Harter Kampf im Detailhandel

Wenn der Konkurrent vor der eigenen Haustüre wirbt

Der Pilatusmarkt in Kriens macht im Jahr 183 Millionen Franken Umsatz und ist damit das drittgrösste Einkaufszentrum im Kanton Luzern. (Bild: mag)

Überflüssig sei das neue Shoppingcenter in Ebikon, die Mall of Switzerland. Das Projekt «Grössenwahnsinn pur». Auffallend ist, dass bereits drei Jahre vor der geplanten Eröffnung der Kampf um Kunden im Zentralschweizer Detailhandel gross ist. zentral+ zeigt anhand zweier Beispiele, wie prekär die Lage ist.

«Ein überflüssiges Shoppingcenter», titelte der Tages-Anzeiger. Und Philipp Federer schreibt im PolitBlog auf zentral+, die «Mall of Switzerland» sei «Grössenwahnsinn pur». Der mit viel Pomp inszenierte Baustart rückte das gigantische Projekt wieder ins Scheinwerferlicht – und provoziert kritische Stimmen: Leser sprechen in ihren Kommentaren von «Einkaufsgier», «totalem Unsinn» und zukünftigen «Geister-Malls».

Dazu kommt die Kampfansage von Markus Mettler, CEO der Halter AG. Das Zürcher Unternehmen realisiert das neue Einkaufszentrum mit dem Geld ausländischer Investoren – Petrodollars aus Abu Dhabi. Das Shoppingcenter wird nicht nur über 140 Geschäfte, sondern auch 12 Kinosäle sowie Angebote im Fitness-, Wellness- und Spa-Bereich verfügen. «Wir wollen auch ein beträchtliches Stück vom Kuchen», äusserte sich Mettler gegenüber der «Neuen Luzerner Zeitung».

Detailhandelsexperte Thomas Hochreutener sagt auf Anfrage: «Das Bauvorhaben in Ebikon verschärft den Verdrängungskampf ohne Zweifel heftig.» Die Frage, ob es die Mall überhaupt brauche, sei «berechtigt», denn «der Markt ist zweifellos übersättig». Gemäss Hochreutener muss ein Shoppingcenter in der Grösse der Mall of Switzerland pro Jahr einen Umsatz von 300 bis 400 Millionen Franken machen – also rund eine Million an einem Verkaufstag. «Eine Million Franken, die in anderen Einkaufszentren und Läden fehlen wird.»

Vom Aargau bis nach Uri

Für Shoppingcenter ist erstens die Grösse der Einzugsgebiete entscheidend. Dasjenige des «Emmen Center» zum Beispiel ist weit ausgedehnt. Es erstreckt sich bis in die Kantone Aargau und Uri, sagt Direktor Roland Jungo. Klar, dass es bei dieser Reichweite zu Überschneidungen mit anderen grossen Einkaufszentren der Zentralschweiz kommt. Beispiele dafür wären der «Surseepark», der «Länderpark» in Stans oder das Einkaufszentrum Zugerland in Steinhausen.

Thomas Hochreutener sagt dazu: «Bei den Shoppingzentren gibt es meistens drei Einzugsgebiete. Das erste ist das Kerneinzugsgebiet im Bereich einer Fahrzeit von zehn Minuten, das zweite das Kerngebiet mit 15 oder 20 Minuten Fahrzeit und das dritte das erweiterte Einzugsgebiet.» Dies sei je nach Einkaufszentrum verschieden und hänge sehr stark vom Standort und der Wettbewerbssituation ab.

Grosse Einzugsgebiete führen zweitens dazu, dass der Kampf um Kunden auch auf dem Werbemarkt ausgetragen wird. Die vom Emmen Center und dem Pilatusmarkt geschaltete Werbung ist dabei nicht auf den Grossraum Luzern begrenzt. Aufgrund der grossen Einzugsgebiete betreiben die Einkaufszentren auch in weiter entfernten Regionen Werbung – und damit auch in den Kerngebieten anderer Zentren.

