Generationenwechsel beim «Twiny-Station»-Take-Away

Wie aus einer Liebesgeschichte eine Luzerner Erfolgsstory wurde

Nach 18 Jahren übergibt Jakob Adlun seine «Twiny-Station» an Tochter Nadia. Doch diese hat schon viel grössere Pläne.

(Bild: bic)

Durch mehrere Zufälle vom Schuhmacher zum Gastronomen geworden: So lässt sich die Lebensgeschichte von Jakob Adlun, einem der wohl umtriebigsten und erfolgreichsten Luzerner Gewerbler der letzten 30 Jahre, beschreiben. Nun legt er die Zukunft seiner Twiny-Station in die Hände seiner Tochter. Doch diese hat noch viel grössere Pläne.  

Wie viele Schnitzelbrote er bisher verkauft hat, kann Jakob Adlun nicht sagen. Es dürften aber zehntausende, wenn nicht sogar hunderttausende sein. «Alleine während der Fasnacht verzeichnen wir jeweils Rekordverkäufe», sagt der Inhaber der Twiny-Station an der Luzerner Rössligasse. Darum sei sein Laden eine Goldgrube. Tatsächlich. Wer über die Mittagszeit vorbeikommt, trifft meistens auf eine lange Schlange vor dem Stand.

Seit 2001 ist der gebürtige Aramäer Jakob Adlun – ein Angehöriger einer christlichen Minderheit, die im Grenzgebiet zwischen der Türkei, Syrien und dem Irak beheimatet ist – im Take-Away-Geschäft. Sein kleiner Imbisstand ist heute schon fast eine Institution in der Luzerner Gastroszene und weit über die Landesgrenzen hinaus bekannt. «In Neuseeland heisst es mittlerweile, dass man unbedingt ein Schnitzelbrot der Twiny-Station essen muss, wenn man als Tourist nach Luzern kommt», sagt Adlun stolz. Dies hätten ihm verschiedene Gäste vom anderen Ende der Welt erzählt.

Nun geht Adlun in Rente. Zeit, auf seine bewegte Karriere zurückzublicken.

Als Fünfjähriger weg von Zuhause

Dass es einmal so weit kommen würde, hatte sich Adlun als junger Mann aber niemals vorzustellen gewagt. Dass heute wohl fast die ganze Stadt die Twiny-Station kennt, hat viel mit Zufall zu tun. Den entscheidenden Beitrag für die kleine Luzerner Erfolgsgeschichte leistete neben vielen anderen Wendungen in Adluns Leben letztlich aber die Liebe. Doch dazu später.

«Es war geplant, dass ich in Nizza ein Goldwarengeschäft übernehme.»

Jakob Adlun, Inhaber der Twiny-Station

Was es heisst, sich durchzuschlagen, erfuhr Jakob Adlun schon früh. «Meine Eltern schickten mich mit nur fünf Jahren nach Istanbul in ein Internat – mehr als 2’000 Kilometer von Zuhause entfernt. Das Ziel war, dass ich dereinst ein Studium absolviere», erinnert er sich. «Meine Eltern waren überzeugt, dass wir Kinder studieren müssen, um in der Türkei ein gutes Leben zu führen.»

Hinzu sei gekommen, dass wer in der Türkei einen akademischen Titel vorweisen kann, beim obligatorischen Einzug in die Armee damals privilegiert behandelt wurde. Adlun war türkischer Staatsangehöriger und musste deshalb Militärdienst leisten. Anstatt an der Waffe ausgebildet zu werden, sind die Uni-Absolventen in der Türkei jedoch in der Administration des Militärs beschäftigt. «Ich konnte jeden Abend um fünf Uhr nach Hause und hatte so einen fast normalen Alltag», erzählt Adlun. Seinem Abschluss in Französisch an der Istanbuler Universität sei Dank.

Schuhmacher und Sprachtalent

Dass er sich für das Studium der Sprachwissenschaft entschieden hatte, kommt nicht von ungefähr. Denn Adlun ist ein wahres Sprachtalent. Neben Deutsch, Französisch, Türkisch, Arabisch und seiner Muttersprache Aramäisch spricht Adlun auch Spanisch und Italienisch. Letzteres hat sich sogar als Umgangssprache in der Twiny-Station durchgesetzt. Denn die Mehrheit der Angestellten stammt aus Italien.

Aber auch das handwerkliche sowie das unternehmerische Geschick wurden dem 64-Jährigen in die Wiege gelegt. «Während meines Studiums habe ich in Istanbul nebenbei als selbstständiger Lederwarenhändler gearbeitet», blickt Adlun zurück. Und als Gewerbler hätte seine berufliche Laufbahn auch weitergehen sollen. «Es war geplant, dass ich in Nizza ein Goldwarengeschäft übernehme. Das meiste war bereits vorbereitet», bemerkt Adlun.

