VBL gerät ins Visier – und schweigt

Was zur Luzerner Subventions-Affäre bekannt ist

Die Verkehrsbetriebe Luzern stehen im Verdacht, zu viel Geld kassiert zu haben. (Bild: zvg)

Der Postauto-Skandal ist am Vierwaldstättersee angekommen: Die Luzerner Verkehrsbetriebe stehen im Verdacht, zu hohe Subventionen kassiert zu haben. Die Verantwortlichen sind abgetaucht oder verweisen auf die laufende Untersuchung. Politiker fordern derweil Klarheit.

Zuerst waren es die Postautos, deren gelber Lack durch einen für die Schweiz ungewohnt heftigen Subventionsskandal abzublättern begann. Am Freitag nun wurden weitere Unregelmässigkeiten bei SBB und BLS bekannt. Mit buchhalterischen Tricks oder schlicht durch Fehler haben die Unternehmen zu hohe Vergütungen der öffentlichen Hand eingestrichen.

Diese Masche kannte man offenbar auch in Luzern. Die Verkehrsbetriebe Luzern (VBL) stehen ebenfalls im Verdacht, zu viel Geld kassiert zu haben. Das hat der «Blick» am Freitag publik gemacht (zentralplus berichtete).

1. Hat VBL zu viel abkassiert?

Ob die Vorwürfe zutreffen, ist derzeit noch nicht klar. Der Verkehrsverbund Luzern (VVL) und die VBL werden die Höhe der bezahlten Abgeltungen für die Jahre 2010 bis 2017 überprüfen, gaben sie am Freitag in einer Medienmitteilung bekannt. Man wolle zeitnah eine Lösung erarbeiten.

Diese Formulierung legt indes nahe, dass im Raum nicht die Frage steht, ob die Verkehrsbetriebe zu viel einkassiert haben, sondern eher wie viel. Nähere Fragen diesbezüglich wurden von der VBL-Medienstelle am Freitag aber pauschal abgeblockt.

«Bei den weiteren Busbetrieben bestand kein Anlass, weitere Abklärungen vorzunehmen.»

Pascal Süess, Verkehrsverbund

Etwas auskunftsfreudiger ist der Verkehrsverbund. Doch auch deren Geschäftsführer sagt, auf Details könne man derzeit nicht eingehen. «Der Prozess ist im Gang, die Abklärungen laufen noch», so Pascal Süess.

Nachdem die Postauto-Affäre bekannt wurde, habe der VVL Abklärungen bei denjenigen Transportunternehmen vorgenommen, die eine ähnliche Holdingstruktur wie die Postauto AG aufweisen, erklärt Süess. Anschliessend seien die gemeldeten Angaben zusammen mit dem Bundesamt für Verkehr (BAV) ausgewertet worden. «Als Ergebnis dieser Abklärungen hat der Verbundrat entschieden, die Höhe der Abgeltungen der VBL zu überprüfen.» Anfang Februar sei der VVL deshalb auf die Verkehrsbetriebe zugegangen. Nebst den Abgeltungen werden auch die Strukturen und Prozesse überprüft.

Bei den weiteren Busbetrieben bestand laut Pascal Süess kein Anlass, weitere Abklärungen vorzunehmen.

2. Um wie viel Geld geht es?

Der «Blick» berichtete, VBL und VVL hätten sich bereits auf eine Rückzahlung von rund 16 Millionen Franken geeinigt. Diese Zahl könne man weder bestätigen noch dementieren, sagt VBL-Mediensprecher Saemi Deubelbeiss.

Sollte es sich tatsächlich um 16 Millionen Franken handeln, wäre das beträchtlich. Es entspräche umgerechnet rund 2 Millionen Franken jährlich – schätzungsweise 8 Prozent der Abgeltungen, die die VBL vom VVL in den Jahren 2010 bis 2017 erhielt (siehe Box).

