Stadt Luzern: Grüne drohen mit Referendum

Wegen Millionenüberschuss – Linke wollen Abbau rückgängig machen

Vergebens protestierten Bürger 2015 gegen Sparmassnahmen der Stadt (Bilder links und rechts). Dass viele Budgets zu pessimistisch berechnet waren, sorgt für Misstöne.

(Bild: zentralplus)

Der Stadt Luzern gehts auch 2016 finanziell viel besser, als vom Stadtrat eingeschätzt. Das ärgert die Linke: Man habe deshalb unnötigerweise wichtige Leistungen abgebaut. Jetzt wollen sie Sparmassnahmen rückgängig machen. Die Grünen werden zur Not gar das Referendum ergreifen.

Dass die Stadt Luzern dieses Jahr um voraussichtlich 22 Millionen besser abschneidet als budgetiert, sorgt wie erwartet für rote Köpfe. Denn schon in den vergangenen Jahren resultierten stets viel bessere Abschlüsse als vom Stadtrat berechnet. Letztes Jahr etwa schloss die Rechnung um 18 Millionen höher ab als budgetiert (hier finden Sie alle Infos).

Vor allem SP und Grüne kritisierten jeweils wütend, dass die Stadt zu pessimistisch budgetiere. Es würden im falschen Glauben, dass es schlecht aussehe mit den Stadtfinanzen, unnötigerweise Leistungen abgebaut. Auch das diesen Donnerstag bekannt gewordene, um 22 Millionen bessere Ergebnis fürs 2016 sorgt nun für Reaktionen. Simon Roth ist SP-Stadtparlamentarier und Mitglied der Geschäftsprüfungskommission (GPK). Die SP/Juso ist mit 14 Sitzen im 48-köpfigen Stadtparlament mit Abstand die stärkste Kraft.

zentralplus: Simon Roth, was sagen Sie zum Millionenüberschuss fürs 2016?

Simon Roth: Einmal mehr wundern wir uns doch sehr. Seit 2011 hat die Stadt im Schnitt um jährlich über 12 Millionen Franken besser abgeschnitten als budgetiert. Hier müssen folglich systematische Fehler vorliegen.

«Anstatt jedes Jahr mit einmaligen Effekten zu argumentieren, müsste man nun überlegen, wo der Fehler liegt.»

Simon Roth, SP-Parlamentarier

zentralplus: Der Stadtrat argumentiert in solchen Fällen stets gleich: Es habe nicht vorhersehbare Einnahmen, etwa bei den Erbschaftssteuern gegeben. Diese sind doch tatsächlich nur schwer einzukalkulieren?

Roth: Das mag in Einzelfällen schon stimmen. Aber höhere Einnahmen aus der Erbschaftssteuer dienten beispielsweise bereits im letzten Jahr als Begründung. Anstatt jedes Jahr mit einmaligen Effekten zu argumentieren, müsste man nun überlegen, wo der Fehler liegt und eventuell die prognostizierten Einnahmen aus der Erbschaftssteuer erhöhen.

«Stadtrat verliert seine Glaubwürdigkeit»

Als Teil des im Oktober 2015 abgesegneten Sparpakets «Haushalt im Gleichgewicht» strich die Stadtregierung unter anderem 46 Stellen, davon 32 Vollzeitstellen in den Schulen. Schon damals ärgerte sich VOPD-Geschäftsleiter Martin Wyss über den Stellenabbau. Nun sieht sich der Gewerkschafter in seiner Kritik bestätigt: «Das ist eine Strategie des Stadtrates, stets zu pessimistisch zu budgetieren, um damit einfacher sparen zu können.» Auf diese Weise würden Leute auf die Strasse gestellt, ohne dass dies nötig wäre. «Der Stadtrat muss realistischer budgetieren, sonst verliert er seine Glaubwürdigkeit.» Der VPOD verlangt, dass die Massnahmen rückgängig gemacht werden.

zentralplus: Ist es nicht besser, etwas zu defensiv zu budgetieren als zu optimistisch? Der Schuss könnte auch nach hinten losgehen und die Rechnung schlechter ausfallen als budgetiert. Dann würde dem Stadtrat wieder vorgeworfen, zu optimistisch budgetiert zu haben.

Roth: Ziel sollte eine möglichst genaue Budgetierung sein. Dann kann es auch vorkommen, dass man in einem Jahr etwas schlechter abschneidet als budgetiert. Über mehrere Jahre hinweg sollte man aber bei den durchschnittlichen Abweichungen möglichst nahe bei null sein. Seit mindestens 2000 schloss die Jahresrechnung immer besser als budgetiert.

«Es kann nicht sein, dass unnötig Leistungen abgebaut werden, die von allen als wichtig erachtet werden.»

Simon Roth, SP Stadt Luzern

zentralplus: Wo liegt genau das Problem?

Roth: Das Problem daran ist nicht zu unterschätzen. Das Budget ist eines der wichtigsten politischen Instrumente, weshalb die Berechnungen des Stadtrates verlässlich sein müssen. Einzelne Abbaumassnahmen, wie bei der Quartierarbeit oder Deutsch für Fremdsprachige aus dem letzten Sparpaket, wären wohl vom Parlament kaum beschlossen worden, hätten die Budgets für 2015 und 2016 die Realität besser abgebildet.

zentralplus: Will die SP nun erreichen, dass die Kürzungen in den erwähnten Bereichen rückgängig gemacht werden?

