In zwölf Stunden verschwand sie im Untergrund

Was macht diese Riesenröhre im Gütschwald?

Der Bauplatz für das neue Quellwasserwerk und die ausgelegte Leitung im Gütschwald aus der Luft (Bild: Schenk AG).

Eine gigantische Röhre lag letzte Woche im Gütschwald ob Luzern. Inzwischen ist die Wasserleitung im Boden verschwunden. Ihre Verlegung war der Auftakt zum neuen Quellwasserwerk der EWL. Wir stellen das Millionenprojekt vor – in acht Zahlen und zwölf Bildern.

Wer letzte Woche im Gütschwald spazieren ging, hätte den Eindruck erhalten können, es lauere dort ein fantastisches Schlangenwesen dem Prinzen auf, der sich nur zwecks Fitness-Steigerung ohne Rüstung (in Jogging-Kleidung) aus dem Märchenschloss Gütsch traut.

Kein Schlangenwesen, sondern eine Wasserleitung: Im Gütschwald wurde sie zusammengeschweisst (Bild: Schenk AG).

Kein Schlangenwesen, sondern eine Wasserleitung: Im Gütschwald wurde sie zusammengeschweisst (Bild: Schenk AG).

Die Realität ist nüchterner, aber nicht nüchtern: Der Fremdkörper im Wald ist eine riesige Wasserleitung von «Energie Wasser Luzern» (EWL). Sie ist Teil des neuen Quellwasserwerks, das die EWL auf dem Sonnenberg baut; das Projekt ist schweizweit einmalig, dazu später mehr. Letzte Woche wurde die Leitung im Sonnenberg versenkt – höchste Zeit, das Projekt vorzustellen. Statt Märchen gibt’s Zahlen und Fotos:

Vom Schacht an der Zumhofstrasse (hinten) bohrte man ein gut kilometerlanges Loch bis zum Ort (vorne), wo das neue Quellwasserwerk stehen soll (Bild: Schenk AG).

Vom Schacht an der Zumhofstrasse (hinten) bohrte man ein gut kilometerlanges Loch bis zum Ort (vorne), wo das neue Quellwasserwerk stehen soll (Bild: Schenk AG).

995 Meter Stahl

Die Druckleitung aus Stahl, die im Gütschwald ausgelegt und zusammengeschweisst wurde, ist 995 Meter lang und hat einen Innendurchmesser von 60 Zentimetern. Die Leitung soll ab 2018 Quellwasser vom Schacht an der Krienser Zumhofstrasse ins Quellwasserwerk in der Nähe der Bushaltestelle Obergütsch bringen.

In der Nähe der Bushaltestelle «Obergütsch» am Sonnenberg entsteht bis 2018 das neue Quellwasserwerk und ein Reservoir (Bild: Schenk AG).

In der Nähe der Bushaltestelle «Obergütsch» am Sonnenberg entsteht bis 2018 das neue Quellwasserwerk und ein Reservoir (Bild: Schenk AG).

Null Chemie

Der Höhenunterschied zwischen dem Schacht, wo das Wasser gesammelt wird, und dem Quellwasserwerk beträgt 23 Meter. Dank dieses Höhenunterschieds gelangt das Wasser mit Druck ins Quellwasserwerk und kann dort ohne zusätzliche Pumpen durch mehrere Aufbereitungsstufen gedrückt werden. Das Wasser wird unter anderem mit einem neuartigen Keramikmembranfilter aus Japan ohne Chemie gereinigt – eine Schweizer Premiere.

Im Februar war der Durchstich für das 1000-Meter-Bohrloch (Bild: Held AG).

Im Februar war der Durchstich für das 1000-Meter-Bohrloch (Bild: Schenk AG).


91 Zentimeter Loch

Die neue Leitung wurde grabenlos verlegt. Statt sie einzubuddeln, wurde zunächst ein Mini-Tunnel gebohrt, und die Leitung dann in das Bohrloch gezogen. Die riesige Bohrmaschine füllte ein Festzelt und drückte mehr und mehr 10-Meter-Stangen des Bohrgestänges hintereinander in die Erde – bis der Bohrkopf nach 1060 Metern wieder ans Tageslicht trat, das war im Februar. Dann wurde das Loch in mehreren Schritten bis zu einem Durchmesser von 91 Zentimetern verbreitert. «Unser Projekt ist insofern einzigartig, als dass noch nie ein Rohr dieser Dimension in diesem Verfahren eingezogen wurde», weiss EWL-Mediensprecherin Nicole Reisinger.

Die Bohrmaschine ist so gross, dass sie ein Partyzelt füllt (Bild: Schenk AG).

Die Bohrmaschine ist so gross, dass sie ein Partyzelt füllt (Bild: Schenk AG).

12 Stunden Arbeit

Während rund 12 Stunden waren 23 Mitarbeitende der Thurgauer Bohrfirma Schenk letzte Woche damit beschäftigt, die neue Wasserleitung unter die Erde zu bringen. Das lange Rohr brachte ein ordentliches Gewicht mit sich, entsprechend viel Kraft war dafür nötig. Muskeln spielten dabei jedoch höchstens eine untergeordnete Rolle: Am Ende der Bohrstangen wurde die Wasserleitung befestigt, das Bohrgestänge dann langsam eingefahren. So wurde die Leitung von der Bohrmaschine unter die Erde gezogen.

