Luzerner Pirmin Meier ist «Stiller Macher» 2016

Wegbereiter des Schweizer Tierschutzes geehrt

Der «Stille Macher 2016», Pirmin Meier, erhielt als Präsent einen Zinnkrug. Zudem hält er sein neustes Buch in den Händen.

(Bild: les)

Die Beziehung vom Mensch zum Tier sorgt für viele Emotionen. Für sein Engagement dafür, dass Tiere heute nicht mehr als Ware wahrgenommen werden, wurde der Luzerner Pirmin Meier in diesen Tagen als Stiller Macher 2016 geehrt. Und der Metzgersohn erklärt, was er vom Fleischkonsum der heutigen Generation hält.

An seinem Namenstag, dem 3. November, kam dem in Rickenbach LU wohnhaften Pirmin Meier eine besondere Ehre zuteil: Er wurde als Stiller Macher 2016 ausgezeichnet. Der Preis gilt als Würdigung ausserordentlicher, wenig beachteter Leistungen und Initiativen.

Meier ist allerdings gar kein so Unbekannter. Als Historiker und Philosoph machte er sich national einen Namen. Zu seinen bekanntesten Werken zählen die Abhandlung über Paracelsus – Arzt und Prophet sowie sein biographischer Diskurs Ich, Bruder Klaus von Flüe. Diese Woche erschien zudem ein Werk über den Kulturkampf, welches Meier gemeinsam mit dem Zuger alt ALG-Nationalrat Josef Lang verfasste. 2008 wurde Meier mit dem Innerschweizer Kulturpreis ausgezeichnet. Neben seiner Schreibtätigkeit war er während 33 Jahren als Gymnasiallehrer an der Kantonsschule Beromünster tätig. Sein Einfluss als Staatstheoretiker war bisher allerdings nicht bekannt – dafür wurde er nun geehrt.

Tierrechte in Verfassung heute selbstverständlich

Am 19. Mai 1976 hatte Meier als damaliger Verfassungsrat im Kanton Aargau als schweizweit Erster einen Antrag auf eine Konkretisierung zum Schutz der Würde der Kreatur, des Tieres, gestellt. Dieser Antrag wurde zwar vorerst abgelehnt, schliesslich fand er via Verfassung des Kantons Aargau aber Eingang in die Schweizer Bundesverfassung. Und das Thema ist keineswegs vom Tisch. Heute dreht sich die Diskussion rund um die Gentechnologie um die Würde des tierischen sowie des pflanzlichen Lebewesens.

Die Preisübergabe fand im Restaurant Rathausgarten in Aarau statt. Genau in jenem Saal, in welchem Meier damals seinen Vorstoss innerhalb der CVP-Fraktion aufs Parkett gebracht hatte. Heute mag es selbstverständlich erscheinen, dass die «Würde» des Tieres geachtet wird. Rein rechtlich war dies lange – oder ist es in vielen Ländern noch heute – nicht geregelt. So war es Meier, welcher den Anstoss gab, die Tierrechte in der Verfassung zu verankern. Nach Auffassung des Laudators, Tieranwalt Antoine F. Goetschel, gebührt Pirmin Meier Anerkennung als Pionier in dieser Sache. Der Begriff «Würde der Kreatur» sei jedoch auf den Schweizer Theologen Karl Barth (Basel) zurückzuführen, über den Meier diverse Artikel publiziert hat.

In der Bundesverfassung wird der Tierschutz in Artikel 80 geregelt:

 

 

Schweizer Modell als Exportschlager

In verschiedenen Laudationen wurde die Pionierarbeit Meiers hervorgestrichen. So lobten sowohl der Gründer der Stiftung Tier im Recht, Antoine F. Goetschel, als auch der Präsident der Schweizer Kantonstierärzte, Rolf Hanimann, Meier für seinen Einsatz zu Gunsten der Tiere. Ein Blick ins Auge eines jeden Lebewesens würde genügen, um dessen Schutzwürdigkeit zu erkennen. Meiers Vorschlag stand am Ursprung und das Schweizer Modell im Umgang mit dem Tierrecht könne man heute durchaus als Exportschlager bezeichnen. Obwohl Meier mit seinem ersten Vorstoss nicht erfolgreich war, zeige dieses Beispiel exemplarisch, wie sich Beharrlichkeit lohne, ergänzte Nationalrat Thomas Burgherr (SVP, AG).

