1,5 Millionen Fossilien und Tiere erzählen ihre Geschichte

Was sich hinter den Kulissen des Luzerner Naturmuseums verbirgt

Benedict Hotz ist Kurator der geologischen Sammlung (Bild: bic)

In der Sammlung des Natur-Museums Luzern lagern rund 1,5 Millionen Schätze. Die meisten davon bekommt man jedoch kaum einmal zu Gesicht. Viele sind sogar nur wenige Millimeter gross. Doch ein Blick hinter die Kulissen lässt die Geschichten wieder aufleben.

Wer an das Natur-Museum Luzern denkt, dem kommen wohl als Erstes die präparierten Tiere wie Fuchs, Hirsch oder Wildschwein in den Sinn, die man als Kind anfassen durfte. Doch diese Individuen stellen nur einen winzig kleinen Bruchteil der Sammlung des Museums dar. Nicht weniger als 1,5 Millionen Objekte befinden sich nämlich im Besitz der Institution. Die grosse Mehrheit davon bleibt den Besucherinnen und Besuchern jedoch verborgen. zentralplus durfte einen Blick hinter die Kulissen werfen.

Begleitet wurden wir von Benedict Hotz. Er ist Kurator der geologischen Sammlung und Vizedirektor des Museums. Seit 22 Jahren arbeitet er am Kasernenplatz. Stolz ist man hier insbesondere auf die Insektensammlung des Luzerner Künstlers und Naturforschers Walter Linsenmaier. Einen Teil davon gibt es aktuell zu bestaunen.

In diesen Schränken werden die Insekten aufbewahrt. (Bild: bic)

Fein säuberlich wurden die Dutzenden getrockneten Goldwespen mit Nadeln befestigt und aufgereiht. «Gut 250'000 Exemplare verschiedener Insekten hat uns Herr Linsenmaier nach seinem Tod im Jahr 2000 hinterlassen», erklärt Benedict Hotz. Zuvor hatte Linsenmaier die Präparate in seinem im Jahr 1952 gegründeten und seit 2006 geschlossenen Tierweltpanorama in Ebikon ausgestellt.

Finanzieller Wert der Sammlung ist unbekannt

Zu Linsenmaiers Hinterlassenschaft gesellen sich in der Sammlung Hunderttausende weiterer «Krabbeltiere». Von der kleinsten Mücke bis zu riesigen Schmetterlingen und Käfern ist alles dabei. Obwohl die meisten davon nur wenige Millimeter gross sind, nehmen sie einen grossen Teil des Estrichs in Anspruch. Und laufend kommen neue dazu.

Provisorisch werden sie auf Styroporplatten an den Wänden aufgesteckt und mit kleinen Zetteln beschriftet, bevor sie dann in die Ausstellungskasten gelegt werden. «Wir haben einen Mitarbeiter, der für uns die Insekten, aktuell vor allem Nachtfalter, in Hunderten von Stunden Freiwilligenarbeit bestimmt und präpariert. Müssten wir ihn bezahlen, könnten wir uns das gar nicht leisten», sagt Hotz.

Der Eisbär stammt aus Ostgrönland. (Bild: bic)

Welchen finanziellen Wert die ganze Sammlung des Museums besitzt, kann er hingegen nicht beziffern. Man könne solche Exponate nicht mit anderen Museumsobjekten wie Bildern vergleichen. Denn dort gebe es einen Markt, weshalb sich die Preise schätzen liessen. Hotz: «Walter Linsenmaier zum Beispiel hat seine Sammlung auch in der Freizeit betrieben, weshalb wir nicht wissen, wie viel Zeit er dafür aufgewendet hat.» Folglich habe man für die 1,5 Millionen Exponate auch keine spezielle Versicherung abgeschlossen.

«Hinzu kommt, dass sich das Museum sehr hohe Prämien gar nicht leisten könnte», so Hotz. Man kann also nur erahnen, welchen monetären Wert die Exponate für das Museum und die Gesellschaft an und für sich haben. «Als Beitrag zur Biodiversitätsforschung und als regionales Kulturgut sind sie aber von hohem gesellschaftlichem Wert», meint Hotz.

Ein eher kleines Museum

Trotz der Fülle an Objekten ist das Natur-Museum Luzern eines der kleineren seiner Art in der Schweiz. Seine zwei grössten Geschwister befinden sich in Genf und Zürich. Ausserdem bilden die Insekten den Löwenanteil der Luzerner Sammlung. «Über den Daumen gepeilt sind es 1'281'000 Insekten-Präparate», so Hotz. Dazu kommen 40'000 Objekte der Erdwissenschaften wie Steine und Fossilien, 126'000 pflanzliche und 89'000 weitere zoologische Exponate. Davon sind zirka 1'100 Säugetiere und 1'900 Vögel. Beim grossen Rest handelt es sich hauptsächlich um so genannte Mollusken, umgangssprachlich Weichtiere genannt.