Am Ende des Bohrgestänges wurde die neue Leitung befestigt, dann begann die Bohrmaschine zu ziehen (Bild: Schenk AG).

Am Ende des Bohrgestänges wurde die neue Leitung befestigt, dann begann die Bohrmaschine zu ziehen (Bild: Schenk AG).

Zusätzlich half ein sogenannter «Pipe Pusher» auf der anderen Seite: Dieses Gerät umschloss die Leitung mit Pressbacken und stiess in derselben Geschwindigkeit, wie die Bohrmaschine zog. Damit wurde sichergestellt, dass sich das ausgelegte Rohr nicht verformte.

Wasser vom Nordhang des Pilatus wird im Eigenthal gefasst (Bild: EWL).

Wasser vom Nordhang des Pilatus wird im Eigenthal gefasst (Bild: EWL).

19 Quellen

Aus insgesamt 19 Quellen im Eigenthal und im Entlebuch kommt das Quellwasser auf den Sonnenberg. Im Moment kann davon rund zwei Drittel gar nicht verwendet werden: Die Technologie der Aufbereitung entspricht den Anforderungen nicht mehr. Das heutige Reservoir stammt aus dem Jahr 1874. Mit dem neuen Werk sollen täglich bis 30’000 Kubikmeter Trinkwasser produziert werden, das sind 30 Millionen Liter. Genau so viel Wasser brauchen die Luzernerinnen und Luzerner im Durchschnitt jeden Tag (das sind übrigens 2817 Liter pro Einwohner, Industrie und Gewerbe inbegriffen).

Der Bau des ersten städtischen Wasserreservoirs 1847 (Bild: EWL).

Über 140 Jahre lang kam das Wasser von hier: Der Bau des ersten städtischen Wasserreservoirs 1874 (Bild: EWL).

35 Prozent Quellwasser

Auch wenn die Fördermenge des neuen Wasserwerks an manchen Tagen den gesamten Bedarf der Stadt decken könnte, ist das nicht geplant: Künftig soll der Anteil des Quellwassers mindestens 35 statt 20 Prozent betragen. Dafür soll weniger Grundwasser verwendet werden, 15 statt 30 Prozent. Das braucht weniger Strom und weniger Geld: Denn das Grundwasser wird mittels elektrischen Pumpen vom Littauerboden zum Werk hochgepumpt. Weiterhin die Hälfte des Wassers wird aus dem Vierwaldstättersee stammen.

Der Bauplatz des neuen Wasserwerks mit der ausgelegten Leitung (Bild: Schenk AG).

Der Bauplatz des neuen Wasserwerks mit der ausgelegten Leitung (Bild: Schenk AG).

14,7 Grad französischer Härte

Nicht alle Stadtteile können vom Quellwasser profitieren – die Höhenenergie reicht zum Beispiel nicht aus, um das Wasser vom Sonnenberg ohne Pumpen auf den Wesemlinhügel zu transportieren. Untenstehende Karte zeigt die momentane Wasserversorgung der Stadt. In Zukunft werden die dunkelgelben und dunkelgrauen Bereiche der Stadt sowie die angrenzenden Teile von Hell- und Dunkelblau mit Quellwasser versorgt. Das Ziel der EWL wäre es, auch Hellgelb zum Teil mit Quellwasser zu versorgen. Denn dieses ist mit 14,7 Grad französischer Härte (°fH) wesentlich kalkarmer als das Grundwasser (27,7°fH), das Reussbühl und Littau im Moment versorgt. Schmecken wird man das neue Wasser übrigens kaum, meint EWL-Projektleiter Claudio Ganassi: «Aber die Waschmaschine und der Teekocher werden den Unterschied schon bemerken.»

Was trinken Sie? Die heutige Wasserversorgung in der Stadt Luzern (Bild: EWL).

Was trinken Sie? Die heutige Wasserversorgung in der Stadt Luzern (Bild: EWL).

28 Millionen Franken

Die Gesamtinvestitionen fürs neue Quellwasserwerk auf dem Sonnenberg betragen 28 Millionen Franken – gut 5 Millionen gehen allein an die Bohrfirma. Zum Projekt gehört auch ein neues unterirdisches Reservoir mit zwei Kammern. Ab Frühling 2018 soll das Wasser aus dem neuen Werk sprudeln. Das neue Werk stütze die Luzerner Wasserversorgung auf mehr Standbeine ab als bisher, erhöhe so die Sicherheit, erlaube bei Notfällen das Aushelfen in der Agglomeration und reduziere den Strombedarf bei den Grundwasserpumpen, begründet die EWL die Investition. Ausserdem habe Quellwasser ein gutes Image, denn es sei «durch die Zivilisation am wenigsten beeinflusst». Steigen dadurch die Wasserpreise? Das sei «aktuell nicht vorgesehen», heisst es dazu bei der EWL.

Der Bauplatz für das neue Quellwasserwerk und die ausgelegte Leitung im Gütschwald aus der Luft (Bild: Schenk AG).

Der Bauplatz für das neue Quellwasserwerk und die ausgelegte Leitung im Gütschwald aus der Luft (Bild: Schenk AG).

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