Zehn Jahre «Delilahs»

«Wenn du heute Punk machen möchtest, dann in Zug»

Die Delilahs (vl.): Philipp Rhyner (Gitarre), Isabella Eder (Gitarre), Muriel Rhyner (Texterin, Sängerin, Bass) und Daniel Fischer (Schlagzeug).

(Bild: PD)

Die «Delilahs» feiern heuer ihr zehnjähriges Bestehen – und blicken zu diesem Anlass zurück auf eine Dekade Zuger Musikgeschichte. Da gibt’s einiges zu erzählen. Von Musikerklischees und Frauen-WCs zum Beispiel. Oder davon, weshalb die Band der Stadt Zug wohl bald den Rücken kehren wird.

«Die neue Schweizer Rock-Hoffnung.» Mit diesen Worten wurde 2006 der Hype um das Zuger Frauentrio «The Delilahs» lanciert. Zehn Jahre, vier CDs und über 500 Konzerte später sind die Delilahs – mittlerweile ohne das «The» im Namen – ein fester Bestandteil in der Schweizer Musikszene. Das gibt Grund zum Feiern. Am 30. April 2016 lädt die Band deshalb zusammen mit alten Weggefährten zum Geburtstagskonzert.

Vorab treffen wir mit Frontfrau Muriel Rhyner und Gitarrist Philipp Ryhner und tauchen ein in eine ganze Dekade Bandgeschichte. Aus dem Frauentrio wurde mittlerweile ein Quartett mit ausgeglichener Geschlechterbilanz. Das ist jedoch längst nicht alles, was das Geschwisterpaar Ryhner mit Blick in die Vergangenheit zu erzählen weiss.

zentralplus: Muriel und Philipp, wie hat sich euer Musikstil über die letzten zehn Jahre verändert und wo steht ihr musikalisch heute?

Muriel Rhyner: Wir sind immer noch eine Indie-Band und haben kein grosses Label im Rücken, diesbezüglich hat sich nichts geändert. Wir sind aber musikalisch über die Jahre vermehrt aus dem Punk rausgekommen, sind nicht mehr so stark ins Genre verwickelt wie zu Beginn. Unsere Musik würde ich heute als Powerpop mit Punk-Attitüde bezeichnen. Und «Power» ist dabei wörtlich zu nehmen. Wir sind grundsätzlich eine energetische, rockige Band, die melodiöse, farbige Musik macht. Verändert hat sich darüber hinaus mein Songwriting, von welchem ich behaupten kann, dass es sich zunehmend verbessert hat.

Als das «The» verloren ging

2003 trafen sich die Zugerinnen Isabella Eder und Muriel Rhyner an ihrer Schule. Muriel Rhyner, damals noch aktiv in ihrer ersten Band «Attic», gründete mit Isabella Eder und der ersten Schlagzeugerin Sonja Zimmerli 2005 die «The Delilahs». 2006 und 2007 spielte die Band in dieser Besetzung über 180 Konzerte in der Schweiz, in England, Belgien, Deutschland und Frankreich. Sie traten mit verschiedenen internationalen Bands auf, darunter «Maximo Park», «Black Rebel Motorcycle Club» und «Sons and Daugthers».

Nach einem Rechtsstreit mit ihrem damaligen Management trennte sich die Band 2007 vom Manager und verzichtete vortan auf das «The» im Bandnamen. Am 13. März 2009 veröffentlichten die Delilahs, jetzt zum ersten Mal mit männlicher Unterstützung am Schlagzeug durch den Berner Daniel Fischer, ihr erstes Album «Delilahs» auf dem Berner Indielabel CHOP Records.

Gitarrist Philipp Rhyner, Muriels Bruder und Mitglied ihrer ersten gemeinsamen Band Attic, stiess im Frühling 2009 zuerst als Live-Unterstützung, später als fixes Mitglied zu den Delilahs. Seither spielt die Band in unveränderter Formation.

zentralplus: Eure Songs werden immer mal wieder im Radio gespielt. Das war vor zehn Jahren so und ist auch heute noch so. Sind die Delilahs Mainstream?

