Plötzlich sind alle für gemeinsame Restaurant-WCs

Weg frei für Unisex-Toiletten in Luzern

Geschlechtergetrennte Toiletten – darauf sollen Restaurants, Bars und Hotels in Luzern zukünftig verzichten können, falls sie wollen. (Bild: AURA)

Eine gemeinsame Toilette für Männer und Frauen – das soll in Luzerner Restaurants zukünftig erlaubt sein. Nach der Kontroverse um das Restaurant Anker stehen alle Parteien hinter der Neuerung. Doch damit nicht genug: Nun will die Gastrobranche auch für Mitarbeiter Unisex-WCs. Und andere gar eine Freinacht.

Eine Tür für «Herren», eine für «Damen»: Das könnte in Luzerner Restaurants bald vorbei sein. Der Kanton will die Vorschriften lockern und den Betrieben nicht mehr geschlechtergetrennte Toiletten vorschreiben. Eine entsprechende Anpassung der Gastgewerbeverordnung, die Justizdirektor Paul Winiker im Januar aufgleiste, biegt auf die Zielgerade ein.

Diese Legalisierung von Unisex-Toiletten stösst auf breite Zustimmung. SP-Kantonsrat Giorgio Pardini verlangte bereits letzten Frühling das Erarbeiten der gesetzlichen Grundlagen für Unisex-Toiletten – und erntete fraktionsübergreifend Beifall.

Die Stellungnahmen zur Vernehmlassung, die diesen Montag endet, bekräftigen dieses Bild: Die Parteien begrüssen die Unisex-Toiletten – wenn auch nicht alle aus denselben Gründen.

Gut für Betriebe, gut für Gäste

«Es ist sinnvoll und zeitgemäss, dass die Vorgabe bezüglich geschlechtergetrennten Toilettenanlagen aus der Verordnung gestrichen wird», heisst es zum Beispiel bei der FDP. Ihr Motiv: Dem Gastgewerbe möglichst wenige Steine in den Weg legen – und nicht nur dieser Branche. «Im Sinne einer Gleichbehandlung besteht die klare Forderung, dass Unisex-Toilettenanlagen auch in anderen Gewerben, in der Industrie, im Dienstleistungssektor, im Handel oder im öffentlichen Bereich zukünftig möglich sein sollen.» Auch Kulturhäuser, Schulen und Sportanlagen erwähnt die Partei in ihrer Stellungnahme.

«Die Revision ist ein wichtiges Zeichen der Toleranz und hat deshalb auch für andere Kantone eine positive Signalwirkung.»

Grünliberale Partei Kanton Luzern

Auch die Grünliberalen begrüssen die Einführung von Unisex-Toiletten – allerdings stärker aufgrund gesellschaftsliberaler Überlegungen. «In den vergangenen Jahren haben sich die gesellschaftlichen Normen bezüglich Geschlechteridentitäten gewandelt», schreiben sie in einer Mitteilung. Nicht nur Transmenschen, sondern auch Väter unterwegs mit kleinen Töchtern oder Frauen mit einem pflegebedürftigen Vater würden unter der bisherigen Regelung leiden. «Die Revision ist ein wichtiges Zeichen der Toleranz und hat deshalb auch für andere Kantone eine positive Signalwirkung», halten die Grünliberalen fest. Dank einer Motion des Luzerner FDP-Nationalrats Albert Vitali ist die Debatte inzwischen auch auf nationaler Ebene lanciert.

Eine Frage der Sicherheit

Auch die Grünen stimmen den vorgeschlagenen Änderungen zu – vollumfänglich und diskussionslos. Ebenfalls kurz hält sich die CVP. Sie spricht sich in der Vernehmlassung für Unisex-Toiletten aus, allerdings mit einem Vorbehalt. Manche Bars und Clubs führen geschlechtergetrennte Toiletten, weil diese besser vor sexuellen Übergriffen schützen. Die CVP unterstützt diese Überlegungen betreffend Nachtlokalen. «Bei diesen Lokalen soll eine Einzelfallbeurteilung vorgenommen werden», fordert die Partei.

Auch die FDP betont, dass Sicherheit und Privatsphäre nach wie vor angebracht seien. Als mögliche Lösung erwähnt die Partei abgeschlossene Boxen.

