Musikfestivals im Existenzkampf

Wenn das Wetter Löcher ins Portemonnaie regnet

Seit zehn Jahren nun findet auf dem Krienser Sonnenberg das B-Sides Festival statt. (Bild: Emanuel Ammon/AURA)

Festivals sind diversen Risiken ausgesetzt. Insbsondere schlechtes Wetter kann den Veranstaltern die Rechnung vermiesen. Doch über Erfolg und Misserfolg entscheiden weitere Faktoren. zentral+ analysiert die Zentralschweizer Festivals.

Die Schweiz hat die höchste Konzertdichte der Welt. Insbesondere in punkto Open-Airs wird eine enorme Vielfalt geboten. Das führt zu einem harten Konkurrenzkampf zwischen den verschiedenen Veranstaltern.

Dieser Wettstreit um Künstler und Fans hat schon so manchem Open-Air das Genick gebrochen. So etwa musste das Open-Air Ebikon bereits vor der ersten Ausführung kurzfristig wieder abgesagt werden. Und auch das während all der Jahre stark gewachsene Open-Air «Soundcheck» in Sempach-Neuenkirch musste vor drei Jahren das Gelände räumen. Was also ist schiefgelaufen? Und was machen andere Veranstalter besser?

Von 300 auf 7’000 Besucher

Es war für Luzerner quasi Tradition, die Open-Air-Saison jeweils mit dem Besuch des «Soundcheck» einzuläuten. Zu Beginn war es ein kleines, aber feines Festival, das 1999 mit 300 Besuchern auf dem Neuenkircher Dorfplatz startete. In den Jahren 2010/11 mauserte sich das Open-Air zu einem der grössten Festivals in der Zentralschweiz, das mit internationalen Grössen wie Razorlight, Max Romeo, Apocaplyptica oder Samy Deluxe auffuhr.

«2010 kamen rund 7’000 Festivalgänger. Zwei Jahre später waren es nur noch 4’500 Besucher.»

Jonas Stalder, Vorstandsmitglied Verein Jugendaktiv

Eine Erfolgsgeschichte, die im Jahr 2013 jäh ein Ende fand. Damals teilte der Verein «Jugendaktiv», der für die Durchführung des Open-Airs zuständig war, mit, dass der «Soundcheck» 2012 voraussichtlich die letzte Ausgabe des Festivals war. «Zu diesem Schritt hatten uns damals mehrere Faktoren bewogen», erklärt Jonas Stalder, Vorstandsmitglied des Vereins Jugendaktiv. «Denn das Jahr 2012 lief finanziell sehr schlecht.»

Im Vergleich zum Jahr 2010 seien massiv weniger Eintritte verzeichnet worden. «2010, als Culcha Candela am Open-Air auftrat, kamen rund 7’000 Festivalgänger. Zwei Jahre später waren es gerade mal noch 4’500 Besucher», so Stalder. Erwartet hätten die Veranstalter mindestens 6’000 Gäste. 2011 verlief zwar mit 6’100 Besuchern auch nicht optimal, lag aber noch im grünen Bereich, wie Stalder sagt.

Wetter machte Strich durch die Rechnung

Auch weitere Faktoren hätten zum Scheitern eines «Soundcheck» 2013 geführt: Einerseits habe 2012 das Wetter nicht mitgespielt. «Andererseits lief bereits das Booking sehr schleppend und nicht wie erwartet», so Stalder. «Das Risiko wäre schlicht zu gross gewesen, 2013 erneut einen ‹Soundcheck› auf die Beine zu stellen.» Die Frage, ob sich die Veranstalter mit den Künstlern etwas übernommen hätte, sagt Stalder: «Eine berechtigte Frage, die ich jedoch weder mit ja noch mit nein beantworten kann.»

Derzeit prägt der Verein Jugendaktiv das kulturelle Leben in Raum Sempach-Neuenkirch mit der Veranstaltungsreihe Déja-vu. «Nach zwei Jahren Pause haben wir diesen Anlass auf die Beine gestellt.» Dass es künftig nie mehr ein Open-Air in dieser Region geben werde, schliesst Jonas Stalder nicht aus. «Zwar ist kein neues Festival geplant. Ausschliessen möchte ich aber ein Wiederauferstehen des ‹Soundcheck› nicht.»

Absage vor der ersten Durchführung

Im gleichen Jahr musste das Ebikoner Open-Air eboFestival Forfait geben, bevor es überhaupt zum ersten Mal durchgeführt wurde. Aufgrund der finanziellen Lage musste im Juni das für August geplante Festival abgesagt werden. «Die Suche nach Sponsoren gestaltete sich trotz grosser Anstrengungen äusserst schwierig», teilte das OK damals mit. Es hätte das erste Open-Air im Raum Ebikon seit sieben Jahren werden sollen. Allerdings schlossen bereits damals die Veranstalter nicht aus, dass es künftig noch einmal einen Anlauf starten werde.

Lakeside: Regen sorgte für Defizit

Ebenfalls zu kämpfen haben die Verantwortlichen des Lakeside-Festivals. Die diesjährige Austragung mussten die Verantwortlichen absagen (zentral+ berichtete). Auch hier spielte, wie beim «Soundcheck», das Wetter nicht mit, was zu Einbussen führte. Während der vier Tage Open-Air im Jahr 2014 habe es bei gerade mal drei von 15 Bands nicht geregnet. «So hart traf es uns in den vergangenen 14 Jahren noch nie», sagte der Vorstandspräsident Raphael Adam gegenüber zentral+.

