Zuger trotzen der Pandemie

Wenn die Weltreise zum siebenmonatigen Kirgistanaufenthalt mutiert

Patrick Hegglin und Rebecca Strickler suchten vor zwei Jahren das Weite. Trotz Corona geht die Reise weiter. (Bild: zvg)

Es sollte das Abenteuer ihres Lebens werden. Im Juni 2019 fuhren eine Neuheimerin und ein Menzinger mit einem alten Saurer-Lastwagen los, um eine Weltreise zu machen. Corona zwang die Beiden zu einer längeren Reisepause. Doch sie lassen sich nicht unterkriegen. Im Gegenteil.

Rebecca Strickler und Patrick Hegglin sind vor genau zwei Jahren mit einem alten Saurer-Lastwagen auf eine Weltreise aufgebrochen. Immer in Richtung Osten, vielleicht bis nach Australien, so das vage Ziel, das sich die beiden Zuger vornahmen. Wie lange sie unterwegs sein würden, stand in den Sternen (zentralplus berichtete).

Die Beiden reisten durch unzählige Länder. Zunächst über Griechenland, weiter via Türkei nach Georgien. Zuletzt, als das Virus begann, die ganze Welt lahmzulegen, landeten sie in Kirgistan. Das Paar reiste im Januar 2020 zurück in die Schweiz. Ein Boxenstopp. Geplant war, sich drei Monate später wieder auf die Socken zu machen. «Es wurden jedoch fast acht Monate daraus», erzählt die Bäcker-Konditorin. Während Hegglin als Lastwagenfahrer arbeitete, ging sie in dieser Zeit allen Gelegenheitsjobs nach, die sie ergattern konnte. «Sonst wäre die Zeit wohl ziemlich öde geworden.»

«Wir verbrachten gleich viel Zeit in einem einzigen Land wie davor in 17 verschiedenen.»

Rebecca Strickler

«Am Anfang der Pandemie im letzten März stand es zur Debatte, ob wir vor dem Lockdown noch zurückfliegen in den Osten. Wir entschieden uns dagegen», sagt der 27-Jährige. Das Bauchgefühl war den beiden wohlgesinnt. Kurz darauf wurde in Kirgistan ein harter Lockdown verhängt. Die Leute durften sich kaum im öffentlichen Raum bewegen.

«Darum war es ganz in Ordnung, hier zu sein. So konnten wir unsere Freunde zumindest wiedersehen. Das Einzige, was uns fehlte, waren unsere Sportgeräte. Die befanden sich im Saurer, den wir während dieser Monate in Bischkek untergestellt hatten», sagt Strickler.

Pandemie? Kein Grund, die Reise abzublasen

Ihre Weltreise aufgrund der Pandemie zu beenden, war für Strickler und Hegglin kein Thema. Sie reisten im letzten Herbst zurück nach Kirgistan. Ihr Plan: sich mit dem Saurer-Lastwagen über die nördlichen Länder auf den Weg in Richtung Heimat zu begeben. «Bloss waren da die Grenzen alle noch zu. Einige sind es auch heute noch. Darum verbrachten wir die Zeit seit letztem Herbst – mit Ausnahme eines Monats, den wir in Usbekistan verbrachten – nur in Kirgistan», so Strickler.

«Es ist eigentlich lustig. Wir verbrachten gleich viel Zeit in einem einzigen Land wie davor in 17 verschiedenen. Die Art, wie wir reisten, hat sich aufgrund von Corona sehr verändert», sagt Hegglin.

Auch wenn das zügige Reisen – mit dem Saurer ist das Tempo zwar grundsätzlich gemächlich – seinen Reiz hat, genossen die beiden Zuger die Zeit in Kirgistan. «Bekanntschaften, die während des Reisens entstehen, bleiben meist oberflächlich. Wir hatten nun das Glück, sehr viele sehr coole Freundschaften zu knüpfen und zu vertiefen. So trafen wir im Winter Leute während unserer Skitouren in den Bergen, die wir nun, im Sommer, im Wakeboard-Park in Bischkek wiedersehen.»