«Selbstverständlich müssen Sicherheit und Hygiene auch bei Unisex-WCs gewährleistet bleiben», hält auch die SVP fest. Die Partei bezeichnet Unisex-Toiletten als «Pièce de Résistance» dieser Vernehmlassung. Denn: «Es hat sich gezeigt, dass selbst die Mitglieder der SVP Kanton Luzern in dieser Sache gespalten sind.» Gross ist der Widerstand bei der SVP trotzdem nicht: Die Partei will es den Wirten selber überlassen, was sie als beste Lösung für ihre Gäste erachten.

Das umstrittene Unisex-WC im «Anker».

Das umstrittene Unisex-WC im «Anker».

(Bild: Gabriel Ammon/Aura)

Genau dieselbe Position – auffallenderweise in denselben Worten – vertritt der Branchenverband Gastro Luzern. Kein Wunder, präsidiert doch SVP-Kantonsrat Ruedi Stöckli den Verband, der sich grundsätzlich für tiefere Auflagen einsetzt. In Anbetracht dessen begrüsst Gastro Luzern den Wegfall von Vorschriften, obwohl die Mitglieder des Verbandes keine einheitliche Meinung zu Unisex-Toiletten haben.

Stöckli hatte sich in der Vergangenheit skeptisch geäussert, weil er befürchtete, dass der Kantonsrat unter Zeitdruck eine Anpassung durchwinkt. Denn ausgelöst wurde die Debatte in Luzern vom Hotel Restaurant Anker am Pilatusplatz. Nach einer Sanierung 2016 verzichtete die Gastrokette Remimag auf geschlechtergetrennte WCs. Weil das illegal war, stand kurz darauf die Gewerbepolizei vor der Tür, wobei dieses Verfahren aufgrund der politischen Debatte zurzeit sistiert ist.

«Es macht keinen Sinn, dass Lokale vor den sechs katholischen Feiertagen im Kanton Luzern um 00.30 Uhr geschlossen werden müssen.»

FDP Kanton Luzern

Gastro Luzern möchte am liebsten sogar noch einen Schritt weitergehen: Nicht nur für Gäste, sondern auch für die Mitarbeiter sollten Unisex-Toiletten zulässig sein, hält der Verband in seiner Stellungnahme fest. Das kann der Kanton Luzern allerdings nicht in Eigenregie ändern, denn es ist das Arbeitsgesetz des Bundes, das getrennte WCs am Arbeitsplatz vorsieht.

Weniger Tanzverbote, mehr Freinächte

Auch die FDP würde gerne Punkte anpassen, die über die Gastgewerbeverordnung hinausgehen. So verlangt die Partei, dass Bars und Clubs vor katholischen Feiertagen nicht mehr um 00.30 Uhr schliessen müssen. Zurzeit regelt das Gastgewerbegesetz, dass in den Nächten vor Karfreitag, Ostersonntag, Pfingstsonntag, Bettag, Weihnachten sowie Aschermittwoch keine Verlängerung erteilt wird. Dieses Verbot sei «nicht mehr zeitgemäss», hält die FDP fest. Zudem verschaffe es Luzern einen Standortnachteil gegenüber umliegenden Kantonen. Ende März verlangten bereits SP und Juso, dass dieser alte Zopf abgeschnitten wird. Sie haben eine entsprechende Petition und eine Motion im Kantonsrat lanciert.

Die FDP stellt des Weiteren ihre Sympathie zur Fasnacht unter Beweis. Die Partei fordert, dass in Zukunft auch der Güdisdienstag als Freinacht gilt. Im Gesetz festgelegt ist dies bislang für den Schmutzigen Donnerstag, den Güdismontag sowie den Nationalfeiertag, Silvester und spezielle Wahlsonntage. Den Güdisdienstag in die Liste aufzunehmen, würde Klarheit schaffen und die Situation für einige Betriebe vereinfachen, argumentiert die FDP.

Ob diese Anträge auf ähnlich grossen Anklang stossen wie die Unisex-Toiletten, dürfte sich in den kommenden Wochen zeigen. Die Stellungnahmen werden nun ausgewertet, die Vorlage dürfte noch vor den Sommerferien im Kantonsrat diskutiert werden. Denn die Anpassung der Gastgewerbeverordnung soll am 1. Juli 2018 in Kraft treten.

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