Interview mit Finanzchef Karl Kobelt

Weshalb verkauft Stadt Zug das Tafelsilber?

Der Stadtzuger Finanzchef Karl Kobelt.

(Bild: zvg)

Die Stadt Zug will Liegenschaften verkaufen, sie braucht Geld für Investitionen: Sechs Gebäude mit preisgünstigen Wohnungen sollen verkauft werden, geht es nach Finanzchef Karl Kobelt. Denn sie rentieren nicht. Aber gilt das nicht für alle preisgünstigen Wohnungen? Und ist die Stadt tatsächlich so arm?

zentral+: Herr Kobelt, ist die Stadt so arm, dass sie jetzt ihre Immobilien verkaufen muss, um Geld zu verdienen?

Karl Kobelt: Nein, die Stadt ist nicht arm. Aber sie steht vor einer grossen finanziellen Herausforderung, und die müssen wir meistern. Zug hat ein strukturelles Defizit, das setzt sich aus zwei Faktoren zusammen: Den sehr hohen Abgaben an den Zuger Finanzausgleich und an den Nationalen Finanzausgleich einerseits und den Mindereinnahmen durch die Steuergesetzrevisionen zwei bis vier.

zentral+: Nur ändert der Verkauf von Liegenschaften nichts an dieser Struktur. Der Verkauf soll ja kurzfristig Geld für die Investitionsplanung der Stadt bringen. Geht es jetzt ans Lebendige?

Kobelt: Das muss man nüchtern betrachten. Wir können innerhalb unseres Budgets rund 30 Millionen Franken netto im Durchschnitt pro Jahr investieren. Alles was über diesen Betrag hinaus geht, müssen wir wieder reinholen, etwa durch den Verkauf von Liegenschaften. Zug ist eine wunderbare Stadt, und wir wollen an verschiedenen Orten weiter in die Stadt investieren können. Das können wir aber nicht ungebremst, wir müssen dafür an anderen Orten devestieren, wie jetzt mit dem Verkauf der Liegenschaften.

zentral+: Das scheint keine sehr nachhaltige Strategie zu sein: Die Landreserven der Stadt sind begrenzt, einmal verkauft sind die Liegenschaften weg, und der Verkauf bringt nur kurzfristig einen Ertrag.

Kobelt: Das Nachhaltige an dieser Entscheidung sind die Stadtfinanzen. Sie müssen gesund erhalten bleiben. Die Verkäufe sind überdies immobilienstrategiekonform. Demnach halten wir die Gebäude, die eine öffentliche Aufgabe erfüllen oder von strategischer Bedeutung sind. Bei anderen sind Verkäufe grundsätzlich möglich.

zentral+: Ist denn das Angebot von günstigen Wohnungen, wie sie in den sechs Liegenschaften vorhanden sind, keine öffentliche Aufgabe?

Kobelt: Doch, der Stadtrat will die Initiative «Wohnen in Zug für alle» erfüllen und wird noch dieses Jahr eine Umsetzungsstrategie präsentieren. Zudem schreibt uns die Wohnbauinitiative von 1981 vor, dass wir 400 städtische, vergünstigte Wohnungen einrichten müssen. Das haben wir 2009 mit der Überbauung Roost erreicht.  Im Moment sind es 426 anrechenbare  Wohnungen. Deshalb können wir die fraglichen Liegenschaften verkaufen, da wir immer noch über 400 günstige Wohnungen haben werden. Die Stadt ist in Bezug auf preisgünstige Wohnungen besser aufgestellt, als man denkt.

Mit der Bau- und Zonenordnungsrevision wurden 2009 vier Zonen beschlossen, auf denen die Hälfte der Wohnungen preisgünstig angeboten werden muss. Hinzu kommen die preisgünstigen Wohnungen der Korporation Zug, anderer öffentlich-rechtlicher Körperschaften wie die Pensionskasse sowie der verschiedenen Wohnbaugenossenschaften.

«Auch ein Privatbesitzer wird die Häuser nicht abreissen können.»

Karl Kobelt, Finanzvorsteher

zentral+: Sind im dichten Immobilienmarkt der Stadt nicht alle Parzellen von strategischer Bedeutung, auch die sechs, die die Stadt verkaufen will?

Kobelt: Nein. Die Häuser an der Hertistrasse stehen im Inventar der schützenswerten Gebäude. Die Liegenschaften Knopfliweg 4 und 8 sind sogar denkmalgeschützt. Die Stadt kann sie nicht abreissen und darauf öffentliche Bauten wie ein Schulhaus oder einen Kindergarten errichten. Gleichzeitig wird auch ein Privatbesitzer die Häuser nicht abreissen können, für das Stadtbild ändert sich also nichts. Inventarisierte Gebäude können nur mit einem erhöhten finanziellen Aufwand instandgesetzt werden. Daher generieren sie nur einen geringen Ertrag.

zentral+: Das gilt allerdings für alle Wohnungen im preisgünstigen Segment der Stadt.