Gespannt lauscht Meier einer Laudatio.

Gespannt lauscht Meier einer Laudatio.

(Bild: les)

Meier selbst freute sich über die Auszeichnung. Für einen Lacher sorgte er mit der Aussage, er hätte von diesem Vorstoss bis vor kurzem gar nicht mehr gewusst. Schliesslich sei zur selben Zeit gerade seine Tochter auf die Welt gekommen. Seinen Einfluss auf den Gesetzgebungsprozess relativierte er. Der politische Prozess in der Schweiz verlaufe sehr langsam und viele weitere Akteure hätten ebenso ihren Beitrag geleistet, vor allem natürlich Staatsrechtsprofessoren wie Kurt Eichenberger und René Rhinow.

Der Verein Stille Macher hat sich zum Ziel gesetzt, Persönlichkeiten zu ehren, die sich in besonderem Mass nachhaltig für die Allgemeinheit eingesetzt haben. Häufig seien dies bescheidene Personen, welche ihre aussergewöhnliche Leistung als selbstverständlich erachten würden und deshalb unerkannt blieben, so die Vorstandsmitglieder. Der Verein will diese Personen ausfindig machen und in einer angemessenen Form würdigen.

«Bei aller Liebe zu Schweinen bin ich gegen Schweinefriedhöfe.»

zentralplus: Pirmin Meier, Sie haben die Auszeichnung Stiller Macher 2016 erhalten. Was bedeutet Ihnen diese Ehrung?

Pirmin Meier: Es erinnert mich vor allem daran, dass es um meine Arbeit «still» geworden ist. Ich erinnere etwa an meine Geschichte der Kantonsschule Beromünster, die naturgemäss auch wenig Aufsehen erregt. Die Auszeichnung erinnert mich aber daran, dass die grössten Dinge im Leben oft mit kleiner, unspektakulärer Arbeit zu tun haben. Es ist aussergewöhnlich, dass man für einen Antrag, der noch mit 59 zu 62 Stimmen abgelehnt wurde, nach 40 Jahren geehrt wird. Welchem Kantonsrat und Bundesparlamentarier ist das wohl schon passiert?

zentralplus: Sie gelten als Pionier und Wegbereiter in Sachen Tierrecht. Was veranlasste Sie damals zu diesem Vorstoss?

Meier: Ich war mein Leben lang Philosoph und Ethiklehrer, habe auch als Journalist und Verfassungsrat ethisch argumentiert. Dass der Philosoph Descartes zum Beispiel das Leiden der Tiere «mechanisch» erklärte, empörte mich. Das habe ich schon als fünfjähriger Bub im Schlachthaus meiner Eltern anders wahrgenommen.

zentralplus: Erklären Sie doch kurz, was Ihre Aufgaben als Verfassungsrat waren – und wie das damals zu und her ging.

Meier: Den vom Volk gewählten Verfassungsrat, historisch eine Idee des Beromünsterer Philosophen Troxler, gab es früher auch im Kanton Luzern. Im Kanton Aargau ist noch heute nur ein Verfassungsrat befugt, eine Totalrevision der Kantonsverfassung zu machen. Ich wurde 1973 als Zweitjüngster in jene Behörde gewählt, wo es viele Juristen und Beamte hatte. Trotz meines jugendlichen Alters argumentierte ich oft historisch und philosophisch, was leider als etwas altklug aufgefasst wurde.

Aufsehen erregte mein Antrag auf Trennung von Kirche und Staat. Ein weiteres Anliegen war für mich – wie einst für den liberalen Troxler und die Katholisch-Konservativen – die direkte Demokratie, weswegen ich dann ein Komitee für die Volksrechte gründete, welches als «populistisch» galt, wiewohl der Ausdruck noch nicht gebraucht wurde. Dieses Komitee erreichte, dass die Kantonsverfassung erst im zweiten Anlauf angenommen wurde, unter anderem auch mit dem Satz betreffend «Würde der Kreatur», der dann trotz anfänglicher Ablehnung am Ende noch in den Text kam. Ich behaupte, dank Verfassungsredaktor Prof. Kurt Eichenberger, der philosophisches Argumentieren ernst genommen hat und zu schätzen wusste.