Die Liebe wirbelte alle Pläne durcheinander

Doch bevor er seine Arbeit in Südfrankreich aufnahm, weilte er mit 26 Jahren für kurze Zeit in der Schweiz, wo er Angehörige besuchte. Ein Ausflug führte ihn nach Sursee. «Dort traf ich per Zufall auf eine Frau aus der Türkei, die ebenfalls Aramäerin ist. Sie war mit sieben Jahren mit ihren Eltern in die Schweiz gekommen. Ich habe mich sofort in sie verliebt», erzählt Adlun.

«Für die Vermittlerdienste hatte er mir sogar eine Belohnung angeboten.»

Jakob Adlun

Es stellte sich heraus, dass sich unsere Eltern von früher kannten, da sie aus einer der gleichen Region in der Süd-Ost-Türkei stammen. 1981 heirateten die beiden und Adlun blieb in Luzern hängen. 1996 wurden er und seine Familie eingebürgert. Seine drei Kinder sind deshalb in der Region aufgewachsen. Einer von Adluns Söhnen hat sich vor zwei Jahren als Sportler sogar international einen Namen gemacht. Markus Adlun wurde in seiner Gewichtsklasse Weltmeister im Kickboxen (zentralplus berichtete).

Der Start an der Hertensteinstrasse

Nachdem er sich in Luzern niedergelassen hatte, blieb Jakob Adlun nicht lange untätig. Er arbeitete zehn Jahre lang als Schuhmacher bei einem internationalen Unternehmen, das im Emmen Center eine Filiale betrieb. «1992 habe ich dann meine eigene Firma gegründet und bin als Schuhmacher in das Lokal des späteren Geschäfts von Foto Ecker an der Hertensteinstrasse in Luzern gleich gegenüber des Mc Donald’s eingezogen», erzählt Adlun.

Vier Jahre später zügelte er in den Süesswinkel. «2001 wurde mein Laden von der Stadt sogar als attraktivstes Geschäft in der Altstadt ausgezeichnet», so Adlun. Aufgrund der nun unmittelbaren Nachbarschaft war er früh mit den Gründern der Twiny-Station in Kontakt gekommen. «Als der Inhaber den Stand aus persönlichen Gründen verkaufen wollte, kam er auf mich zu mit der Bitte, einen Nachfolger zu finden. Für die Vermittlerdienste hatte er mir sogar ein Belohung angeboten», erinnert sich Adlun.

Doch anstatt jemanden zu suchen, habe er das 1996 gegründete Lokal im Jahr 2001 gleich selbst übernommen. Bis zu zum Verkauf des Schuhmacherladens 2012 führte Adlun die beiden Geschäfte parallel. Aus einer spontanen Romanze wurde also kurzerhand eine Luzerner Erfolgsgeschichte.

In diesem Lokal an der Hertensteinstrasse machte Jakob Adlun seine ersten Schritte als Luzerner Gewerbler.
In diesem Lokal an der Hertensteinstrasse machte Jakob Adlun seine ersten Schritte als Luzerner Gewerbler.

(Bild: bic)

Die Baguettes kommen aus Paris

Obwohl Adlun den Weg nach Frankreich letztlich nicht gefunden hat, verbindet ihn bis heute viel mit dem Land und dessen Kultur. Fünf seiner neun Geschwister leben in Paris. Und auch geschäftlich hat er viel mit der französischen Metropole zu tun.

«Die Baguettes für meine Sandwiches lasse ich in Paris herstellen», verrät Adlun. Natürlich habe er versucht, einen inländischen Produzenten zu finden. Doch bei der Qualität und dem Geschmack mache er keine Kompromisse. Auch weil er oft in Paris war und erfahren habe, was ein echtes Pariser Baguette ist.

«Die kleinen Schnitzel wurden auf meinen Wunsch extra für mich entwickelt.»

Jakob Adlun

Aber auch bei den anderen Zutaten setzt Adlun auf Topqualität. Die panierten Pouletschnitzel stammen von einer schweizerischen Grossmetzgerei. «Die kleinen Schnitzel wurden auf meinen Wunsch extra für mich entwickelt», sagt Adlun. Den Salat und die Tomaten bezieht er während der Saison von einem Bauernhof aus Littau. Die Eier kommen das ganze Jahr von dort. Im Winter arbeitet Adlun im Bereich Gemüse mit Grossisten zusammen.