Kobelt: Den Volksauftrag von 400 preisgünstigen Wohnungen hat der Stadtrat erfüllt. Es ist wichtiger, weiterhin in die Stadt angemessen investieren zu können, als die Wohnungen in den sechs Liegenschaften im Eigentum der Stadt Zug zu behalten. Es stehen bedeutende Investitionen an, etwa die Sanierung des Theater-Casinos, Schulbauten, die Sanierung des Kolingevierts.

Eine der mit dem Landverkauf zu finanzierenden Investitionen: Das Haus am Kolinplatz 21 soll mit dem Bistro «Gartenhof» neues Leben ins Quartier bringen. Im Wohnteil oberhalb des Cafés könnten künftig 11 Studierende ein Zuhause haben.

Das Haus am Kolinplatz 21 soll mit dem Bistro «Gartenhof» neues Leben ins Quartier bringen. Im Wohnteil oberhalb des Cafés könnten künftig 11 Studierende ein Zuhause haben.

(Bild: zvg)

zentral+: Plant der Stadtrat, auch in Zukunft solche Investitionen durch den Verkauf von Liegenschaften zu finanzieren?

Kobelt: Nein, im Moment nicht. Wir haben aber auch andere Liegenschaften für allfällige Verkäufe geprüft. Wie ein Unternehmen hat die Stadt die Pflicht, periodisch die Bilanz zu überprüfen. Es stellt sich die Frage: Gibt es gebundene Mittel wie Liegenschaften in der Bilanz, die freigesetzt werden können, um neue oder erweiterte Aufgaben finanzieren zu können? Es ist die Strategie des Stadtrats, die 30 Millionen Nettoinvestitionen im Durchschnitt pro Jahr einzuhalten. Wenn wir das nicht mehr können, dann müssen wir massiv Fremdkapital aufnehmen und uns verschulden. Damit kämen wir in eine finanzielle Schieflage. Das gilt es auf jeden Fall zu verhindern.

zentral+: Es passt gar nicht zum Bild von Zug, dass die Stadt Land verkaufen muss, um sich zu finanzieren. Wer an Zug denkt, denkt an Reichtum. Hat die Tiefsteuerpolitik ihr Ziel verfehlt, wenn die Stadtfinanzen trotz hohem Steuersubstrat so auf der Kippe stehen?

Kobelt: Auf keinen Fall. Und es wäre töricht, das Erfolgsrezept der Stadt Zug zu versalzen. Die Stadt hätte sich in den letzten 50 Jahren mit einer hohen Steuerbelastung niemals so positiv entwickeln können. Ich verstehe aber, was Sie meinen: Es macht für viele Menschen keinen Sinn, die Steuern zu senken, wie das mit den Steuerreformen passiert ist, und dann Land zu verkaufen. Ich sehe das anders: Langfristig wird eine tiefe Steuerbelastung zu mehr Steuereinnahmen führen als eine hohe. Handlungsbedarf besteht beim Nationalen und Zuger Finanzausgleich. Der Zuger Finanzausgleich ZFA ist eine der Hauptfaktoren für das Defizit der Stadt Zug. Sie muss schlicht zu viel in den Ausgleichstopf bezahlen.

zentral+: Sie setzen also Ihre ganze Hoffnung auf eine Senkung der Abgaben?

Kobelt: Es ist mehr als eine Hoffnung, darüber gibt es ja auch einen Konsens unter den Gemeinden und mit der Regierung. Nächste Woche behandelt der Kantonsrat die Anpassungen beim ZFA. Wenn das Kantonsparlament der Anpassung des ZFA-Méccanos zustimmt, werden wir ab nächstem Jahr gegen neun Millionen weniger in den ZFA zahlen müssen. Damit werden wir mittelfristig wieder ausgeglichene Rechnungen ausweisen können. Eine Steuererhöhung allerdings ist und bleibt die Ultima Ratio des Stadtrats.

zentral+: Das heisst, bevor man über eine Steuererhöhung nachdenken würde, müsste die Stadt noch viel Land verkaufen?

Kobelt: Eine polemische Frage (lacht). Hoffentlich nicht. Man kann auch geschickt Land tauschen, wie wir das mit der Korporation gemacht haben. Dass wir zum Beispiel das «Haus Zentrum» in die Tauschmasse einbezogen haben, hat einen Effekt von über 20 Millionen: Wenn wir hätten renovieren müssen, hätte das mehr als zehn Millionen gekostet. In der Tauschmasse allerdings wurde das Haus mit zehn Millionen eingesetzt.

zentral+: Der Landverkauf stimmt trotzdem nachdenklich. Der Korporation etwa wird nachgesagt, dass sie niemals Land verkaufe, eine offenbar erfolgreiche Strategie. Weshalb soll die Stadt weniger langfristig denken?

Kobelt: Die Korporation hat einen ganz anderen Zeithorizont als die Stadt: Sie denkt in Generationen. Die Politik und die Stadträte, die auf vier Jahre gewählt werden, haben natürlich eine andere Sichtweise. Wir müssen stärker auf die Aktualität eingehen. Trotzdem ist mir die Korporation in der langfristigen Sichtweise ein Vorbild.

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