«1976 stellte ich meinen Antrag nicht in der Meinung, eine Pionierleistung zu erbringen.»

zentralplus: Hätten Sie jemals damit gerechnet, dass ihr Vorstoss später in die Bundesverfassung aufgenommen wird? Was gab wohl den Ausschlag?

Meier: Die Aargauer Kantonsverfassung von 1980, in acht Jahren erstellt (die Verfassung von 1803 diktierte Napoleon in 20 Minuten) war von Politikern wie Julius Binder und Thomas Pfisterer, aber auch Bundesrichter Carl Hans Brunschwiler als Pionierleistung in Richtung Totalrevision der Bundesverfassung gedacht. Ich habe aber erst allerneuestens über Literatur und Verfassungskommentare erfahren, wie diese Entwicklung weiterging. Ich glaube aber, dass der Zeitgeist in Richtung ökologisches Denken wichtiger war als unsere Vorarbeit. 1976 stellte ich meinen handschriftlichen Antrag, den ich auswendig für das Protokoll begründete, nicht in der Meinung, eine Pionierleistung zu erbringen.

«In Sachen Hunde und Katzen wird heute zum Teil auch bis zur Vergötterung übertrieben.»

zentralplus: Welche Beziehung haben Sie zu Tieren?

Meier: Als Metzgerssohn – meine vegetarisch lebende Lebenspartnerin ist Metzgertochter – kann man sensibilisierter sein, als die Leute vielleicht denken. Dazu bin ich seit 1960 leidenschaftlicher Vogelfreund und begründete 1967 an der mündlichen Philosophiematura in Sarnen Tierschutz und Vogelschutz mit dem Begriff der «Kreatur». Als Katholik argumentierte ich damals aus dem Geist von Albert dem Grossen und Thomas von Aquin.

zentralplus: Wie steht es mit der Würde der Tiere heute? Denken Sie, der Tierschutz ist in der Schweiz auf einem guten Stand?

Meier: In Sachen Hunde und Katzen wird heute zum Teil auch bis zur Vergötterung übertrieben. Das entspricht nicht dem Geist Goethes, den ich 1976 im Verfassungsrat zitierte im Hinblick auf die «Ehrfurcht vor dem, was unter uns ist». Dass der Tierschutz auf hohem Stand ist, gefällt den Landwirten natürlich nicht durchwegs. Wenn aber linke Konsumentenapostel sich für europäische Fleischpreise einsetzen, aber für maximalen Tierschutz, ist das wohl auch nicht ganz konsequent.

zentralplus: Was sagen Sie zur Nutztierhaltung und zu unserem Fleischkonsum? Dürfen wir noch Tiere essen?

Meier: Schon meine Urgrosseltern waren Metzger. Damals unterschied man noch Fleischtage und Mus-Tage. Fleisch ass man in katholischen Gegenden nur am Dienstag, Donnerstag und Sonntag, also viel massvoller als heute. Das Problem ist, wie es ein früherer Lehrer von mir mal sagte, dass die Menschheit den Sinn für Verhältnisse und Proportionen verloren hat. Tiere essen? Helen McDonald charakterisiert den Habicht in ihrem Roman «H wie Habicht» als den Metzger unter den Vögeln. Das tröstet mich auch ein wenig über meine familiäre Beziehung zum Metzgerberuf hinweg. Ich schrieb auch schon mal einen Gedichtband über den Wolf bzw. Werwolf. Wenn der Habicht ein faszinierendes Tier ist, dann ist auch der Mensch als Jäger und Metzger in richtiger ethischer Einstellung faszinierend. Bei aller Liebe zu Schweinen bin ich gegen Schweinefriedhöfe.

zentralplus: Wagen Sie eine Prognose, wie die Diskussion um die Würde der Natur weitergehen wird?

Meier: Wiewohl ich den «fleischkritischen» Öko-Zeitgeist nicht falsch finde, kommt unter Umständen wieder mal eine Zeit, wo sogar mal Gegensteuer gegeben werden muss. Als Leser von Hemingway noch etwas zu den Fischen und den Fischern: Die Fische tun mir leid, wenn sie gefangen werden, und die Fischer tun mir leid, wenn sie nichts fangen.

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