Gemeinde-Claims

Wenn sich Gemeinden als Marken verstehen

«Kräuterdorf am Napf» - der Claim der Gemeinde Hergiswil bei Willisau. (Bild: Gemeinde Hergiswil b.W.)

«Sagenhaftes Mauensee.» «Greppen, das Kastaniendorf.» Oder: «Alberswil, Dorf mit Stil.» Mit sogenannten Claims werben 47 Gemeinden im Kanton Luzern für sich selbst – manchmal frech, manchmal banal, manchmal sogar irreführend. zentral+ erklärt, was einen guten von einem schlechten Claim unterscheidet und was ein Markenexperte unter «Sauglattismus» versteht. Aber entscheiden Sie doch selber, welches die besten Claims sind und klicken Sie sich durch die Slideshow am Ende des Artikels.

Über die Hälfte der Luzerner Gemeinden präsentiert sich als Marke. Mit einem Spruch, der die Einzigartigkeit der Ortschaften anpreisen soll, versuchen sie neue Einwohner für sich zu gewinnen. Die Sprüche finden sich auf Ortstafeln, auf Gemeinde-Webseiten oder unter dem Wappen auf der Gemeindefahne. In der Werbung spricht man vom «Abstecken des Feldes» oder englisch-kurz: Claim.

«Luzern – Die Stadt. Der See. Die Berge.»

47 dieser Sprüche finden sich im Kanton Luzern – von gelungenen, frechen, banalen bis irreführenden ist alles dabei. «Ein guter Claim löst ein konkretes Bild im Kopf des Betrachters aus, das die beworbene Marke deutlich von anderen unterscheidet», sagt Markenexperte Stefan Vogler. «Verkörpert die Marke eine Gemeinde, kann sie sich beispielsweise mit geographischen Hinweisen profilieren.»

Der perfekte Gemeinde-Claim

Ein gutes Beispiel dafür liefert die Gemeinde Horw: Mit dem Satz «Die schönste Stadt südlich Luzerns» erfüllt sie gleich mehrere Kriterien für einen gelungenen Claim. «Einerseits erhält man sofort eine Vorstellung der geographischen Lage. Andererseits ist das Wort ‹südlich› absolut positiv besetzt. Man denkt unweigerlich an Sonne, warmes Klima und Ferien. Das ist ein perfekter Gemeinde-Claim», so Vogler.

Auch die Gemeinde Malters identifiziert sich in ihrem Claim durch den grossen Nachbarn: «Malters, das städtische Dorf vor Luzern.» Hier werden zwar keine positiven Feriengefühle wach, aber man erhält – nebst der geographischen Anbindung – ein ziemlich konkretes Bild davon, was die Gemeinde sein will. Ein Dorf, mit Stadtcharakter. Gemäss den Kriterien des Markenexperten gehört auch dieser Claim in die Kategorie «gelungen». Wie übrigens auch jener der Stadt Luzern. «Die Stadt. Der See. Die Berge.» beschreibt simpel und verständlich, wofür Luzern steht und was die Besucher und Einwohner erwartet.

«Krone des Seetals: Gelfingen»

Nur zwei echte Claims im Kanton Zug

Von den elf Zuger Gemeinden haben lediglich Unter- und Oberägeri einen Claim. «Z’Unterägeri fühlsch di wohl» lautet der Werbe-Spruch und soll die kleinstädtische Idylle Unterägeris hervorheben. Oberägeris Claim lautet: «Auf der Sonnenseite zuhause».

Die Gemeinde Hünenberg hat zwar keinen echten Claim, dafür ein Jahresmotto: «Hünenberg – ein Hü besser» taugt laut Markenexperte Stefan Vogler zwar als Motto, wäre aber als Claim ein klassischer Fall von «Sauglattismus». Generell rät Vogler den Zuger Gemeinden zu einem Claim. «Im Kanton Zug ist die Stadt Zug überpräsent. Durch gute Claims könnten sich die anderen Gemeinden aus diesem Schatten hervorheben.»

Andere Gemeinden, die sich über ihre Lage definieren, waren zwar etwas weniger einfallsreich, stehen damit aber trotzdem auf der sicheren Seite. «Wer seine Gemeinde über die Lage bewirbt, kann fast nichts falsch machen», sagt Vogler. Eine schöne Aussicht gehört da auch dazu. Gleich sechs Gemeinden werben mit ihrer Aus- oder Weitsicht. Udligenswil beispielsweise ist das «Dorf mit Weitsicht» oder in Eich gibt es «schöne Aussichten am Sempachersee». Gerne wird die Lage auch mit Schmuckstücken oder Himmelskörpern in Verbindung gebracht. Ermensee versteht sich als «die Perle im Seetal» während sich Gelfingen die «Krone des Seetals» nennt.