Roth: Für mich ist klar, dass wir das müssen. Wir müssen das letzte Abbaupaket «Haushalt im Gleichgewicht» nochmals kritisch hinterfragen aufgrund der aktuellen Entwicklung. Jetzt lässt sich der Bevölkerung gut erklären, dass die Lage nicht so schwierig ist, wie das damals dargestellt wurde. Es kann nicht sein, dass unnötig Leistungen abgebaut werden, die von allen als wichtig erachtet werden.

zentralplus: Wie wollen Sie nun vorgehen?

Roth: Das klären wir ab. Eventuell muss das Budget 2017 bei den entsprechenden Ausgaben erhöht werden. Wir werden versuchen, das an der nächsten Sitzung der GPK in zwei Wochen durchzubringen. Dann könnte der Stadtrat das Budget anpassen und ins Parlament bringen. Aber wie gesagt, was der beste Weg dazu ist, müssen wir nun zuerst rausfinden.

«Es ist auch nicht Aufgabe der öffentlichen Hand, mit Steuergeldern ein möglichst grosses Vermögen anzuhäufen.»

Simon Roth, SP-Grossstadtrat

zentralplus: SP und Grüne haben das Budget samt dem Sparpaket Ende 2015 erfolglos mit einem Referendum zu bekämpfen versucht. Damals ging es Ihnen konkret um drei Abbaumassnahmen: Kein Abbau bei der Quartierarbeit, beim Deutsch für Fremdsprachige und bei der integrativen Förderung (siehe Box). Sind das jene Massnahmen, welche Sie nun wieder rückgängig machen wollen oder kommen andere dazu?

Roth: Das haben wir noch nicht im Detail besprochen. Ich gehe aber davon aus, dass es sicher diese drei Punkte sind. Die sollten wieder ins Budget aufgenommen werden.

zentralplus: Die Stadt Luzern musste ein paar Jahre untendurch. Der Schuldenberg erreichte eine Rekordhöhe, das Eigenkapital war futsch, überall mussten Leistungen abgebaut werden. Wär’s da nicht klüger, jetzt mal das Sparkässeli zu füllen, damit man für die nächsten schwierigen Jahre gewappnet ist, anstatt nun gleich wieder alles Geld auszugeben?

Roth: Wir wollen ja gar nicht alles Geld wieder ausgeben. Ich finde auch nicht, dass man wegen dieser guten Jahre nun unvorsichtig werden soll. Aber es ist auch nicht Aufgabe der öffentlichen Hand, mit Steuergeldern ein möglichst grosses Vermögen anzuhäufen.

Marco Müller von den Grünen (links) und Simon Roth von der SP kritisieren den Luzerner Stadtrat (Bild: zVg).

Marco Müller von den Grünen (links) und Simon Roth von der SP kritisieren den Luzerner Stadtrat (Bild: zVg).

Grüne drohen mit Referendum

Support erhält die SP erwartungsgemäss von den Grünen, die im Parlament sieben Politiker stellen. Deren Präsident Marco Müller sagt: «Ich bin schlichtweg empört und stinksauer über den Stadtrat.» Grüne und SP hätten an der Debatte im Oktober 2015 die erwähnten drei Massnahmen aus dem Sparpaket rausnehmen wollen. Das hätte laut dem neo-Stadtparlamentarier drei Millionen Franken ausgemacht. «Diesen Betrag hätten wir uns offensichtlich leisten können, wie die neusten Zahlen zeigen. Falls wir für unser Anliegen im Parlament keine Mehrheit finden, wovon ich ausgehe, werden wir wohl nochmals das Referendum gegen das Budget ergreifen.» Schon Ende 2015 ergriffen die Grünen das Referendum gegen das Budget 2016, das Volk stimmte aber im Februar zu.

Über das neuste Referendum könnte ebenfalls erst Anfang 2017 abgestimmt werden. Das würde bedeuten, dass die Stadt wie Anfang 2016 über kein rechtskräftiges Budget verfügen würde und auf Notstrom laufen müsste. Eine ähnliche Situation droht bekanntlich dem Kanton. Dort dürfte gegen die von der Regierung geplante Steuererhöhung das Referendum ergriffen werden. Luzern stehen stürmische Zeiten bevor.

Diese Sparmassnahmen sind umkämpft

– Bei der Quartierarbeit wurden 180’000 Franken eingespart. Konkret wurden bei der Stellenleitung 20 Prozent gekürzt, die Fachmitarbeit von 50 Stellenprozent wurde gestrichen und auf den Standort Tribschen/Langensand/Schönbühl verzichtet. Seither stehen für die Quartierarbeit noch 480 statt 560 Stellenprozent zur Verfügung.

– Dieses Jahr wurden bei Deutschkursen für fremdsprachige Schulkinder (DAZ) 1,6 Millionen gespart, nächstes Jahr sollen es 1,86 Millionen Franken sein. Konkret hat die Stadt ihr Angebot von einer Lektion Deutsch pro Woche und Lernende von 1 auf die kantonale Minimalvorgabe von 0,7 Lektionen reduziert. Die finanziellen Einsparungen werden durch grössere Lerngruppen und 16 gestrichene Vollzeitstellen erreicht.

– 434’000 Franken sollen bei der Integrativen Förderung ab 2018 wegfallen (2017 wären es 180’000 Franken). Hier geht es um die zusätzliche gezielte Förderung von Schülern in bestimmten Fächern. Bislang liegt die Stadt mit 410 Lektionen weit über den kantonalen Vorgaben. Nun kürzt sie das Angebot um einen Viertel. 3,5 Vollzeitstellen werden gestrichen.

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