Philipp Rhyner: Wir haben unsere Musik nie auf Radiotauglichkeit ausgerichtet, sondern immer nur das gemacht, was für uns das Richtige war und ist. Das ist unsere Einstellung. Und letztlich ist diese Authentizität wohl verantwortlich dafür, dass wir seit zehn Jahren noch immer mit Freude und Begeisterung unsere Musik machen.

zentralplus: Ihr könnt zwar nicht von der Musik leben, seid aber trotzdem erfolgreich – und das seit zehn Jahren. Wie kann man als Band zehn Jahre erfolgreich bestehen?

Muriel Rhyner: Nachhaltiger Erfolg braucht vor allem Geduld. Man muss geduldig bleiben und darf nicht zu viel auf einmal erwarten. Man kann sich natürlich auch dem Mainstream verschreiben. Aber ich denke, dass der schnelle Erfolg sich nur schwer mit Nachhaltigkeit verbinden lässt. Zudem leidet die Authentizität. Wir sind keine Berufsmusiker, alle von uns arbeiten nebenher in einem «normalen» Job. Wir haben nie gross forciert, dass wir alleine von der Musik leben können. Musik ist unsere Leidenschaft, das steht klar im Vordergrund.

zentralplus: «The Delilahs» wurden zu Beginn aber extrem gepusht. Da war plötzlich diese Frauenband aus Zug, die schon sehr stark auf Erfolg getrimmt wurde.

Muriel Rhyner: Das ist richtig. Es hiess damals: Jetzt ist eure Stunde. Jetzt oder nie. Rückblickend war der grosse Anfangs-Hype um uns ein grosser Rucksack. Plötzlich steht man als 19-Jähriger in London und verhandelt Plattenverträge bei grossen Labels. Das war damals einerseits natürlich cool und aufregend. Andererseits liessen auch die Schattenseiten nicht lange auf sich warten. Auf einmal hiess es, wir hätten Songs so und nicht anders zu spielen. Wir wollten nicht zu Marionettenpuppen des Business werden. Zum Glück haben wir damals frühzeitig die Reissleine gezogen.

«Frauen machen Rockmusik, so what?»

Muriel Rhyner, Frontfrau der Delilahs

zentralplus: Kannst du das etwas ausführen?

Muriel Rhyner: Mit dem raketenhaften Aufstieg schnellten auch die Erwartungen in ungeahnte Höhen. Heute denke ich, dass es sinnvoller ist, wenn man sich langsam, dafür stetig entwickelt. Und dabei authentisch bleibt. Unser Weg war ein Stück weit vorgezeichnet, auch weil wir zu Beginn eine reine Frauenband waren – und entsprechend vermarktet wurden. Für uns war das Geschlecht jedoch nie entscheidend, letztlich sind wir per Zufall eine Frauenband geworden. Die ganze Girlband-Diskussion geht mir schon etwas gegen den Strich. Frauen machen Rockmusik, so what? Es gibt auch heute noch Leute, die diesbezüglich grosse Vorbehalte haben. Wenn sie dann an ein Konzert von uns kommen, merken sie: Da stehen Frauen auf der Bühne, die schwitzen und speien. Es macht doch keinen Unterschied, ob nun Frauen oder Männer auf der Bühne stehen.

Philipp Rhyner: Den einzigen Unterschied, den ich wahrnehme, ist, dass wir Frauen-WCs haben. Lacht.

zentralplus: Der Schlagzeuger Daniel Fischer lebt in Bern. Die anderen Bandmitglieder wohnen alle in Zug. In welchem Verhältnis steht ihr heute zu eurer Heimatstadt?

Muriel Rhyner: Natürlich ist eine Verbindung da. Wir waren damals nicht nur als reine Frauenband exotisch, sondern auch darum, weil wir aus Zug kommen. Daran hat sich heute nicht viel geändert. Zug bringt gute Musiker hervor. Aber die Leute wandern bald nach Zürich oder Bern ab, weil es dort einfach mehr Möglichkeiten gibt. Das ist schade, kommt aber nicht von ungefähr. Denn Zug kann man sich fast nicht mehr leisten. Die Mietpreise sind unglaublich. Langfristig werden wohl auch wir es uns nicht mehr leisten können, hier zu leben. Dann geht’s wahrscheinlich ab nach Bern.

