Linke und Lehrer fordern Verzicht

Widerstand gegen schriftliche Maturaprüfungen in Luzern

Die Aula der Kanti Alpenquai: Die Regierung will hier die schriftlichen Prüfungen trotz Corona durchführen. (Bild: bic)

Der Kanton Luzern möchte trotz der aussergewöhnlichen Lage an den schriftlichen Maturaprüfungen festhalten. Dafür hagelt es Kritik von der Lehrerschaft, den Schülern und der Politik. Unterstützung gibt es von den Bürgerlichen.

Während andere Kantone darauf verzichten, hält der Luzerner Regierungsrat an der Durchführung der schriftlichen Maturaprüfungen fest. Dagegen wehren sich die Luzerner Maturanden mit einer Petition (zentralplus berichtete).

Sie fordern, dass an allen Gymnasien in der Schweiz die gleichen Regeln gelten. Der Bund jedoch hatte zuvor entschieden, dass die Kantone selber über das Abhalten schriftlicher Tests befinden können.

Kantilehrer unterstützen die Maturanden

Sukkurs erhalten die Luzerner Maturanden von ihren Lehrerinnen, genauer gesagt von deren Berufsverband. «Obwohl der Verband der Luzerner Mittelschullehrerinnen und Mittelschullehrer vom pädagogischen Wert und dem zu Recht hohen gesellschaftlichen Stellenwert der Maturitätsprüfungen überzeugt ist, steht er der Durchführung in diesem Corona-Krisenjahr «sehr kritisch gegenüber», schreibt er am Montag in einer Mitteilung.

«Der Fernunterricht hat viele Schüler und Lehrpersonen an ihre energetischen und emotionalen Grenzen gebracht.»

Verband der Luzerner Mittelschullehrerinnen und Mittelschullehrer

Und dies obwohl die Lehrer viel Zeit und Herzblut in die Vorbereitungen der Prüfungen investiert hätten und die Gymiabgänger dank Prüfungen besser auf den Hochschuleinstieg vorbereitet würden. «2020 ist aber ein in jeder Hinsicht ausserordentliches Jahr. Der Fernunterricht hat viele Schüler und Lehrpersonen an ihre energetischen und emotionalen Grenzen gebracht. Von vielen Ängsten, Krisen, Brüchen haben wir noch keine Ahnung, aber wir ahnen, dass sie da waren, immer noch sind und ihre Auswirkungen noch länger spürbar sein werden», schreiben die Kantilehrer.

Angesichts vieler offener Fragen, wie zum Beispiel der Berechnungsmodalitäten oder des aktuellen Zeitdrucks bezeichnet der Verband «die vom Kanton Luzern angekündigte Form der Durchführung der Maturitätsprüfung als ausserordentlich kritisch».

SP und Grüne sind «irritiert»

Kritik kommt auch aus der Politik. Genauer gesagt von den kantonalen Grünen und der SP, die zusammen mit ihren Jungparteien in einer Mitteilung ebenfalls Stellung gegen den Entscheid des Kantons beziehen. Sie zeigen sich «irritiert» über den Entscheid des Regierungsrates, wie sie in einer Mitteilung festhalten.

«Wir bedauern, dass sich der Kanton Luzern mit seinem Vorgehen nicht der Mehrheit innerhalb der Erziehungsdirektorenkonferenz anschliesst.»

SP und Grüne des Kantons Luzern

Dem aktuellen ungewöhnlichen Umstand sei Rechnung zu tragen und komplett auf die Prüfungen zu verzichten. «Diese Haltung vertreten zudem alle jene Kantone, die zusammen rund zwei Drittel aller Maturanden abdecken. Wir bedauern daher, dass der Kanton Luzern sich mit seinem Vorgehen nicht der Mehrheit innerhalb der Erziehungsdirektorenkonferenz EDK anschliesst und für eine schweizweit einheitliche Lösung engagiert», monieren SP und Grüne. Denn nur eine solche könne die Chancengerechtigkeit innerhalb der Schweiz gewährleisten.

SP und Grüne kritisieren weiter, dass es «allem Anschein nach ein relativ einsamer Entscheid» seitens der Bildungsdirektion gewesen sei. Dieser sei ohne breite Diskussion mit den gymnasialen Schulleitungen und den weiterführenden Hochschulen gefällt worden. Ebenso habe der Kanton weder den Verband der Luzerner Mittelschullehrer noch die Schülerorganisationen miteinbezogen, so die Kritik. Dies sei staatspolitisch problematisch.

GLP gibt sich zurückhaltend, FDP stützt Regierung

Im Gegensatz zu den linken Parteien versucht man bei den Grünliberalen zu beschwichtigen: «Grundsätzlich ist es äusserst unbefriedigend, dass die eidgenössische Erziehungsdirektorenkonferenz keine klare Empfehlung abgegeben hat», kritisiert Noch-Präsident und Nationalrat Roland Fischer. Unglücklich sei ausserdem, dass sich die Schüler ab Mitte Mai zu Maturitätsprüfungen treffen sollen, die weiterführenden Schulen gemäss den Plänen des Bundesrats aber erst am dem 8. Juni wieder öffnen dürfen.

«Wir würden eine einheitliche Empfehlung der EDK unterstützen.» 