Zum Vergleich: Die BLS muss für ihre Unregelmässigkeiten 43,6 Millionen Franken zurückzahlen, wie am Freitag bekannt wurde. Bei der SBB geht es um 7,4 Millionen Franken, die zu viel bezogen wurden.

3. Was sagen die Verantwortlichen?

Das ist schnell erzählt: wenig. VBL-Direktor Norbert Schmassmann weilt in den Ferien. Verwaltungsratspräsidentin Yvonne Hunkeler ist ebenfalls abwesend. Und bei der Medienstelle will man sich aktuell nicht näher zum Thema äussern.

Beim Verkehrsverbund verweist Geschäftsführer Pascal Süess auf die laufenden Abklärungen. Den Vorwurf, man habe die Öffentlichkeit bewusst im Dunklen lassen wollen, weist er zurück. «Die Information der Öffentlichkeit war – wie üblich – nach Abschluss der laufenden Abklärungen geplant.» 

4. Wer könnte davon gewusst haben?

Wer in die Vorgänge involviert war, dürfte in den nächsten Wochen noch für Gesprächsstoff sorgen. Denn zahlreiche Posten bei den Verkehrsbetrieben und beim Verkehrsverbund werden von politischen Amtsträgern besetzt.

Im Verbundrat des Verkehrsverbundes ist unter anderem der Luzerner Stadtrat Adrian Borgula (Grüne) vertreten. Im Verwaltungsrat der VBL sitzt der Luzerner FDP-Stadtrat Martin Merki. Er hat den Sitz 2015 von Manuela Jost (GLP) übernommen. Der langjährige Finanzchef der Verkehrsbetriebe sass früher zudem für die FDP im Stadtparlament.

Inwiefern die Luzerner Stadträte Kenntnis über die Vorgänge haben, blieb am Freitag unklar. Bei der Stadt Luzern geht man nicht auf entsprechende Fragen ein, sondern gibt nur eine allgemeine Stellungnahme ab.

«Es ist und war vorgesehen, die Öffentlichkeit zu informieren, sobald Klarheit über die Höhe der Abgeltungen vorhanden ist.»

Franziska Bitzi Staub, Stadträtin Luzern

«Wir nehmen die Angelegenheit sehr ernst und unterstützen das von VVL und VBL gewählte Vorgehen», sagt Finanzdirektorin Franziska Bitzi Staub (CVP). Die Stadt Luzern habe Kenntnis vom Stand der Gespräche zwischen dem VVL und der VBL. Ihr sei es wichtig, dass die beiden Partner «die Angelegenheit gemeinsam klären, indem sie die Höhe der Abgeltungen von 2010 bis 2017 gemeinsam überprüfen und zeitnah eine tragfähige Lösung erarbeiten».

So läuft das mit den Abgeltungen

Der Verkehrsverbund Luzern (VVL) plant und finanziert im Kanton Luzern den öffentlichen Verkehr. Es handelt sich dabei um eine öffentlich-rechtliche Anstalt mit eigener Rechtspersönlichkeit. Oberstes Organ ist der siebenköpfige Verbundrat, in dem drei Mitglieder vom Kanton und vier Mitglieder von den Gemeinden gestellt werden.

Der VVL erhält Leistungsaufträge von Bund, Kanton und Gemeinden und bestellt seinerseits bei verschiedenen Transportunternehmen Leistungen (zum Beispiel in Form von Buslinien, die betrieben werden müssen) – unter anderem bei den Verkehrsbetrieben Luzern (VBL). Alle zwei Jahre verhandeln VVL und VBL die Kosten und Erlöse des Angebots neu aus. 2018 haben die VBL vom VVL Abgeltungen in der Höhe von 26,7 Millionen Franken erhalten.