80 Prozent der verkauften Sandwiches sind Schnitzelbrote. Doch es gibt auch noch viele andere Varianten von gefüllten Baguettes. So kommt es, dass Jakob Adlun nicht die Schnitzel am liebsten mag, sondern die Sandwiches mit Tomaten und Mozzarella. Tochter Nadia isst am liebsten die Variante mit Thunfisch.

Jetzt übernimmt die Tochter

Doch wie alles geht auch Jakob Adluns Geschichte als Luzerner Sandwichkönig einmal zu Ende. Am 1. August geht er in Rente. Die Geschicke der Twiny-Station legt er deshalb in die Hände seiner Tochter, die den Stand als Geschäftsführerin leiten wird. Jakob Adlun wird im Hintergrund aber weiterhin für das kleine Unternehmen tätig sein, wie er sagt.

Die 33-jährige Nadia Adlun hat an der Hochschule Luzern Tourismus studiert und danach sechs Jahre als Key Account Manager bei einer Firma in Zürich gearbeitet. Nach einer eineinhalbjährigen Auszeit und einer ausgedehnten Weltreise ist sie nun topmotiviert, in die Fussstapfen ihres Vaters zu treten.

«Es ist mal ein Einstieg und ich kann nun weiter fantasieren, wohin der Weg gehen soll.»

Nadia Adlun, Nachfolgerin von Vater Jakob

Auch Nadia Adlun haben es die Sprachen angetan. Neben den Sprachen, die Jakob spricht, beherrscht sie auch noch Portugiesisch und Englisch. Sie kommt also etwa auf deren zehn Sprachen, die sie mehr oder weniger fliessend beherrscht. «Viele der Sprachen habe ich aus reinem Interesse und meiner Liebe zu ihnen gelernt», erzählt sie.

Nadia Adlun hat Grosses vor

Dass sie wie ihr Vater einmal selbstständig sein möchte, sei ihr schon früh klar gewesen. Auch dass sie ihre Träume dereinst in der Gastrobranche verwirklichen möchte, habe sich mit der Zeit abgezeichnet, so Nadia Adlun. «Ich koche und backe für mein Leben gern und liebe es, in der Küche zu experimentieren.

«Während unserer Mittelschulzeit mussten ich und meine zwei Brüder auch regelmässig an der Twiny-Station aushelfen», erinnert sie sich. Es sei deshalb nur logisch, dass sie nun den Sandwichladen übernehme. «Ich hätte es kaum verkraften können, wenn wir den Betrieb hätten verkaufen müssen. Die Twiny-Station gehört einfach zu unserer Familie und zur Stadt Luzern», begründet Nadia Adlun ihren Entscheid.

Der Laden an der Rössligasse soll aber erst der Anfang sein, wie sie verrät. «Ich habe Pläne, die durchaus etwas grösser sind.» Mehr lässt sich Adlun aber nicht entlocken. «Es ist mal ein Einstieg und ich kann nun weiter fantasieren, wohin der Weg gehen soll.»

Nadia Adlun arbeitet seit gut einem Jahr fix in der Twiny-Station. Die Stabsübergabe geht also fliessend vonstatten. «Im Gegensatz zu meinem früheren Job muss ich am Sandwichstand hauptsächlich körperlich arbeiten und komme mit sehr vielen Menschen verschiedenster Herkunft in Kontakt. Ich freue mich jeden Tag auf die Arbeit und die Mitarbeiter», schwärmt sie.

In Luzern sei das Gastroangebot momentan ziemlich gut, doch es könnte noch mehr geben, ist Adlun überzeugt. «Es gibt noch einiges aufzumischen», sagt sie lachend. Wenn alles nach Plan läuft, wird Luzern in den nächsten Jahren wohl also noch viel von ihr hören. Es wird spannend zu verfolgen sein, wie es mit der kleinen Luzerner Erfolgsgeschichte weitergeht.

Sein Schumachergeschäft im Süesswinkel verkaufte Jakob Adlun 2012 an zwei Italiener.
Sein Schuhmachergeschäft im Süesswinkel verkaufte Jakob Adlun 2012.

(Bild: bic)

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1 Kommentar
  • Profilfoto von R_oger
    R_oger, 17.06.2019, 08:21 Uhr

    Ich bin Stammkunde seit Jahren und immer wieder aufs Neue erstaunt, wie sich der Chef merkt welcher Kunde was bestellt. Da steckt noch Herz und Seele drin. Alles gute für die nächste Generation und freue mich schon aufs nächste Schnitzelbrot (Cocktail, BBQ und ohne Zwiebeln, aber das weiss der Chef wahrscheinlich schon bevor ich bestelle hihi)!

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