Das Emmen Center zum Beispiel bedient zurzeit laut dessen Direktor Roland Jungo alle Werbekanäle gleichzeitig. Zu Plakaten kommt Werbung im Print, bei Radiostationen, im öffentlichen Verkehr, im Fernsehen und auf Socialmedia-Plattformen. Der Pilatusmarkt verfolgt eine ähnliche Strategie. Geschäftsleiter René Bieri sagt, auch das Einkaufszentrum in Kriens bediene derzeit alle Werbekanäle. Der Schwerpunkt liege aktuell bei Radio und Internet. Im Herbst werde ein TV-Spot folgen. Auch in den Kantonen Uri, Ob- und Nidwalden macht der Pilatusmarkt Werbung für sein Shoppingcenter.

«Länderpark» wirbt im Raum Luzern angriffig

Dazu ein aktuelles Beispiel, wie sich die Shoppingcenter gegenseitig Kunden abjagen: In der Mai-Ausgabe der Emmenmail, eine in alle Emmer Haushaltungen zugestellte Publikation der Gemeinde, wirbt das Einkaufszentrum Länderpark in Stans auf einer halben Seite – und streicht seinen grössten Vorteil deutlich hervor. Der Länderpark hat unter der Woche bis 20 Uhr und am Samstag bis um 18 Uhr geöffnet. Damit können Einkaufszentren im Raum Luzern aufgrund der gesetzlich zulässigen Öffnungszeiten nicht mithalten.

«Die restriktiven Öffnungszeiten sind für uns ein enormer Marktnachteil»

René Bieri, Geschäftsleiter Pilatusmarkt

«Die restriktiven Öffnungszeiten sind für uns ein enormer Marktnachteil», sagt René Bieri, Leiter des Einkaufszentrums Pilatusmarkt in Kriens. Das zeigt sich ganz offensichtlich an einem beliebigen späten Samstagnachmittag im Parkhaus des Länderparks. Neben Autokennzeichen aus dem Kanton Nidwalden sind zahlreiche Luzerner Nummernschilder präsent. «Der Länderpark erzielt seine besten Stundenumsätze am Samstag zwischen 16 und 18 Uhr. Also dann, wenn die Luzerner Geschäfte geschlossen sind», sagt dazu Detailhandelsexperte Hochreutener.

Erbitterter Kampf um Kunden

Auf Nachfrage relativieren sowohl die Genossenschaft Migros Luzern, Besitzerin des Länderparks in Stans, als auch die Geschäftsführer des Emmen Centers und des Pilatusmarkts den harten Kampf um Kunden der Detailhändler in der Zentralschweiz und geben sich betont gelassen.

Die Anzeige im Emmenmail könne nicht als Frontalangriff auf das Emmen Center angesehen werden, sagt Rahel Probst, Leiterin Unternehmenskommunikation der Genossenschaft Migros Luzern. Sie fügt an: «Das Emmen Center ist doch um einiges grösser als der Länderpark.» Sie erklärt aber: «Wir haben festgestellt, dass wir im Raum Luzern inklusive Agglomeration für den Länderpark noch Potential haben», und meint fast schon entschuldigend, die Herausgeberin der Emmenmail, die Gemeindeverwaltung Emmen, sei mit dem Inserateangebot auf die Migros Luzern zugekommen.

Auch René Bieri vom Pilatusmarkt nennt ein Beispiel dafür, wie Einkaufszentren Werbung machen. Wiederum steht der Länderpark im Fokus. Dieser hat Werbung auf Bussen der Linie 14 der Luzerner Verkehrsbetriebe (vbl) geschaltet, die unter anderem zwischen dem Bahnhof Luzern und dem Pilatusmarkt verkehren. Tatsächlich wirbt der Länderpark auf der Bus-Rückseite mit den längeren Öffnungszeiten. Dazu kommen Plakate, die an Zufahrtsstrassen zum Pilatusmarkt angebracht sind.

