Redeschlacht um Sika geht in die nächste Runde

Was machen Köppel und Co an der Sika-GV?

Der Böse: Gelber Schein, rote Krawatte, säuselnde Stimme: Sika–Erbe Urs Burkard macht den Bösewicht mit grossem Talent. (Bild: Screenshot zentralplus)

Alles langweilig? Mitnichten: Die Redeschlacht um die Sika geht mit frisch aufgewärmten Gegnern in die nächste Runde. Auf der einen Seite: Das obere Management der Sika probt den Aufstand. Auf der anderen: Die Familie Burkard hat zwei neue Scharfmacher aus ungewohnter Ecke gefunden.

Eigentlich waren sich die Journalisten schon vorher einig: Diesmal wird’s langweilig. «Letztes Mal war’s viel spannender», raunt der erfahrenere Reporter dem jüngeren beim Eingang zur Sika-GV zu. Denn weitere Klarheit wird erst das Urteil des Zuger Kantonsgericht bringen, höchstwahrscheinlich im Sommer. Zu früh gegähnt, denn die verbale Schlacht um Sikas Ausverkauf durch die Gründerfamilie Burkard geht in eine engagierte nächste Runde.

In der einen Ecke gut aufgewärmt durch diverse PR-Massnahmen und der säuselnden Stimme jedes grossartigen Bösewichts: Urs Burkard (zentralplus berichtete). Sein überraschender Sidekick: SVP-Nationalrat Roger Köppel. Ganz recht: Der Fall Sika wird jetzt zur Politbühne. Man hat offenbar das Publikumspotenzial der Generalversammlung erkannt. Auf der anderen Seite der heldenhafte Verwaltungsrat, mit tapferer Miene und unbeugsamem Schweizer Akzent, unterstützt von weltweit per Livestream zuschauenden Sika-Teams auf Twitter.

«Wir haben Saint-Gobain in der Vergangenheit nicht gebraucht und werden sie auch in Zukunft nicht brauchen.»

Jan Jenisch, CEO Sika

Dazwischen: Ein überraschender und ergreifender Auftritt des oberen Managements. Der Rest? War schon vorher klar: Stimmrechtsbeschränkungen bei den sensiblen Punkten der Wiederwahl der unabhängigen Verwaltungsräte. Damit bleibt der Einfluss der Familie Burkard marginalisiert – zumindest bis das Kantonsgericht anders entscheidet. Trotzdem ist die GV ein Volksfest oder sogar ein Volkstheater: Mit lautem Buhen, wenn der Bösewicht auftritt, nur unterbrochen vom einsamen Klatschen eines motivierten Sympathisanten. Man munkelt: Ein Saint-Gobain-Mitarbeiter. Und Standing Ovations, wenn die Guten kommen. Es fehlt nur ein Lichtschwert und die passende Titelmusik, und das Ganze wäre reif fürs Kino.

Störfeuer durch die Familie Burkard

Aber von vorne. Den ersten Schlag in der Baarer Waldmannhalle liefert Sika-CEO Jan Jenisch: «Wir haben die Saint-Gobain in der Vergangenheit nicht gebraucht und werden sie auch in Zukunft nicht brauchen», sagt er nach seinem Bericht über das vergangene Jahr, in dem die Sika Rekordumsätze erarbeitet hat. Und setzt damit auch gleich den Ton für die Veranstaltung. «Man hat uns oft gefragt: Wie könnt ihr solche Zahlen haben – trotz dem Störfeuer durch die Familie Burkard?», sagt Jenisch. Das sei nur dank Engagement der Mitarbeiter und der unabhängigen Verwaltungsräte möglich gewesen. Grosser Applaus für alle Beteiligten. Ginge es hier um den Applaus, hätte Saint-Gobain keine Chance.

Richtig aufwühlend wird es allerdings, als ein Vertreter des Senior Managements in seiner dreiminütigen Redezeit 160 versammelte Senior Manager hinter sich versammelt und fragt: «Stehen wir zum Verkauf?» Die laute Antwort: «Nein.» Grossartiger Applaus.

Der Böse: Gelber Schein, rote Krawatte, säuselnde Stimme: Sika–Erbe Urs Burkard macht den Bösewicht mit grossem Talent.

Der Böse: Gelber Schein, rote Krawatte, säuselnde Stimme: Sika–Erbe Urs Burkard macht den Bösewicht mit grossem Talent.

(Bild: Screenshot zentralplus)

«Wir sind nicht in Nordkorea»

Und dann die Überraschungswaffe: «Der nächste Redner ist SVP-Nationalrat Roger Köppel», sagt Hälg. Und der legt gleich unter Lachen und leisen Frechheiten im Publikum los. Die Leistungen der Firma seien aussergewöhnlich. «Diese Leistungen werden aber überschattet. Es geht hier um etwas Grundsätzliches und Gefährliches. Es geht darum, ob wir die Rechte der Eigentümer in der Schweiz noch ernst nehmen. Oder ob wir es achselzuckend hinnehmen, wenn sich Aktionäre plötzlich wie die Mehrheitseigentümer eines Unternehmens aufführen.»

