Bund passt Regelung an

Was Luzerner ÖV-Passagiere über ihre neuen Rechte wissen müssen

Wer sein Reiseziel mit massiver Verspätung erreicht, hat Anspruch auf eine Entschädigung. (Bild: zvg)

Ob Bus oder Bahn: Bei grossen Verspätungen und Kursausfällen sind Transportunternehmen neuerdings verpflichtet, Rückerstattungen oder Entschädigungen zu leisten. Den neuen Bestimmungen geht eine kontroverse Diskussion voraus. In Luzern sieht man den Regelungen gelassen entgegen.

Seit Jahresbeginn haben ÖV-Benutzerinnen stärkere Rechte. Das Personenbeförderungsgesetz wurde nämlich dahingehend angepasst, dass Transportunternehmen bei Kursausfällen und Verspätungen ab einer Stunde zu Rückerstattungen oder Entschädigungen verpflichtet sind. Gleiches gilt für Reisen mit internationalen Linienbussen, wobei hier die Abfahrtsverspätung massgebend ist.

Ausgenommen von der Entschädigungsregel des Bundes sind Seilbahnen und die Schifffahrt, da diese von schwierigen Wetterverhältnissen besonders stark beeinträchtigt werden können.

Geld gibts ab einer Stunde Verspätung

Und so funktioniert die neue Regelung: Anspruch auf eine Entschädigung hast du, wenn du das Reiseziel mit einer Verspätung von mindestens einer Stunde erreichst. Als Reiseziel gilt immer der Endpunkt deiner geplanten Reise im Schweizer ÖV (auch bei Umsteigeverbindungen). Der Entschädigungsbetrag ist abhängig vom bezahlten Fahrpreis und der Dauer der Verspätung.

Bei normalen Billetts gilt Folgendes:

  • Ab 60 Minuten Verspätung erhältst du 25 Prozent des Billettpreises.
  • Ab 120 Minuten Verspätung erhältst du 50 Prozent des Billettpreises.
  • Entschädigungsbeträge unter 5 Franken werden nicht ausbezahlt.

Für Abonnemente gilt indes Folgendes:

  • Ab 60 Minuten Verspätung erhältst du mindestens 5 Franken oder den Tageswert deines Abos als Entschädigung.
  • Insgesamt erhältst du maximal 10 Prozent des Abo-Wertes ausbezahlt. 
  • Du erhältst keine anteilige Entschädigung auf den Kaufpreis eines Halbtaxabonnements. 
  • Keine Entschädigung gibt es auf Kinder-Mitfahrkarten und Junior-Karten.

Entschädigung müssen mittels eines Online-Formulars beantragt werden. 

Das Recht darauf, etwas zu essen

Neben dem Anspruch auf Entschädigungen haben Reisende noch weitere Rechte bei Verspätungen, die direkt ans jeweilige Transportunternehmen gerichtet werden können. Hier eine Auswahl:

  • Wenn deine Reise aufgrund einer Verspätung oder eines Ausfalls ihren Zweck nicht mehr erfüllt, musst du sie nicht antreten und erhältst den Billettpreis erstattet.
  • Hast du deinen Anschluss aufgrund einer Verspätung oder eines Ausfalls verpasst, darfst du deine Reise ohne Nachzahlung bis zum Ziel fortsetzen – auch wenn du dafür einen anderen Weg einschlagen musst.
  • Wenn deine Reise aufgrund einer Verspätung oder eines Ausfalls ihren Zweck nicht mehr erfüllt, darfst du diese abbrechen und bekommst den Billettpreis erstattet.
  • Sofern am Bahnhof oder im Fahrzeug verfügbar oder lieferbar bekommst du «in angemessenem Verhältnis zur Wartezeit» Mahlzeiten und Getränke.

Tarifverbund geht von wenigen Forderungen aus

Auch der Tarifverbund Passepartout (Luzern, Ob- und Nidwalden) hat die nationalen Passagierrechte und das Entschädigungsmodell übernommen, bestätigt Mediensprecher Romeo Degiacomi auf Anfrage. «Wir gehen davon aus, dass der Tarifverbund zukünftig nur marginal betroffen ist von Rückforderungen infolge Verspätungen.»

Diese Annahme basiert unter anderem auch auf der Tatsache, dass in der Vergangenheit sehr wenige solche Rückforderungen eingegangen sind: «2019 und 2020 waren es pro Jahr weniger als 10 Billett- oder Abo-Rückforderungen», sagt Degiacomi.

Allerdings habe der Tarifverbund keinen endgültigen Überblick über solche Forderungen. Dies, weil Rückforderungen häufig am Schalter direkt oder bei den Transportunternehmen gestellt und erledigt werden, erklärt Degiacomi.

«Tatsache ist auch, dass die Zentralschweiz über ein sehr dichtes ÖV-Netz verfügt. Auf Ausfälle kann in unserer Region sehr schnell mit Ersatzzügen oder Bussen reagiert werden.»

Romeo Degiacomi, Mediensprecher Tarifverbund Passepartout

«Tatsache ist auch, dass die Zentralschweiz über ein sehr dichtes ÖV-Netz verfügt. Auf Ausfälle kann in unserer Region sehr schnell – beispielsweise mit Ersatzbussen – reagiert werden», sagt Degiacomi. Zudem gebe es auf fast allen Linien mindestens einen 60-Minuten-Takt, womit ein Entschädigungsanspruch in den meisten Fällen nicht wirksam werde.

Der Tarifverbund befürwortet die neue Regelung. Bisher hätten die einzelnen Transportunternehmen in solchen Fällen nach eigenem Ermessen und je nach Fall entschieden – etwa mit Fünf-Franken-Entschädigungsbons oder ähnlichem.

Die einheitliche Regelung auf nationaler Ebene sei in diesem Sinne begrüssenswert. «Es macht insbesondere auch mit Blick auf das Ausland Sinn. Dort kennt man grösstenteils schon seit längerem solche Entschädigungsmodelle. Hier schliesst die Schweiz eine Lücke», so Degiacomi.

Zunächst hätte kaum jemand profitiert

Den nun geltenden Bestimmungen ging eine ziemlich kontrovers geführte Diskussion voraus. Der erste Entwurf des Bundesrates wurde unter anderem vonseiten des Konsumen­tenschutzes massiv kritisiert.

Der Grund: Die ursprüngliche Version der Verordnung sah vor, dass Entschädigungsbeiträge unter 10 Franken nicht ausbezahlt werden.

Wie der «Beobachter» berichtete, hätte von einer solchen Regelung praktisch kein Reisender je profitiert. Dies, weil somit ein Bahnbillett mindestens 40 Franken hätte kosten müssen, damit ein Anspruch auf Entschädigung gegeben wäre.

Solche Tickets gibt es in der Schweiz kaum. Von Luzern aus hätte man somit mindestens nach Genf, Visp oder St. Moritz fahren müssen, um entschädigungsberechtigt zu sein.

Die Kritik hat gewirkt: Nun ist man ab einer Entschädigungssumme von 5 Franken (mindestens 20-Franken-Ticket) entschädigungsberechtigt.

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