ägeristrasse, wo die Grenzwerte massiv überschritten werden (zentralplus berichtete).

Ironie der Geschichte: Baar war zusammen mit Menzingen die einzige Zuger Gemeinde, die 2009 gegen den 201-Millionen-Franken-Kredit für die neue Strasse stimmte. Der Baarer Gemeinderat wollte, dass das Vorhaben nur stückweise umgesetzt wird.

Rigistrasse wird attraktiver

Obwohl ein Sinneswandel stattgefunden hat, schöpft Baar die Möglichkeiten der neuen Umfahrungsstrasse zur Verkehrsberuhigung im Dorf und den Quartieren nicht aus.

Vier Jahre nach der Abstimmung schafften es nämlich grosse Baarer Grundeigentümer, ihre Einzelinteressen durchzusetzen. Jene, die entlang der Rigistrasse begütert sind, erreichten, dass die Gemeindeversammlung eine Motion erheblich erklärt hat, wonach die Rigistrasse vom Mehrverkehr durch die neue Tangente entlastet werden und ein grosser Teil des Verkehrs auf die Ägeristrasse «zurückverlagert werden solle»

Die Rigistrasse ist eine von drei Strassenachsen zwischen Zug und Baar, welche durch die Tangente gekreuzt werden. Heute fliesst über sie noch am wenigsten Verkehr. Da sie aber nach der Eröffnung der Tangente in mehrfacher Hinsicht eine schnelle Verbindung wäre, müsste sie am meisten Mehrverkehr schlucken. Für die Politiker und Verkehrsplaner war bei der Abstimmung über die Tangente klar: «Die Rigistrasse liegt ideal, um die dicht besiedelten zentralen Quartiere an die Tangente nach aussen anzubinden.»

Weiss: Tangente Zug-Baar; Blau: Der von der Gemeinde Baar angestrebte Verkehrsfluss durchs Zentrum, Rot: Expressroute über Leihgasse und Rigistrasse.

Überraschender Plan

Die Rigistrasse führt grösstenteils übers offene Land und nur in einem 500 Meter kurzen Stück durchs Siedlungsgebiet. Die Ägeristrasse indes, wo die gesetzlichen Lärmgrenzwerte massiv überschritten werden, führt über mehr als 800 Metern durchs Wohngebiet.

Doch ein gesetzlicher Auftrag ist nun einmal ein gesetzlicher Auftrag, und so machte sich die Gemeinde daran, in Zusammenarbeit mit dem Kanton eine Lösung zu erarbeiten. Diese lag 2014 in Form eines 70-seitigen Berichts vor und wartete mit einer verblüffenden Idee auf: Die Umfahrung über die Tangente soll umfahren werden.

Wie die Wegweiser stehen

Zumindest in einer Richtung kommt's zwar nicht ganz so dick. Die Reisenden zwischen Säuliamt und dem Zuger Berggebiet werden grossräumig ums Baarer Zentrum herum auf die Tangente geleitet. «Die Wegweisung leitet den Verkehr aus Blickensdorf in Richtung Ägeri und Menzingen über die West- und die Südstrasse», sagt Baudirektor Florian Weber (FDP).

Kreisel Bahnmatt: Hier wird das Schild Richtung Menzingen und Aegeri nach rechts umgesetzt.

Aber wer einmal am Kreisel Bahnmatt vorbei ist, der soll möglichst vom schnellsten Weg auf die Umfahrung abgehalten werden. Dieser würde nämlich über die Leihgasse zur Rigistrasse und auf die Tangente Zug-Baar (TZB) führen.

10 Prozent Zeitersparnis

Im Schlussbericht zur Rigistrasse stand: «Es ist ersichtlich, dass die schnellste Route bereits ohne Zeitzuschläge immer über die TZB und die Rigistrasse führt. Der Unterschied zu einer Route, die nicht via TZB und Rigistrasse verläuft, sondern über die Ägeristrasse, beträgt 30 bis 40 Sekunden».

«Der Mehrverkehr auf der Rigistrasse kommt nicht nur vom Ägerital und Menzingen, sondern auch von der Autobahn, weil Baar mit der Tangente eine neue Zufahrtsachse erhält.»