«Ich habe null Verständnis, wenn sich Verwaltungsräte wie wild gewordene Hausbesetzer benehmen.»

Roger Köppel, SVP-Nationalrat

Grosse Empörung im Publikum. Köppel grinst und sagt: «Hören Sie auch mal die andere Seite. Wir sind nicht in Nordkorea. Ein Eigentümer kann seine Mehrheit verkaufen. Es war und ist allen Beteiligten bekannt, dass die Familie Burkard über eine Mehrheit der Namensaktien verfügt.» Es habe auch immer Anleger gegeben, die nicht in die Sika investiert hätten.

Und Köppel weiter: «Es gibt ein Sprichwort: Augen auf beim Kauf. Was nun aber gar nicht geht: Die fintenreichen Störmanöver des Verwaltungsrats. Ich habe riesigen Respekt vor den wirtschaftlichen Leistungen. Aber ich habe null Verständnis, wenn sich Verwaltungsräte wie wild gewordene Hausbesetzer benehmen. Sie beschädigen unwiederbringlich die Rechtssicherheit. Respektieren Sie endlich die legitimen Rechte der Mehrheitseigentümer.»

«Herr Köppel, Ihre Zeit ist um.»

Paul Hälg, Verwaltungsratspräsident der Sika

«Herr Köppel, Ihre Zeit ist um», sagt Hälg, das Publikum findet’s gut. Ganz allgemein muss man konstatieren, dass Hälg bei den Saint-Gobain-Befürwortern früher auf die Redezeitbeschränkung schaut als bei den Gegnern, aber das nimmt man ihm hier an der GV nicht übel, im Gegenteil. Hälg: «Dem Verwaltungsrat geht es darum, dass diese Vinkulierung geprüft wird. Nur darum geht es. Es hat überhaupt nichts mit Eigentumsrechten zu tun.»

Der Gute: Gut gelaunt dank Rückhalt im Kleinaktionariat, Paul Hälg, Verwaltungsratspräsident.

Der Gute: Gut gelaunt dank Rückhalt im Kleinaktionariat, Paul Hälg, Verwaltungsratspräsident.

(Bild: Screenshot zentralplus)

Damit ist der Reigen der Politiker noch nicht geschlossen. FDP-Nationalrätin Doris Fiala nimmt Position für die Seite des Verwaltungsrats. «Meine Damen und Herren, als das gesamte Management hier vorne stand, das war eine Demonstration für Loyalität.» Grosser Applaus. «Es geht mir nach wie vor um Treu und Glauben. Denn unternehmerische Freiheiten müssen immer auch an Verantwortung geknüpft werden. Deshalb erlaube ich mir hier keck die Frage, wer enteignet hier eigentlich wen. Ein Rechtsstaat lebt die Gewaltentrennung. Wir wissen das. Die Gerichte werden leider diese Frage entscheiden müssen.»

Köppel ist in der Zwischenzeit schon wieder rausgelaufen, der Auftritt ist vorbei. Wie lange Fiala bleibt, ist nicht klar. Jetzt ist SVP-Nationalrat Hans-Ueli Vogt dran. «Ich frage mich, wie gut Sie noch schlafen, wenn Sie sich des Risikos bewusst sind, das Sie eingehen», richtet Vogt an Hälg. Und der entgegnet: «Vielen Dank, ich kann Ihnen versichern, ich schlafe gut.»

Und dazu erhält er in Zukunft auch eine Chance – der Trick mit der Vinkulierung geht auch dieses Jahr wieder auf. Alle Verwaltungsräte werden, dank der Beschränkung der Stimmrechte der Familie Burkard, wiedergewählt.

Strafe für den Aufstand: keine Entlastung

Die kleine Rache der Familie Burkard lässt nicht lange auf sich warten: Wie schon im letzten Jahr setzt sie ihre Stimmrechtsmehrheit dazu ein, den unabhängigen Verwaltungsräten die Entlastung zu verweigern. Das bedeutet: Der Verwaltungsrat wird auch das nächste Jahr über gratis arbeiten müssen. Das hat Hälg allerdings schon eingangs der Versammlung vorweggenommen, als er sagte: «Auch wenn uns noch einmal die Entlastung verweigert wird, werden wir uns weiter dafür einsetzen, dass die Sika unabhängig bleibt.»

Er ist damit allerdings alles andere als zufrieden. Paul Hälg: «Ich betrachte dies als Missbrauch der Aktionsrechte durch die Burkard–Erben. Sie zeigen damit ihr wahres Gesicht, ganz anders als sie es auf den Plakatwänden versucht haben.» Geleistete Arbeit nicht zu entschädigen sei nicht akzeptabel. «Gerade angesichts des enormen Wertes, den der Verwaltungsrat für die Aktionäre geschaffen hat. Die Ablehnung ist ein reines Abstrafen des unabhängiges Verwaltungsrates. Einziger Zweck ist die Destabilisierung der Sika–Führung.»

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