«Gott des Gemetzels» im Burgbachkeller Zug

Wenn die Maske der Zivilisation fällt

Véronique (Claudia von Grünigen) verliert die Fassung und schlägt auf ihren Mann Michel (Hansjörg Lutz) ein.

(Bild: Caroline Gerber)

Was als vernünftiges und klärendes Gespräch gedacht ist, eskaliert bald in zornigem Gemetzel. Es wird geschrien, geschlagen, gekotzt und man ist froh, wenn es nach knapp anderthalb Stunden endlich vorbei ist.

Mit «Gott des Gemetzels» hat sich die Regisseurin Caroline Gerber mit ihrem Theater Touché dieses Mal eine rabenschwarze Komödie ausgesucht. Das Theaterstück von Yasmina Reza gehört zu den erfolgreichsten Stücken der letzten Jahrzehnte und wurde im Jahr 2011 von Roman Polanski verfilmt. Der Plot ist scheinbar simpel: Nachdem Ferdinand seinen Schulkameraden Bruno auf dem Schulhof verprügelt und diesem zwei Schneidezähne herausgeschlagen hat, finden sich die Eltern zu einem klärenden Gespräch zusammen.

Da die Schulhofschlägerei kein Teil des Stücks ist, hat sich Gerber dieser Szene in Zusammenarbeit mit der 2. Oberstufe in Walchwil im Rahmen eines Filmprojekts angenommen. Die Filmaufnahmen wurden vor und nach der eigentlichen Inszenierung im Foyer des Burgbachkellers gezeigt. Was als tolle Umrahmung des Stücks gedacht war, ging leider aufgrund der zahlreichen Zuschauer und der schlechten Sichtbarkeit etwas unter.

Hochgeschaukelt auf jeder Ebene

Von der ersten bis zur letzten Szene spielt das Stück im Wohnzimmer von Brunos Eltern, dem Eisenwarenhändler Michel (Hansjörg Lutz) und der Schriftstellerin Véronique (Claudia von Grünigen). Das scheinbar harmonisch eingespielte Ehepaar, das mit schönen Tulpen und feinem Kuchen ihre höfliche Gastfreundschaft heuchlerisch zu inszenieren versucht, entpuppt sich nach und nach als hasserfülltes und unglückliches Paar.

Doch ihre Gäste sind kein Stück besser. Ferdinands Eltern Alain (Klaus Holtzhauer), zynischer und gewissenloser Jurist bei einer Pharmafirma, und seine Frau Annette (Nicole Osterwalder), nervöse Vermögensberaterin, versuchen mit liebevollen Kosenamen und eloquentem Geplänkel ebenfalls eine Fassade aufrechtzuerhalten, die jedoch immer mehr zerfällt.

Gerber gelingt es hervorragend, die Stimmung auf unterschiedlichen Ebenen hochschaukeln zu lassen. Die Holzwippe auf der Bühne, das Sprachspiel zwischen Mundart und Hochdeutsch sowie die musikalische Begleitung von Vicky Papailiout tragen ihren Teil dazu bei. Auch das ständige Handyklingeln und Telefonieren des geschäftigen Alain sorgt für die nötige Nervosität.

Annette (Nicole Osterwalder) betrunken auf der Holzwippe.

Annette (Nicole Osterwalder) betrunken auf der Holzwippe.

(Bild: Caroline Gerber)

Von Moralpredigern, Weltbürgern und Cholerikern

Alle vier hadern mit sich und der Welt. Annette, die es satt hat, sich alleine um den Haushalt und die Kinder zu kümmern, steigert sich so in ihre Wut und Aggression, bis sie sich über die Bücher von Véronique übergibt. Das lässt die sonst so tadellose Moralpredigerin und Weltbürgerin Véronique komplett ausrasten. Mit Föhn und Parfum versucht sie den Schaden zu beheben. Doch auch deren Mann Michel verliert die Fassung und zeigt sich als heilloser Choleriker. «Das sind wir doch alle», sagt da Alain, der praktisch als Einziger von Beginn weg seinen Glauben an den «Gott des Gemetzels» nicht verleugnet.

Die ständigen Wortgefechte, bissigen Sticheleien und Vorwürfe führen immer wieder zu neuen Konstellationen und Paarbildungen, auch zwischen den Eheleuten. Alle vier Protagonisten spielen ihre Rollen vortrefflich. Keiner sticht besonders hervor, alle sind sie ausdrucksstark, sehr präsent und scharfzüngig.

Froh, dass es vorbei ist

Die hohe Pointendichte und das schnelle Tempo sorgen dafür, dass man kaum zum Atmen kommt. Die hysterischen Diskussionen, das ständige Handyklingeln und der starke Parfumgeruch schaffen es, das Publikum in die Szenerie miteinzubeziehen. Man sehnt sich dem Ende entgegen und ist froh, als es endlich vorbei ist. Ein Zeichen dafür, dass es Caroline Gerber bestens gelungen ist, das Stück lebendig zu inszenieren und die Stimmung ins Publikum zu bringen. Eine tolle Gesellschaftssatire, die uns eindrücklich vor Augen führt, wer sich hinter der zivilisierten gutbürgerlichen Fassade eigentlich versteckt: unreife Erwachsene, die sich aufführen wie Kinder und nur austeilen und nicht einstecken können. Ob wir auch so sind?

Das Theater touché-Team, v.l.: Caroline Gerber, Vicky Papailiout, Hansjörg Lutz, Benjamin Mueller, Nicole Osterwalder, Klaus Holtzhauer, Claudia von Grünigen

Das Team Theater touché, v. l.: Caroline Gerber, Vicky Papailiout, Hansjörg Lutz, Benjamin Mueller, Nicole Osterwalder, Klaus Holtzhauer, Claudia von Grünigen

(Bild: Caroline Gerber)

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