Russisch lernen, Wakeboarden und Hochtouren

Womit wir bei der Frage wären, was man sieben Monate lang in Kirgistan macht. Biken, Klettern und Hochtouren, so die Antwort der beiden. Tatsächlich finden sich auf dem Instagram-Profil «Weltumsaurerung», den die beiden seit Beginn der Reise rege betreiben, jene Menge atemberaubende Bilder.

«Nicht umsonst nennt man Kirgistan die Schweiz von Zentralasien. Das Land ist ein Naturparadies», sagt die 26-Jährige. Ausserdem haben die Beiden in zehn Lektionen gerade so viel Russisch gelernt, «dass es für Smalltalk reicht. Damit kommt man recht weit, denn die Gespräche, die wir führen, drehen sich häufig um dieselben Themen: Woher wir kommen, was wir in der Gegend machen und natürlich auch um unser auffälliges Gefährt.»

«Auch wenn es möglich gewesen wäre, in Afghanistan einzureisen, haben wir uns dagegen entschieden.»

Patrick Hegglin

Dieses hat den Globetrottern bis jetzt einen treuen Dienst erwiesen. Die eine oder andere Panne habe man zwar bereits gehabt. Doch da es sich um ein altes Gefährt handle, bei dem die Abläufe primär mechanischer Natur seien, sei auch die Reparatur nicht allzu schwierig. Jedenfalls nicht, wenn man Lastwagenmechaniker ist und die nötigen Ersatzteile dabei hat.

Ein Stausee in Kirgistan, davor das auffällige Saurer-Mobil. (Bild: zvg)

Unvoreingenommen sei man die Reise 2019 angetreten. Eine Einstellung, die sich bewährt habe. «Im Voraus warnten uns viele Leute vor bestimmten Regionen. Und als wir diese Regionen durchquerten, warnten uns die dortigen Einwohner vor der Reise durch das nächste Land, und so weiter. Nie haben wir jedoch schlechte Erfahrungen gemacht», sagt Strickler schmunzelnd. Im Zweifelsfall entscheidet das Bauchgefühl. Hegglin sagt: «Vor einigen Monaten befanden wir uns in Usbekistan nahe der afghanischen Grenze. Auch wenn es möglich gewesen wäre, ins Land einzureisen, haben wir uns dagegen entschieden.»

Krach hatten die beiden auf der Reise nur wenig, trotz engem Wohnraum und oft tagelanger Zweisamkeit. «Was sicher hilft, ist, dass wir dieselben Hobbys haben. Wir stritten uns demnach nie über die Frage, was wir unternehmen wollen. Eher gab es ab und zu Diskussionen darüber, wie weit wir noch fahren wollen und ob sich die Fahrt zu bestimmten Sehenswürdigkeit lohnen werde», so Strickler.

Aktuell sind Patrick Hegglin und Rebecca Strickler wieder zu Hause in der Schweiz. Allerdings handelt es sich erneut um einen Boxenstopp. «Wir müssen uns Ersatzteile für den Saurer und für unsere Bikes besorgen, die es in Kirgistan nicht gibt. Ausserdem brauchen wir eine neue Festplatte.» Am kommenden Montag fliegt das Paar wieder in Richtung Osten.

Doch wie geht’s dort weiter? Die beiden schauen sich an. «Das ist die Frage», sagt Strickler. «Das kommt sehr darauf an, welche Grenzen offen haben. Eigentlich wollten wir über Tadschikistan über Usbekistan bis nach Kasachstan und dann nach Hause», sagt sie.

Gerne würden die Beiden über Russland reisen, doch «dort ist die Lage noch unklar. Aktuell darf man aufgrund der Pandemie zwar per Flugzeug einreisen, nicht jedoch auf dem Landweg.» Ob man eine Grenze passieren dürfe oder nicht, sei etwas Glückssache, so das Paar. «Manchmal sagen die Behörden Nein, den Zöllnern ists jedoch egal. Darum lohnt es sich, es einfach zu versuchen», sagt Hegglin.  

Egal, welchen Weg die beiden einschlagen: Die Freude, bald wieder aufs mobile Leben umsatteln zu können, ist gross. Ob die beiden etwa zu Auswanderern werden? «Nein. Uns beiden war vor der Reise bereits klar, dass wir nun ungefähr zwei Jahre unterwegs sind, nachher jedoch wieder zurückkommen und wieder ins Arbeitsleben einsteigen», so Strickler.

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