Innovationen Zentralschweiz

Wer hat’s erfunden?

Das Velonette, eine Erfindung von Caspar Müller aus Luzern.

Kerzenhalter für den Christbaum, Düsenflugzeuge, oder ein Rezept für die Harnstoffherstellung: Es gibt eine grosse Zahl an Patenten aus Luzern und Zug im letzten Jahrhundert. Darunter viele schräge und gescheite Erfindungen. Eine Spur führt gar zu Rivella.

Wäre es nicht toll, wenn man ohne diese neon-orangene Ganzkörper-Pellerine im Regen Velo fahren könnte? Dieser Meinung war im Jahr 1912 auch Anton Müller, als er sein Patent für den «Velo-Schirmhalter» anmeldete. Weshalb diese Erfindung sich im letzten Jahrhundert nicht durchsetzte, ist doch relativ unverständlich.

Die Zentralschweiz gilt wohl eher als konservativ denn innovativ. Das mag derzeit stimmen, doch zu Beginn des letzten Jahrhunderts häuften sich die Patente für geistiges Eigentum in Luzern und Zug. Fündig wird man dabei in den Staatsarchiven, wobei Luzern gleich einige spannende Beispiele bereitstellt. Hier eine Auswahl der sinnvollsten und verwirrendsten.

Für den Alltag

Auf den ersten Blick äusserst beeindruckend, dass ein Krienser die «Leiter» erfunden hat. Es handelt sich jedoch nicht um die Ur-Leiter. Damit wäre er 1930 auch reichlich spät gewesen. Vielmehr geht es hier um ein komplexes Exemplar für die Feuerwehr. Ob sich seine Variante durchsetzte, ist fraglich. Denn betrachtet man seine Skizze genauer, kommen doch berächtliche Bedenken auf, dass man sich auf dieser Leiter unsäglich verlaufen kann.

Leiter von Oskar Wicki (Kriens)

Leiter von Oskar Wicki (Kriens)

Friedrich Ernst aus Oberägeri beschäftigte sich 1906 hingegen bereits intensiv mit der Aufwertung sanitärer Anlagen. Dabei entstand sein kurioses Patent für eine «Abtritt-Spüleinrichtung mit Vorrichtung zum Reinigen der Sitzfläche». Damit war er seiner Zeit wohl einiges voraus, da erst seit 1900 das Wasserklosett in die meisten Haushalte einzog. Ausserdem hat es die Schweiz bis heute nicht geschafft, Toiletten mit Bidet-Funktion und automatischer WC-Ring-Reinigung massentauglich zu machen. Trotz Melanie Winiger in der Geberit-Werbung.

Harnstoffe

Bei den Patenten handelt es sich oft auch um Herstellungsverfahren chemischer Stoffe. In Luzern finden sich dabei erstaunlich viele zur Herstellung von künstlichen Harnstoffen. Von buiretarmem Harnstoff, wasserlöslichem bis hin zu granuliertem Harnstoff. Das hat übrigens nichts mit der tierischen Harnsäure zu tun und wird beispielsweise in Kosmetika, in Dünger und gegen Nagelpilz eingesetzt.

Unbekannte Flugobjekte

Alfred Hürzeler aus Luzern war ein praktischer Mann, der die Probleme seiner Zeit erkannte. Die auf dem Markt erhältlichen Fallschirme empfand er als unsicher und erfand kuzerhand seinen eigenen. Das Patent wurde 1951 anerkannt. Bereits in den 60er-Jahren kamen jedoch die nächsten innovativen Fallschirme auf den Patentemarkt. Sicher sind sie bis heute nicht.

Fallschirm

Fallschirm

Um in den Lüften zu bleiben: Ein Düsenflugzeug von den Eidgenössischen Flugzeugwerken in Emmen wurde 1947 als Patent eingetragen. Das hört sich beeindruckend an. Die Skizze der Erfindung wirkt jedoch wenig vertrauenerweckend, da sie doch mehr an Modellflieger als an technischen Fortschritt erinnert.

Ausschnitt aus dem Orginaldokument von 1947.

Ausschnitt aus dem Orginaldokument von 1947.

Es weihnachtet sehr

Der Zeichenlehrer Caspar Müller aus Luzern hatte ein Herz für Kinder. Seine Erfindung, das «Velonette», war ein exklusives Kinderfahrrad aus Holz mit einem Schwungrad. Exklusiv deshalb, weil der Preis von 80 Franken im Jahr 1920 nur für sehr gut betuchte Familien bezahlbar war. Geeignet war das Holzvelo für Kinder zwischen 1,20 Meter und 1,40 Meter zum Erlernen des Velofahrens.

Doch das Velonette war nicht die einzige patentierte Erfindung von Caspar Müller. Er erfand ebenfalls den «Christbaumkerzenhalter». Eine Version mit schwingbarem Arm und Gegengewicht. Müller meldete das Patent 1916 beim schweizerischen Amt für geistiges Eigentum an.

Christbaumkerzenhalterung von Caspar Müller

Christbaumkerzenhalterung von Caspar Müller

Hans Fischer aus Kriens beschäftigte sich zur selben Zeit wie Caspar Müller einer ganz anderen Erfindung. Sie nennt sich «Scheidendesinfektor» und wurde von ihm sogar gleich zwei mal angemeldet, einmal in Luzern und einmal in Kriens. Es handelt sich dabei um eine Vorrichtung zur vereinfachten, vaginalen Einführung oder Abführung von «medikamentösen Massen». Aussehen tut es auf der Patent-Skizze wie ein Tampax oder ein Brieföffner.

Scheidendesinfektor von Hans Fischer (Kriens)

Scheidendesinfektor von Hans Fischer (Kriens)

Rivella und Kirschtorte

Wer weiss eigentlich woher unser Nationalgetränk kommt? Nicht Ovomaltine, sondern Rivella ist gemeint.

Grundsätzlich wurde es an der ETH von einem Jus-Studenten und einem Forscher entwickelt. Doch das Grundrezept kam aus Zug. Eine Arztwitwe verkaufte dem jungen Studenten das Rezept für ein Molkegetränk. Dieser startete mit Experimenten in der Badewanne und endete an der ETH. Der Name stammt übrigens aus dem Tessiner Dorf «Riva San Vitale» beziehungweise von «Rivelazione» was so viel wie «Offenbarung» bedeutet.

Als bekanntester Zuger Erfinder zählt Heini Höhn, der 1915 die «Zuger Kirschtorte» entwickelte, ein Ereignis, das nächstes Jahr bestimmt gross gefeiert werden wird. Streiten sich doch die Zuger Bäcker und Confisseure gerne darüber, wer denn nun die beste macht. (zentral+berichtete)

Zuger Kirschtorte von Heini Höhn

Zuger Kirschtorte von Heini Höhn

Unter dem Begriff «Zuger Gläser» bekannt ist eine Einrichtung zum Ausbrüten von Fischlaich, die aussieht als hätte «Jugend forscht» ein Labor gebaut. Ein Brutapparat für Eier und Sommerlaichfischen, erfunden 
um 1890 von Berufsfischer Michael Speck und Stadtrat Weiss. Der Sohn des Stadtrats brachte die Apparate später äusserst erfolgreich in den Handel.

Zuger Gläser

Zuger Gläser

Was nicht vorenthalten werden sollte: Der Velo-Schirmhalter von Anton Müller aus Schüpfheim. Die Skizze ist nur derart unklar, dass das Produkt eventuell deshalb nicht gross heraus kam.

Velo-Schirmhalter von Anton Müller (Schüpfheim)

Velo-Schirmhalter von Anton Müller (Schüpfheim)

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