Der «Blick» berichtete, der siebenköpfige Verbundrat hätte bereits am 24. Januar die Rückzahlung in Millionenhöhe beschlossen. Man habe dies aber nicht öffentlich kommunizieren wollen. Sollte sich das bestätigen, stellt sich die Frage, wie sich der Luzerner Stadtrat Adrian Borgula als eines der sieben Mitglieder dazu stellte. Aktuell äussert sich bei der Stadt Luzern niemand zu den Vorwürfen über die fehlende Transparenz. Nur so viel: «Es ist und war vorgesehen, die Öffentlichkeit zu informieren, sobald Klarheit über die Höhe der Abgeltungen vorhanden ist», sagt Franziska Bitzi.

5. Wie reagiert die Politik?

Deutliche Worte wählt die SP Luzern: Sie spricht von einem «Politfilz», der einen Subventionsskandal vertuschen wolle. Das erschüttere das Vertrauen der Bevölkerung in die Behörden. «Die Dimension des Schadens in Luzern ist riesig und der Erklärungsbedarf ebenso.» Die Partei verlangt eine Aufklärung und behält sich weitere politische und rechtliche Schritte zur Untersuchung dieses Falles vor.

Auch die CVP erwartet eine lückenlose Aufklärung. «Für die CVP steht das Vertrauen in die Institutionen an oberster Stelle», schreibt die Partei am Freitag in einer Mitteilung. Man begrüsse deshalb eine Untersuchung.

Anders als die SP wählt die CVP aber deutlich vorsichtigere Worte. Parteipräsident Christian Ineichen ist überrascht über die in den Medien verbreitete Verdächtigung. Er wolle nun die weiteren Untersuchungen abwarten und das Gespräch mit den Betroffenen suchen. «Der Vorwurf, es hätte irgendjemand etwas vertuschen wollen, erachten wir nach den uns vorliegenden Unterlagen als unbegründet.» Die VBL-Jahresrechnungen seien in jüngster Vergangenheit jeweils ohne Vorbehalt genehmigt worden. «Insofern gilt für alle Betroffenen die Unschuldsvermutung», so Ineichen.

Auf städtischer Ebene – die Stadt ist Besitzerin der VBL AG – verlangt die SP-/Juso-Fraktion in einer dringlichen Interpellation Antworten auf zahlreiche Fragen zum Fall.

6. Wie geht es weiter?

Der Verkehrsverbund und die Verkehrsbetriebe werden wie angekündigt die Höhe der bezahlten Abgeltungen für die Jahre 2010 bis 2017 überprüfen. Bis wann dies abgeschlossen ist, steht indes noch nicht fest. «Wir sind zuversichtlich, zeitnah zu einem Abschluss zu kommen», sagt VVL-Geschäftsführer Pascal Süess. Zu diesem Zeitpunkt werde auch eine umfassende Kommunikation erfolgen.

Klar ist: Sollte sich bestätigen, dass es zu Unregelmässigkeiten gekommen ist oder die Verkehrsbetriebe gar im grossen Stil ungerechtfertigte Gelder bezogen haben, dürfte dies Konsequenzen haben.

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1 Kommentar
  • Profilfoto von Dunning-Kruger
    Dunning-Kruger, 29.02.2020, 13:51 Uhr

    Die Privatisierung dieses und anderer Staatsbetriebe (Grundversorgung) dient nur einem einzigen Zweck: Die demokratischen Kontrollorgane auszuschalten um frei nach Gusto schalten & walten zu können, wie’s beliebt! Dabei hätte gerade und nur die Öffentlichkeit ein luzides und unabdingbares Interesse daran, dass genau das nicht geschieht. Wo die Privatisierung hier und anderswo hinführt ist evident: Sie öffnet moralisch-unsittlichen Verhalten – hier ungerechtfertigte, mutmasslich krimineller Bereicherung Tür und Tor! Besser, man lernt sofort aus diesem Präzedenzfall und untersucht vorsorglich auch gleich das Treiben bei ewl, Viva Luzern AG usw. auf rechtmässige und dem Volk verpflichtende Geschäftsführung!

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