Viele der Objekte, vor allem tierischer Herkunft, können aufgrund der klimatischen Bedingungen indes nicht am Kasernenplatz aufbewahrt werden, sondern befinden sich in einem Aussenmagazin beim Rotsee. «Wie fast alle Museen müssen auch wir unsere Sammlung vor dem sogenannten Museumskäfer, schützen, der sich von präparierten Tieren ernährt», erklärt Hotz. Das Aussenmagazin werde deshalb auf eine Temperatur heruntergekühlt, bei der sich die Schädlinge nicht vermehren können.

Naturgeschichte ist auch Gesellschaftsgeschichte

Einige Dutzend der über tausend Säugetiere sind trotzdem am Kasernenplatz eingelagert. Darunter auch ein Paradiessittich-Pärchen aus dem östlichen Australien. Hotz ist darauf besonders stolz, obwohl die Vögel im Gegensatz zu anderen Individuen der Sammlung eher schlecht präpariert sind: «Der Paradiessittich ist vor knapp hundert Jahren ausgestorben. Die beiden Vogelpräparate sind darum von weltweiter Bedeutung und besonders wertvoll.»

Das angesprochene Paradiessittich-Pärchen aus dem östlichen Australien. (Bild: bic)

Doch weshalb sammelt das Luzerner Natur-Museum Tiere, Pflanzen und Steine, die gar nicht aus der Region stammen? Geht es in erster Linie nicht darum, naturhistorische Entwicklungen des Kantons Luzern und der Innerschweiz aufzuzeigen? Darauf hat Benedict Hotz eine klare Antwort: «Wie die Paradiessittiche stammen auch diverse andere unserer präparierten Tiere aus der Zeit von vor rund hundert Jahren. Oft handelt es sich dabei um Schenkungen und Hinterlassenschaften von gutbetuchten Leuten aus der Region.»

Weil es der Mehrheit der Menschen damals nicht möglich war zu reisen und die Welt zu entdecken, hätten die Wohlhabenderen, meist Industrielle und Hoteliers, die Welt zu den Menschen nach Hause gebracht.

Reiche förderten die Bildung

Handelt es sich dabei auch um Jagdtrophäen? Zum Beispiel aus Afrika oder der Arktis? Hotz mahnt zur Vorsicht: «Es ist heikel, dies den Personen zu unterstellen. In vielen Fällen wollten diese Leute einfach etwas für die Bildung tun und stellten die in Übersee erstandenen Tiere den Museen und Schulen zur Verfügung.»

Eine Viezahl der Objekte hat das Museum geschenkt bekommen. (Bild: bic)

Und es gibt noch einen weiteren Aspekt, weshalb nicht alles aus der Region stammt. Es gehe nicht nur um die Objekte an sich, sondern auch um die Leute, die die Exponate gefunden und archiviert haben, führt Benedict Hotz aus. Man sei folglich verpflichtet, die Arbeit der Forscherinnen und Forscher aus der Region zu würdigen und zu konservieren.

Umzug oder nicht? Die Zukunft des Museums ist noch ungewiss

Wie lange die Exponate und das Museum noch am Kasernenplatz bleiben können, ist derzeit unklar. Denn der Kanton plant bekanntlich, das Kantonsgericht im heutigen Museum einzuquartieren und die Ausstellungsräume ins alte Zeughaus auf dem Musegghügel zu verschieben. Weiter sollen das historische und das Natur-Museum zusammengelegt werden. «Sollte es so weit kommen, wäre das für uns natürlich eine grosse Herausforderung», sagt Hotz.

«Gleichzeitig würde allenfalls die Möglichkeit bestehen, unsere ganze Sammlung unter einem Dach zu archivieren.» Dazu zählten zum Beispiel 4'000 weitere Kästen mit Insekten, die am Kasernenplatz kein Zuhause gefunden haben. Im Moment laufen Abklärungen, wo und wie ein solches neues Luzerner Museum betrieben werden kann.

«Die heutige Sammlung so zu erhalten ist aus genannten Gründen unsere Pflicht. Es gibt sogar internationale Richtlinien, wie man damit umgehen soll.» Diese Aufgabe sei sich auch die Politik bewusst, weshalb sie auch ein gemeinsames Sammlungszentrum für Natur-Museum und Historisches Museum vorschlage, blickt Hotz in die Zukunft.

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