Das Resultat: «Die Besucherzahlen und dadurch auch der Umsatz am Festival fielen massiv unter den Erfahrungswerten aus, wodurch die Festivalrechnung mit einem Defizit von rund 75’000 Franken abgeschlossen wurde», so Adam. Somit wurde das Hergiswiler Festival zu einer einjährigen Zwangspause verdonnert. 2016 soll das Lakeside-Festival wieder stattfinden. Dazu muss zuerst aber noch das Loch im Portemonnaie der Vereinskasse gestopft werden.

«2016 werden wir sicher wieder am Start sein. Zwar etwas kleiner, dafür können wir so die Risiken minimieren.»

Raphael Adam, Vorstandspräsident Lakeside-Festival

«Wir sind zuversichtlich»

Und daran arbeitet das OK auf Hochtouren. Raphael Adam sagt auf Anfrage: «Das finanzielle Problem ist zwar noch nicht gelöst. Wir sind aber zuversichtlich.» Momentan seien insgesamt 17’000 Franken nötig, um noch offene Rechnungen zu bezahlen. «Dann sind wir auf null. Ein finanzielles Polster für die Ausgabe 2016 ist dann noch nicht vorhanden.»

Dazu veranstaltet das Lakeside am 20. Juni eine Benefiz-Party in der Schüür. Die Einnahmen kommen zur Deckung der offenen Rechnungen und der nächsten Ausgabe des Lakeside-Festivals zu Gute. Denn Adam ist sich sicher: «2016 werden wir sicher wieder am Start sein. Zwar etwas kleiner, dafür können wir so die Risiken minimieren.» Eine weitere Massnahme, um Geld zu generieren, ist bereits in den Startlöchern. Allzu viel will Raphael Adam aber noch nicht verraten. «In Kürze werden weitere Informationen unsererseits folgen.» Auf der Homepage wird jedenfalls schon preisgegeben, dass es sich um ein Crowdfunding handeln wird.

Besser hingegen läuft es beim Stadtluzerner Open-Air, dem B-Sides Festival, das jeweils auf dem Sonnenberg stattfindet. Dieses feiert heuer das Zehn-Jahr-Jubliäum und hat sich mittlerweile als überschaubares Festival mit musikalischen Leckerbissen etabliert. Bis dahin hätten die Veranstalter jedoch einen «langen Schnauf gebraucht», wie Marcel Bieri, Geschäftsleiter des B-Side-Festivals, auf Anfrage sagt.

«Der Platz ist gut und zentral»

«Ausschlaggebend ist bei uns, dass wir eine eingeschworene Truppe sind, welche ein gemeinsames Ziel verfolgt, Musik und andere Kunstformen abseits des Mainstreams zu fördern. So gut wie alle hatten bereits von Anfang an Veranstaltungserfahrung und es war uns bewusst, dass wir in dieser Masse von Festivals auf Dauer nur überleben können, wenn wir uns von den meisten anderen Festivals in vielen Belangen unterscheiden», so Bieri.

Dass das Wetter einem Open-Air so einiges versauen kann, dem stimmt auch Bieri zu. «Wenn es, wie beim Lakeside, kaum ein regenfreies Konzert gibt, dann hat man ein Problem.» Glücklicherweise sei das Wetter beim Festival auf dem Sonnenberg bis auf ein Jahr bisher nie wirklich schlecht gewesen. Allerdings habe die Location des B-Sides einen entscheidenden Vorteil: «Unser Platz ist sehr gut und zentral. Der Sickerboden sorgt dafür, dass der Boden bei Regen nicht zu einem Schlammplatz verkommt.»

«Das Lakeside sowie der ‹Soundcheck› glichen zuletzt einem grossen Festival.»

Marcel Bieri, Geschäftsleiter B-Sides Festival

Schlechtes Wetter kann jedoch kaum der einzige Grund für finanzielle Not sein? «Grosse Headliner sind schon immer ein Thema. Sobald man sich als Veranstalter in solche finanzielle Höhen begibt, wird es schwieriger. Das Risiko nimmt zu», so Bieri. Und der Auftritt einer international bekannten Band heisse noch lange nicht, dass auch viele Besucher kommen würden. «Die Konkurrenz schläft nicht und es besteht ein Überangebot. Und es ist gut möglich, dass ein Headliner, auch wegen der sinkenden Verkaufszahlen bei Tonträgern, schon zu oft in der Schweiz gespielt hat und so die Exklusivität fehlt.»

Bewusst auf teure Headliner verzichten

Bezüglich der Bands fokussiere sich das B-Sides hauptsächlich auf eine Nischensparte. Es wird bewusst auf teure Headliner verzichtet. «Das erlaubt uns unser Stammpublikum, mit dem wir bei jeder Ausgabe rechnen können», so der B-Sides-Geschäftsleiter. Schliesslich spiele laut Marcel Bieri der gesamte Aufbau eines Festivals eine Rolle: «Das ‹Soundcheck› zum Beispiel glich zuletzt wohl zu fest den grossen Festivals.»

Allem Anschein nach läuft es für die kleinen Festivals in der Zentralschweiz bedeutend besser. So ist das Open-Air Waldstock seit dessen Erstaustragung im Jahr 2001 ein fester Bestandteil der Zuger Festivalszene. Und es gibt auch immer wieder neue Veranstalter, welche die Innerschweiz um ein weiteres Festival bereichern wollen. So beispielsweise das Retrock-Festival in Ruswil, das im Juni bereits die zweite Ausgabe durchführt. Mit regionalen Bands und kleinem Publikum.

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