Die Rapper von Fratelli-B fühlen nichts

«Weder beim Kotzen noch beim Kiffen»

Ist das noch ihre Stadt? Fratelli-B mit Wand. (Bild: zvg (Echo Pictures))

Sie würden ja gespielt werden, wäre der Refrain nicht so schmutzig: Die Zuger Rapper von Fratelli-B bringen eine Platte raus, auf der es neue Töne gibt. Und machen darauf eine Liebes- und eine Bankrotterklärung.

Wenn Fratelli-B ein neues Album herausgeben, dann kündigt sich das schon Monate vorher an. Zumindest den aufmerksamen Fussgängern der Stadt: Die Stickers der beiden Brüder kleben an jeder Strassenlampe, an jedem Stromverteilerkasten und jeder Hauswand. Mittlerweile Schichten davon, denn die beiden Zuger Rapper Flap und Chandro haben nicht nur in den Charts, sondern auch auf den Zuger Strassenlampen ihre Stammplätze. Und deswegen auch einen kleinen Dauerkrach mit der Polizei. «Die rufen jedesmal wieder an», sagt Flap lachend. «Aber was können wir dafür? Wir verteilen die Stickers unter unseren Fans, was die dann machen, damit haben wir nichts zu tun.»

Dabei sind die Kleber eine Form der Rückeroberung. Wie damals der Song «Mini Stadt!» auf einer der ersten Scheiben der beiden. Am Karfreitag kommt die fünfte Fratelli-B-Platte auf den Markt, und darauf haben sich die Dinge geändert: Der neue Song heisst «Mini Stadt?» mit Fragezeichen. Ist eine Liebes- und Bankrotterklärung an eine Stadt, in der du im Pub fürs Henniez acht Franken zahlst und nicht nur mängisch sondern ständig Englisch ghörsch im Bus bis dier am Ändi dWohnig nümm chasch leischte mit me Lehrabschluss.

«Das klingt so schlimm»

«Es ist uns klar geworden, dass sich Zug verändert hat», sagt Chandro, «dass wir, wenn wir Familie hätten, wohl nicht mehr hier wohnen könnten». «Welt us» ist ein ernstes Album, eines zum die Welt rundum ausknipsen und zuhören, das soll der kryptische Titel bedeuten: Welt aus, Musik an. Kein Album zum Abfeiern, sagt Flap, «sondern um die Kopfhörer aufzusetzen, durch die Stadt zu fahren und sich das bewusst reinzuziehen». Unter dem ersten Clip der beiden zum neuen Album schreibt einer, hoffentlich ist nicht die ganze Scheibe so melancholisch, und ein anderer, hoffentlich ist sie genau das. Fratelli-B sind wohl oder übel erwachsen geworden, auch wenn Chandro sagt, «das klingt so schlimm, aber das Album ist tatsächlich ernster geworden», und sein Bruder sagt, «ernsthaft, ich finde wir haben diesmal mit Abstand das beste Album gemacht, dass wir je produziert haben».

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Und da ist tatsächlich was passiert: Die beiden rappen klarer und gezielter denn je, reihen dicht an dicht überraschende Reime. Überraschend auch wegen der Inhalte, die von den Geschichten auch wegkommen und sehr persönlich werden. «Fühle nüt» heisst die erste Single, fürs Video ist das Fratelli Team an die deutsch-polnische Grenze gefahren, das klingt nach weit weg, ist aber nur fünf Stunden, sagt Flap. «Alle haben immer das Gefühl, das sei am Ende der Welt.»

«Was hätten wir stattdessen rappen sollen?»

In einem Wilder-Westen-Themenpark haben sie Kostüme und Schauspieler ausgeliehen, machen einen auf harte Kerle und rappen stattdessen übers Versagen in Beziehungen, so ehrlich, dass man aufhorcht. Das ist ernst gemeint: Fratelli-B rappen präzise übers Keine-Kinder-haben-können, weil man selber noch Kind ist, als Mitdreissiger. Über den unvermeidlichen Beziehungsbruch, spielen dabei Cowboys, wie früher, ein wunderbares Bild. «Das schöne daran ist», sagt Chandro, «dass wir damit kein Geld verdienen müssen».

Die Radios würden den Song wohl spielen, wenn im Refrain nicht die Rede davon wäre, dass man sich nicht spürt, «weder beim Kotzen noch beim Kiffen noch beim Ficken. Das Management hat uns gesagt, wollt ihr nicht den Hook ändern? Aber was hätten wir stattdessen rappen sollen?», fragt Chandro, «ich spüre nichts beim Tanzen? Es ist eben beim Kotzen, wo man sich nicht spürt». Und weil der Cash keine Rolle spielt, macht es auch nichts, wenn die Radios das mit der Single auch nicht tun.

Obwohl, Cash spielt keine Rolle, das klingt auch nach Künstler-Selbstbetrug. «Ja, so mit 21 waren wir schon enttäuscht: Es lief alles super, wir waren in den Charts, konnten grosse Gigs spielen. Aber von der Kohle nicht mal ansatzweise die Rechnungen bezahlen. Da haben wir gemerkt, es geht nicht ums Geld. Wir haben uns deshalb auch noch nie etwas ausbezahlt. Wenn jemand ein Fratelli-B Album kauft, dann finanziert er damit schon das nächste», sagt Flap, «das ist wie beim Crowdfunding, nur angenehmer».

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1 Kommentar
  • Profilfoto von Ani_A
    Ani_A, 29.03.2015, 13:18 Uhr

    erfrischendes Interview 🙂

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