Florian Weber (FDP), Zuger Baudirektor

Weiter: «Der Zeitzuschlag für die geplanten flankierendenMassnahmen auf der Ägeristrasse beträgt 65 Sekunden, womit sich der Unterschied mehr als verdoppelt. Geht man davon aus, dass die Gesamtdauer einer Fahrt zwischen Baar und Berg meist zwischen 10 und 15 Minuten beträgt, beträgt der Zeitgewinn via Rigistrasse rund 10 Prozent».

Die Gemeinde hat aber bereits auf der Leihgasse Tempo 30 signalisieren lassen, damit der Verkehr nach der Eröffnung der Tangente möglichst auf Markt- und Langgasse bleiben wird. Am Büelplatz soll ein Wegweiser die Verkehrsteilnehmer vom Abbiegen abhalten und weiter in Richtung Ägeristrasse lotsen.

Büelplatz: Hier bleibt die Signalisation wie bisher, damit der Verkehr in die Berggemeinde nicht auf den schnelleren Weg nach rechts abbiegt.

Rotlicht auf der Umfahrung

Einmal dort angelangt, fahren sie bis zum Knoten Margel, wo ein Lichtsignal installiert wurde. Dieses soll dann periodisch den Verkehr auf der Tangente stoppen, damit sich die Fahrzeuge von der Ägeristrasse einreihen können.

Die grossräumige Umfahrung des Baarer Zentrums von Blickensdorf in Richtung Berggemeinden über Weststrasse, Südstrasse und Tangente war von Anfang an vorgesehen.

Einfachere Zufahrt nach Baar

Doch ganz offensichtlich hat die gemeindliche Motion dazu geführt, dass in der umgekehrten Richtung die vorgesehene Beschilderung geändert wird. Am Margel soll der Wegweiser in Richtung Albis zur Ägeristrasse weisen – anstatt über die Tangente zur Süd- und Weststrasse. Offensichtlich hat man Angst, dass die Verkehrsteilnehmer in Inwil auf die Rigistrasse abbiegen, also versucht man, sie vorher schon umzuleiten.

Baudirektor Florian Weber sagt: «Der Mehrverkehr auf der Rigistrasse kommt nicht nur vom Ägerital und Menzingen, sondern auch von der Autobahn, weil Baar mit der Tangente eine neue Zufahrtsachse erhält.»

Schluss mit Schleichroute

Allerdings hält der Kanton weitgehend an seinen ursprünglichen Plänen fest. Am Margel, wo das Abbiegen auf die Ägeristrasse durch die Ampelanlage erschwert werden soll, sei die Abriegelungsfunktion mit Rücksicht auf die gemeindliche Motion ein wenig aufgeweicht worden, sagt Weber.

«Die Gemeinde Baar ein Konzept zur Lärmsanierung für alle Strassen in ihrer Hoheit aufgegleist – nun werden sie nach und nach saniert.»

Jost Arnold (FDP), zuständiger Gemeinderat

Aber die einschneidenden Massnahmen, um den Mehrverkehr von der Rigistrasse fernzuhalten, muss die Gemeinde übernehmen. Diese hat wie gesagt die Leihgasse zur Langsamfahrzone gemacht. Gleichzeitig soll der Durchgangsverkehr durch Inwil künftig unterbunden werden. Die von der Rigistrasse weiterführende Verbindung für Autos zur alten Baarerstrasse in Zug – ein beliebter Schleichweg auf einem früheren Saumweg – wird so unterbrochen.

Geduld nötig

Für Anwohner der Ägeristrasse freilich ist Geduld angesagt. Bekanntlich soll sie nach Eröffnung der Tangente von der Kantons- zur Gemeindestrasse abklassiert werden. Weber glaubt, dass mit der Verkehrsreduktion infolge der Fertigstellung der Tangente die Lärmbelastungen künftig «deutlich sinken» werden. «Die genaue Situation wird bis rund in einem Jahr nach Inbetriebnahme der Tangente überprüft», so der Baudirektor.

Die Konsequenzen daraus zu ziehen wird Sache der Gemeinde sein. «Die Gemeinde Baar hat in den letzten Jahren ein Konzept zur Lärmsanierung für alle Strassen in ihrer Hoheit aufgegleist», sagt Bauvorstand Jost Arnold (FDP). Nun würden diese Gemeindestrassen nach und nach saniert – sofern es möglich und wirtschaftlich sinnvoll ist.

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