Die besten Claims kommen aus der Bevölkerung

Wie kommt eigentlich ein Claim zustande? «Bestenfalls kommen die Ideen direkt aus der Bevölkerung», sagt Stefan Vogler. Das könne über Workshops, Umfragen oder Wettbewerbe geschehen. «Die Erfahrung zeigt, dass Claims, die von Bewohnern generiert wurden, nicht nur wenig Kosten verursachen, sondern oft eine Glaubwürdigkeit ausstrahlen.» Das Beauftragen einer Werbeagentur zahle sich meist nicht aus. «Die erfolgreichsten Gemeinde-Claims sind jene, bei der die Bevölkerung in die Strategiearbeit miteinbezogen und das Soll- oder Wunsch-Image der Gemeinde formuliert wird», so Vogler.

«Greppen – Willkommen im Kastaniendorf»

Eine Umfrage von zentral+ bei den Luzerner Gemeinden ergab, dass die meisten Claims von den Gemeindeverantwortlichen in Zusammenhang mit internen Imagekampagnen zustande kamen. Die Kosten variierten zwischen Null und vierstelligen Beträgen. Wobei bei letzteren erwähnt werden muss, dass die Erarbeitung eines Claims nur als kleiner Teil eines Gesamtprojekts zu verstehen ist.

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Das Ricola-Kräuterdorf

Nebst der Lage werben einige Luzerner Gemeinden gezielt mit konkreten Besonderheiten. Das Entlebuch zum Beispiel weist mit dem Claim «Wir leben neue Energie» auf die nachhaltige Energiepolitik hin. Die Gemeinde Greppen wiederum begreift sich als «Kastaniendorf» und Hergiswil bei Willisau verbindet in ihrem Claim geschickt die geographische Lage mit ihrer Besonderheit: «Kräuterdorf am Napf». Ganz genau genommen, müsste es sogar «Ricola-Kräuterdorf» heissen, denn aus den besagten Kräutern werden die bekannten, von Schweizer erfundenen Bonbons gemacht. Aus Sicht des Markenexperten verfehlen auch solche Claims ihre Wirkung nicht: «Ein Claim, der eine bestimmte Leistung beschreibt, wirkt meist glaubwürdig und bleibt den Betrachtern in Erinnerung.»

Achtung vor «Sauglattismus»

In Erinnerung bleiben wohl auch die Claims der Gemeinden Rickenbach und Schenkon. Frech beschreibt sich Rickenbach als «ein Dorf unserer Zeit. Nur schöner.» Schenkon gibt sich sogar etwas lasziv als «eine Versuchung, die sich lohnt…». Das könne funktionieren, sagt Stefan Vogler, aber man müsse sehr aufpassen, dass es nicht ins Lächerliche ausufert. Eine Botschaft müsse erkennbar sein. Einfach ein glatter Spruch um des Spruches willen löse eher Fragezeichen aus. «Sauglattismus» nennt der Experte das. Ein Beispiel dazu liefert die Gemeinde Alberswil. Der Claim «Alberswil – Dorf mit Stil» reimt sich zwar schön, hinterlässt aber mehr Fragen als Antworten.

«einmalig – bäumig – Buchrain»

Auch bei Bürons Claim «Ein Flecken fürs Leben» ist unklar, was die Gemeinde genau mitteilen möchte. Das Wort Flecken ist eher negativ besetzt – Senfflecken auf dem weissen Hemd zum Beispiel – und wirkt daher wenig einladend. Aufgepasst werden sollte auch bei einzelnen, lokalen Wörtern in einem Claim. Buchrain beispielsweise  wirbt mit «einmalig – bäumig – Buchrain». Was sich im ersten Moment noch knackig und plausibel anhört, wird spätestens beim Hinterfragen des Wortes «bäumig» verwirrend. Es gibt also viele Bäume dort, einen grossen Wald wahrscheinlich. Falsch. «Bäumig soll in diesem Zusammenhang einfach nur ‹super› heissen», erklärt der Gemeindeschreiber von Buchrain. Für den Markenexperten Stefan Vogler wirkt das irreführend. «Gäbe es tatsächlich ausserordentlich viele Bäume dort, wäre es ein guter Claim. Aber so kann der Betrachter nicht viel damit anfangen.» 

Kleine, unbekannte Gemeinden profitieren am meisten

Es gibt also gelungene und weniger gelungene Claims in den Luzerner Gemeinden. Aber: Braucht eine Gemeinde denn überhaupt einen Claim? «Nein», sagt Vogler, «aber es kann durchaus hilfreich sein, um eine Gemeinde interessanter und bekannter zu machen – und schliesslich für mehr Einwohner zu sorgen. Zudem kostet es ja primär nur viel Hirnschmalz.» Besonders kleine, unbekannte Gemeinden könnten sich dadurch in ein neues Licht rücken und durch einen prägnanten Claim an Ansehen und Aufmerksamkeit in der Region gewinnen, so der Markenexperte.

Die Expertenmeinung in allen Ehren, aber welche Claims erachten Sie, liebe Leserinnen und Leser, als gelungen und welche Sprüche schiessen Ihrer Meinung am Ziel vorbei? Klicken Sie sich durch die Slideshow und entscheiden selber.

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