Grossaufmarsch im Luzerner KKL

Wenn 1’500 Kantischüler auf einen Starkomponisten treffen

Dirigent André de Ridder (links) und Komponist David Lang vor der Generalprobe mit den Kanti-Schülern.

(Bild: jwy)

Die Schüler der Kanti Alpenquai erleben gerade alles andere als normalen Schulalltag: Eine Uraufführung mit dem Sinfonieorchester im KKL steht an, dazu noch eine von David Lang, einem US-amerikanischen Pianisten und Star der zeitgenössischen Musik. zentralplus hat an der Generalprobe in Luzern den Puls gefühlt.

Gewusel hinter der Bühne des Konzertsaals: Es herrscht angespannte Vorfreude, Orchestermusiker machen sich bereit, das lokale Fernsehen und Radio sind hier, über 1’500 Schüler machen es sich auf den Rängen bequem. – Und mittendrin strahlt David Lang (61). Um den amerikanischen Star-Komponisten dreht sich hier alles. Mit einem breiten Grinsen steht er auf der Bühne, im Rücken das Orchester, vor ihm die Jugendlichen auf den Sitzreihen.

Es ist die Generalprobe am Mittwochmorgen, am Abend muss alles sitzen, wenn das erste von zwei Konzerten über die Bühne geht (siehe Box). Es ist der Höhepunkt des Jubiläumsjahres der Kanti Alpenquai. Seit 50 Jahren vermittelt das Gymi am heutigen Standort am See Wissen und ist inzwischen eine der grössten Mittelschulen des Landes.

Über 1’500 Schüler treten im weissen KKL-Saal auf. Zusammen mit dem Sinfonieorchester führen sie ein neues Werk des Pulitzerpreisträgers David Lang auf, das dieser extra für den Anlass geschrieben hat (zentralplus berichtete): «Harmony and Understanding for Orchestra and Audience».

Publikum wird zum Akteur

Es ist ein Werk, bei dem die Grenze zwischen Bühne und Zuschauerrängen verschwimmt. «Alle performen zusammen», kündigte Lang an. «Ein Konzert, in dem das Publikum zum Akteur wird, ist ein Experiment», so Kanti-Prorektor Stefan Graber, der für das Projekt verantwortlich ist.

Weil die Schülerschaft mitsamt Lehrpersonen alleine schon den Konzertsaal füllen würden – 1’800 an der Zahl –, wird das Werk zweimal aufgeführt: Am Mittwoch mit der einen Hälfte, am Donnerstag mit der zweiten. So hat’s Platz für das Publikum, und die Ränge werden durchmischt sein mit Zuhörern und performenden SchülerInnen.

Die Musiker des Sinfonieorchesters bereiten sich auf die Generalprobe im Konzertsaal vor.

Die Musiker des Sinfonieorchesters bereiten sich auf die Generalprobe im Konzertsaal vor.

(Bild: jwy)

«Es ist eine spannende Sache, wir haben es zwar schon geprobt, aber noch nie mit dem ganzen Orchester gehört», sagt Fiona Maissen, Schülerin der zweiten Kanti. Mitschülerin Liv Reber ergänzt: «Das ist auf jeden Fall etwas Neues für mich. Wir alle machen mit, wir alle sind das Orchester.»

Die Stimmung im Saal: Konzentriert, es wird getuschelt, Blicke wandern leicht nervös herum. Auf Zeichen des deutschen Dirigenten André de Ridder (45) wird es ruhig und die Konzentration ist jetzt ganz bei ihm. Auch er ist ein Grosser seines Fachs, hat er doch schon Orchester in London, Paris, Sydney oder Tokyo dirigiert und mit Popgrössen wie Brian Eno und Damon Albarn zusammengearbeitet.

Schwatzen im Konzertsaal

Und dann geht’s los: Im ersten Abschnitt des Werks («Wie im Wald») flüstern die Schüler durcheinander die Buchstaben des Alphabets. Sie rascheln mit den Notenblättern, ein kaum wahrnehmbarer Geräuschteppich im Saal.

Danach erzählen sich die Schüler gegenseitig ihre Geschichte mit «leiser und ruhiger Stimme». Fragen nach der frühesten Erinnerung, nach der glücklichsten Kindheitserinnerung und nach einem Erlebnis mit einem Menschen, der eine andere Sprache hat. Was hier so beläufig geschieht, ist alles Teil der Komposition von Lang.

Eindrücke von der Generalprobe im Video:

Spätestens jetzt wird der Raum gefüllt. Während auf der Bühne gleichzeitig die Orchestermusiker spielen, wird die Stimmung gelöster und die Schüler schwatzen vergnügt wie auf dem Pausenplatz. Nur ist das nicht zufällig, sondern vom Dirigenten so gewollt – und er fordert von den Schülern mehr Crescendo.

Der letzte Abschnitt heisst «Wie über ein Feld laufen». Dabei wird das Publikum zum Chor, der in der Weltsprache Esperanto Wörter und Wortketten zu «Harmony and Understanding» spricht.

Spezieller Moment für Schüler

«Die Kanti Alpenquai wagt das Experiment im Bewusstsein, dass sich darin eine zentrale Aufgabe gymnasialer Bildung manifestiert: der offene, neugierige Umgang mit Ungewohntem und Neuem», erklärt Stefan Graber. Auch für die Zuhörer, die sich mitten unter den Performenden finden, wird das eine unerwartete Erfahrung in diesem Saal, wo die Hierarchien zwischen Bühne und Rängen ansonsten klar geregelt sind.

Die Konzerte

Uraufführung «Harmony and Understanding for Orchestra and Audience» von David Lang: 14. und 15. März, 19.30 Uhr im KKL Luzern. Im zweiten Teil wird die Sinfonie Nr. 8 G-Dur von Antonín Dvořák aufgeführt. Mit dem Konzert ist auch eine ausführliche Jubiläumsschrift erhältlich.

Numa Bischof-Ullmann schliesslich, Intendant des Luzerner Sinfonieorchesters, ist ansteckend begeistert vom Projekt. Stolz sei er, dass sie David Lang und André de Ridder für das gemeinsame Projekt gewinnen konnten. «Die Schüler werden diesen Auftritt nie vergessen», ist er sicher.

Für David Lang sind die Konzerte schliesslich «a little Utopia». In dieser werde die Welt für kurze Zeit perfekt sein. Ein schöner Gedanke.

Nervös sind die Schülerinnen trotz hochtrabender Worte nicht, sie fühlen sich parat für die Riesenkiste. «David Lang war sehr offen bei den Proben, er hat gelacht und mitgeklatscht, es kommt einem gar nicht wie eine grosse Sache vor, sondern ziemlich locker», sagt Liv Reber. Und verschwindet wieder im Konzertsaal zur Probe.

Über 1'500 Kanti-Schüler sind am Projekt im KKL beteiligt, hier an der Generalprobe.

Über 1’500 Kanti-Schüler sind am Projekt im KKL beteiligt, hier an der Generalprobe.

(Bild: jwy)

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2 Kommentare
  • Profilfoto von Joëlle Niedermann
    Joëlle Niedermann, 14.03.2018, 19:57 Uhr

    Naja, da hat mir meine Schwester andere Sachen erzählt…

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    • Profilfoto von Jonas Wydler
      Jonas Wydler, 14.03.2018, 20:49 Uhr

      Bezüglich was denn?

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