Bei der Migros Luzern heisst es dazu, auch im Raum Luzern, in Horw und in Kriens sei schon Werbung für den Länderpark geschaltet worden. Das werde auch in Zukunft weiter der Fall sein, «immer unter der Voraussetzung, dass es Sinn macht und das Einzugsgebiet vom Länderpark betrifft», so Rahel Probst.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, ob die Konkurrenzsituation herunter gespielt wird und welche Stimmung unter den Center-Leitungen herrscht.

Das Schönbühl-Center in der Stadt Luzern gehört mit einem Umsatz von 54 Millionen Franken zu den kleinen Einkaufszentren. (mag)

Das Schönbühl-Center in der Stadt Luzern gehört mit einem Umsatz von 54 Millionen Franken zu den kleinen Einkaufszentren. (mag)

(Bild: mag)

Wird die Konkurrenzsituation herunter gespielt?

Ganz offensichtlich wollen sich die Einkaufszentren gegenseitig nicht auf die Füsse treten und spielen die Konkurrenzsituation herunter (siehe folgende Tabelle). Dass sich der Verteilkampf mit der Eröffnung des neuen Shoppingcenter in Ebikon im Herbst 2017 aber noch einmal verschärfen wird, ist trotzdem unbestritten. Ob die Einkaufszentren dieser Situation etwas blauäugig entgegen sehen, dazu will Detailhandelsexperte Hochreutener keinen Kommentar abgeben.

Das «Überangebot» auf einen Blick

Im Grossraum Luzern bestehen zurzeit 5 Einkaufszentren. Mitgezählt sind auch kleinere wie das Löwencenter und das Schönbühl-Center in der Stadt Luzern und das Schappe-Center in Kriens. Im näheren Einzugsgebiet kommen der «Länderpark» in Stans, der «Surseepark» und das Einkaufszentrum Zugerland in Steinhausen dazu. Ebenfalls in Reichweite befinden sich das «Walige-Shopping» in Rothenburg, das «Neudorf Center» in Cham, die Einkaufs-Allee Metalli, das Einkaufszentrum Herti und die «Neustadt-Passage» in der Stadt Zug sowie das «Oberdorf Center» in Baar. Die Distanz zwischen dem Länderpark in Stans und der Mall of Switzerland in Ebikon wird gemessen am Weg über die Autobahn rund 23 Kilometer betragen. Die Strecke wäre mit dem Auto ohne Stau in zwanzig Minuten zurückzulegen. (Quelle: Websites der Einkaufszentren, GfK-Bericht «Detailhandel Schweiz 2013»)

NameOrtAnzahl GeschäfteVerkaufsfläche in QuadratmeternUmsatz 2012 in Mio. Franken
Emmen CenterEmmenbrücke9430’000255
LänderparkStans5219’400163
Mall of SwitzerlandEbikon59 (140 geplant)46’000300 – 400
MetalliZugetwa 6014’000157
PilatusmarktKriens4421’500183
Schönbühl-CenterLuzern26

6’700

54
SurseeparkSursee4619’500199
ZugerlandSteinhausen4522’100216

Stimmung unter den Centerleitungen «keinesfalls schlecht»

Wer nun denkt, der Kampf um Kundschaft habe einen negativen Einfluss auf die Stimmung unter den Centerleitungen, der liegt falsch. «Die Stimmung unter jenen Personen, die die Einkaufszentren führen, ist nicht angespannt. Wir verstehen uns gut», sagt René Bieri. Es finde sogar ein Austausch statt: «Wir müssen Schnittstellen wie Feiertage gemeinsam angehen.» Roland Jungo vom Emmen Center spricht seinerseits von einem «sehr regelmässigen Austausch». Wenn es ums Geschäft gehe, dann seien aber alle «klare Konkurrenten», meint Pilatusmarkt-Leiter Bieri.

«Der Detailhandel ist ein gesättigter Markt. Der Preiskampf tobt an vielen Fronten.»