Philipp Rhyner: Mein Vater sagte jüngst zu mir: Wenn du in der Schweiz heute noch Punk machen möchtest, dann in Zug. Da muss ich ihm Recht geben. Gerade das Zuger Establishment würde einen grossen Nährboden für Subversives bieten.

Die halbe Band am Vierwaldstättersee: Muriel und Philipp Rhyner von den Delilahs.

Die halbe Band am Vierwaldstättersee: Muriel und Philipp Rhyner von den Delilahs.

(Bild: pbu)

zentralplus: Ihr seid alle um die 30 Jahre alt. Zeit, um sesshaft zu werden?

Muriel Rhyner: Wir gönnen uns vermehrt eine Band-freie Zeit beziehungsweise eine Gig-freie Zeit. Wir waren über die Sommermonate bisher immer auf Tour, dieses Jahr erstmals nicht. Nicht, weil wir müde wären oder keine Lust mehr hätten. Es hat sich einfach so ergeben, weil ein Bandmitglied über den Sommer für längere Zeit auf Reisen gehen wird.

zentralplus: Gibts die Delilahs auch mal auf Deutsch?

Muriel Rhyner: Nein, definitiv nicht. Delilahs sind weder Hoch- noch Schweizerdeutsch. Schon von Anfang an wollten wir uns international ausrichten. Dann singe ich noch eher was auf Italienisch. Ich wollte eigentlich schon immer mal einen italienischen Song machen. Um den Alpengraben zwischen der Deutschschweiz und dem Tessin etwas zu verringern.

zentralplus: Welche Klischees erfüllt ihr?

Philipp Rhyner: Ich denke nicht, dass wir irgendwelchen Klischees entsprechen. Vielleicht sind wir, wenn wir auf Tour sind, für die Deutschen klischeehafte Schweizer. Weil wir stets pünktlich und genau sind. Teilweise wurden wir schon schräg angeschaut, als wir vor dem Konzert noch einen Soundcheck machen wollten.

Muriel Rhyner: Ich erfülle ein Musikerklischee: Ich stehe morgens nicht gerne früh auf.

(Bild: PD)

zentralplus: Was darf man von eurem Geburtstagskonzert in der Schüür erwarten?

Muriel Rhyner: Zu sehen und zu hören gibt’s dort die Ur-Formationen der Delilahs mit Ur-Songs. Es wird viel Nostalgie dabei sein. Und es wird emotional werden. Alle Weggefährten werden dabei sein. Es gibt Videoaufnahmen und Clips. Wir werden uns selbst und all jene feiern, die uns über die Jahre begleitet haben.

zentralplus: Und was bringt die Zukunft?

Muriel Rhyner: Ich habe mir immer gewünscht, eine rockende Oma zu werden. Lacht. Dann hätte ich gerne noch ein Museum und einen Kinofilm. Am liebsten einen B-Movie. Nein, Spass beiseite. Wir bleiben auf jeden Fall rockig. Wir haben die Energie, um weiterzumachen. Ein neues Album ist in Planung und wird voraussichtlich 2017 rauskommen. Jetzt geht es aber erst mal auf Deutschland-Tour. Und dann feiern wir in der Schüür.

Nachfolgend ein kleiner Vorgeschmack: Das Video zur aktuellen Single «Flesh & Bood».

Sie mögen, was wir schreiben? Dann teilen Sie diesen Beitrag doch auf Facebook. Das freut Ihre Freunde und hilft uns, bekannter zu werden!

Deine Ideefür das Community-Voting

Die Redaktion sichtet die Ideen regelmässig und erstellt daraus monatliche Votings. Mehr zu unseren Regeln, wenn du dich an unseren Redaktionstisch setzt.

Deine Meinung ist gefragt
Deine E-Mailadresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert. Bitte beachte unsere Netiquette.
Zeichenanzahl: 0 / 1500.


0 Kommentare
    Apple Store IconGoogle Play Store Icon