Roland Fischer, GLP

Fischer nimmt alle Bildungsdirektoren des Landes gleichermassen in die Pflicht. «Wir können die Forderungen der Maturandinnen und Maturanden nachvollziehen. Wir würden jedoch eine einheitliche Empfehlung der EDK unterstützen, unabhängig von der gewählten Lösung.»

Die FDP Luzern hält hingegen klar fest, dass der Entscheidungsprozess korrekt und fundiert gewesen sei. «Wir stützen die Luzerner Regierung bei ihrer Ansicht, dass eine Durchführung erstens möglich und zweitens sinnvoll ist», heisst es auf Anfrage. Mit dem vorgeschlagenen räumlichen Konzept könnten die Standorte die Vorgaben des Bundesamts für Gesundheit einhalten.

Laut FDP ist zudem die Ausgangslage für alle Luzerner Schülerinnen und Schüler dieselbe. Dadurch sei die Chancengleichheit gewährleistet. «Der reibungslose Übergang zur Anschlusslösung auf der tertiären Stufe wird damit optimal sichergestellt. Diese Meinung teilen übrigens auch die Schweizer Hochschulen.»

Auch die CVP will Prüfungen

An den Prüfungen festhalten möchte auch die CVP, wie Kantonsrat Adrian Nussbaum schreibt: «In der Tat ist die jetzige Situation wegen der Corona-Pandemie einzigartig. Die Herausforderungen sind gross - auch für die  Absolventen der Matura. Aus unserer Sicht ist es jedoch erstrebenswert, dass die Maturaprüfungen durchgeführt haben.»

Eine absolvierte Maturaprüfung sei auch eine Auszeichnung des angeeigneten Wissen und anerkenne die über Jahren geleistete schulische Arbeit. «Wir vertreten die Meinung, dass der gymnasiale Abschluss mit einer durchgeführten Maturaprüfung eine höhere Legitimation ausstrahlt, als nur ein Abschlusszeugnis mit Erfahrungsnoten», so Nussbaum. Ausserdem hätten die Jugendlichen wenn immer möglich Anspruch auf eine Prüfung.

Die SVP hat bislang nicht auf die Anfrage reagiert.

Kanton Luzern überflutet von Anfragen

Seitens Kanton zeigt man zwar Verständnis für die Bedenken der Betroffenen. Allerdings verweist Aldo Magno, Leiter der Dienststelle Gymnasialbildung, darauf, dass der Verzicht auf schriftliche Prüfungen nicht automatisch ein faires Verfahren gewährleiste. 11 Prozent der Maturanden würden durchfallen, wenn man sich nur auf die Erfahrungsnoten stützen würde, sagt er gegenüber der «Luzerner Zeitung».

Zudem versichert er: «Ein faires Verfahren, welche dem Homeschooling Rechnung trägt, ist garantiert.» Die Prüfung umfasse das Programm der letzten zwei Gymnasialjahre. Ein Austausch, der über die Kanti-Rektoren hinaus gegangen wäre, war laut Magno mangels Zeit nicht möglich. Da andere Kantone bereits Entscheide fällten, sei Luzern in Zugzwang geraten. «Am Donnerstag wurden wir geflutet mit Anfragen», sagte er gegenüber der LZ.

Offen ist noch, unter welchen Schutzmassnahmen die Prüfungen stattfinden. Diesbezüglich wartet Luzern auf die Entscheide des Bundesrates von diesem Mittwoch.

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2 Kommentare
  • Profilfoto von Raymond Fischer
    Raymond Fischer, 29.04.2020, 07:52 Uhr

    Nur die schriftlichen Maturaprüfungen durchzuführen ist absolut unfair. Da die schriftlichen Prüfungen in der Regel auch schwieriger sind als die mündlichen (dort kann sich ein Schüler/-in erklären, man kann rückfragen, usw), muss mit tieferen Noten und einer erhöhten Durchfallquote gerechnet werden.
    Zudem leben einige Schüler/-innen in einem Haushalt mit einer Person aus der Risikogruppe. Diese sind stark verunsichert (und laut Bundesrat sollen die älteren Schüler ja erst am 8. Juni an die Schulen zurückkehren und nicht bereits im Mai).
    Der Kanton Luzern möchte wegen den schriftlichen Maturaprüfungen auch die Schüler der ersten und zweiten Klassen erst am 25. Mai statt am 11. Mai wieder an die Schule lassen; d.h. zwei Wochen länger zuhause im Fernunterricht im Gegensatz zu ihren Kollegen/-innen an der Sekundarschule. Auch das ist nicht fair und die Eltern werden somit weiterbelastet.

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  • Profilfoto von Peter Bitterli
    Peter Bitterli, 27.04.2020, 17:33 Uhr

    Wegen der schriftlichen Maturaprüfungen könnten zudem die noch schulpflichtigen Erst- und Zweitgymnasiasten, die eigentlich am 11. Mai wieder Präsenzunterricht haben MÜSSEN, nun noch zwei Wochen länger nicht in die Schule. Also noch zwei Wochen Irritation, Unsicherheit, Alleingelassenwerden mit dem Stoff. Und anschliessend dann der Grossreigen der Prüfungen. Das nennt man unterlassene Hilfeleistung.

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