Roland Jungo, Direktor Emmen Center

«Der Detailhandel ist ein gesättigter Markt. Der Preiskampf tobt an vielen Fronten», sagt Roland Jungo. Der Druck auf die Produktpreise sei gestiegen. Davon hätten die Kunden wiederum profitiert, denn: «Die Preise sind gepurzelt. Nun ist die Talsohle aber bei vielen Produkten erreicht.»

Mall of Switzerland verschärft Konkurrenzkampf

Und nun kommt noch die neue Mall of Switzerland dazu. Sie soll alle in der Region bestehenden Einkaufszentren in den Schatten stellen. Mehr Geschäfte, mehr Verkaufsfläche, mehr Attraktionen. Ein neues Shoppingcenter für einen gesättigten Markt? Das Projekt sorgt wie beschrieben für Unverständnis und kritische Kommentare.

Dennoch gibt es einen guten, einfachen Grund, Geld auf diese Weise zu investieren. «Das Kapital ist vorhanden. Bei neuen Liegenschaften und für Mieter wie Detailhändler sind noch Renditen zu holen», sagt Heinz Bossert. Er präsidiert den Detaillistenverband des Kantons Luzern, der die KMU’s vertritt.

Lange werden diese Renditen aber wohl nicht mehr zu holen sein. Denn die Kleider-, Schuh- und Elektronikgeschäfte, Bäckereien, Kosmetik- und Brillenläden sowie Apotheken werden die hohen Mieten bei sinkender Kundenfrequenz und damit sinkendem Umsatz schon bald nicht mehr bezahlen können. Deshalb räumte vor einem Jahr zum Beispiel Vögele sein Verkaufsgeschäft im Pilatusmarkt.

René Bieri, Geschäftsleiter des Pilatusmarkt, sagt generell: «Die Mieten können dann zu hoch sein, wenn mögliche Mieter oder Geschäfte aufgrund ihrer verfehlten Strategie nicht auf die Kundenwünsche eingehen und das Verhältnis zwischen Miete und Umsatz nicht mehr stimmt.» Das nachfolgende Kleidergeschäft erziele nun fast den doppelten Umsatz.

Ladenmix entscheidend

Derweil zeigt der wachsende Mieterspiegel bei der Mall of Switzerland, dass Verkaufsflächen in Einkaufszentren dennoch beliebt sind und hohe Umsätze versprechen. Neue Mieter entschieden heute sehr sachlich: Attraktivität des Centers, Anbindung an ÖV und Strasse sowie Entwicklungspotential im Einzugsgebiet. «Bei uns wird unter anderem Vero Moda im Spätsommer neu eröffnen», sagt Bieri.

Neben der verkehrstechnischen Erschliessung, Restaurants, der Atmosphäre und ergänzenden Dienstleistungen ist der Ladenmix für die Attraktivität eines Shoppingcenters entscheidend, sagt Roland Jungo vom Emmen Center und fügt an: «Die Eröffnung der Mall of Switzerland wird zu einer neuen Aufteilung der Marktanteile in der Zentralschweiz führen.»

Wird ein Center schliessen müssen?

Ob das schliesslich dazu führt, dass ein Einkaufszentrum dicht machen muss, dazu will sich niemand äussern. Es gibt gewisse Befürchtungen, ja. Roland Jungo vom Emmen Center sagt aber: «Ich möchte mich nicht auf eine Prognose einlassen. Es wird sicher eine spannende Zeit.» Rahel Probst, Leiterin Unternehmenskommunikation der Genossenschaft Migros Luzern, sagt: «Wir gehen davon aus, dass es den Länderpark nur am Rande tangieren wird.» Und René Bieri, Geschäftsführer des Pilatusmarkts, rechnet in den ersten sechs bis zehn Monaten mit Umsatzeinbussen von zwei bis fünf Prozent. Da im Einzugsgebiet vom Pilatusmarkt im Gebiet Luzern Süd in den nächsten Jahren eine Vielzahl von neuen Wohnungen und Arbeitsplätzen entstehen werden, rechnet Bieri aber damit, dass der Pilatusmarkt die Einbussen kompensieren kann.

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