Mitteparteien stellen die Chefs bei LUKB und Co.

Was ist dran am Filzvorwurf bei Luzerner Staatsbetrieben? Viel!

Die Mitte-Parteien dominieren, nicht nur in Luzern, in den strategischen Gremien staatsnaher Betriebe.

(Bild: zvg / Bildmontage)

Wenn Politiker gleichzeitig Posten in Wirtschaft und Verwaltung besetzen, kann das zu Interessenkonflikten führen. Eine zentralplus-Analyse zeigt: In Luzern sind die strategischen Ämter staatsnaher Betriebe ungleich auf die Parteien verteilt. Ein Experte erklärt: «Mit bürgerlichen Politikern kann man punkten.»

Nun ist es also amtlich: Mit Doris Russi Schurter übernimmt die Präsidentin der LZ-Medien auch das Ruder im Verwaltungsrat der Luzerner Staatsbank – wenn auch nicht ganz ohne Nebengeräusche (zentralplus berichtete). SVP-Fraktionschef Guido Müller beispielsweise ärgert sich: «Wenn Sie die Verwaltungsräte von Organisationen anschauen, die mit der öffentlichen Hand zu tun haben, so hat man das Gefühl, dass nur die CVP und FDP über fähige Personen verfügen.»

Für SP-Kantonsrat und Parteipräsident David Roth ist klar: «Russi Schurter steht der FDP nahe.» Roth befürchtet, dass «Luzerner Zeitung», «Tele 1» oder «Radio Pilatus» nicht mehr unabhängig berichten können. «Ich gehen davon aus, dass Russi-Schurter genug Sensibilität hat und von ihrem Mandat bei der LZ zurücktreten wird», kommentiert Roth Russi Schurters Wahl zur LUKB-Verwaltungsratspräsidentin.

«Mit bürgerlichen Politikern kann man punkten.»

Walter Stüdeli, Lobbying-Experte und Politikberater

zentralplus wollte wissen, was an diesen Vorwürfen dran ist, und hat unter anderem folgende wichtigen Gremien staatsnaher Betriebe in Kanton und Stadt Luzern unter die Lupe genommen:

  • Im Verwaltungsrat der Luzern Tourismus AG und im Stiftungsrat der Wirtschaftsförderung sitzt CVP-Kantonsrat und alt Stadtpräsident Stefan Roth.
  • Der Direktor der Luzerner Verkehrsbetriebe (VBL) ist CVP-Kantonsrat Norbert Schmassmann.
  • Im VBL-Verwaltungsrat nimmt CVP-Kantonsrätin Yvonne Hunkeler Platz.
  • Im Verwaltungsrat der Luzerner Kantonalbank vertritt der ehemalige FDP-Regierungsrat Max Pfister die Interessen der Bank.
  • Im Hochschulrat der Universität Luzern nimmt CVP-Nationalrätin Andrea Gmür-Schönenberger Platz.
  • Im Spitalrat des Luzerner Kantonsspitals sitzt FDP-Nationalrat Peter Schilliger.

SP- und SVP-Vertreter finden sich hingegen kaum; auch wenn diese Auswertung keinen Anspruch auf Vollständigkeit hat.

Linke Politiker lehnen Ämter teilweise ab

Für den Lobbying-Experten und Politikberater Walter Stüdeli ist das nicht überraschend: «Mit bürgerlichen Politikern kann man Mehrheiten finden.» Insbesondere im Hinblick auf amtierende Katonsräte machten in Luzern CVP-Leute Sinn, denn diese könnten im katholisch-konservativen Kanton mehrheitsfähige Lösungen schaffen.

Lobbying-Experte Walter Stüdeli, Inhaber von Köhler, Stüdeli und Partner, einer Berner Agentur für Politikberatung, Verbandsmanagement und Kampagnen.

Lobbying-Experte Walter Stüdeli, Inhaber von Köhler, Stüdeli und Partner, einer Berner Agentur für Politikberatung, Verbandsmanagement und Kampagnen.

(Bild: zvg)

Politiker rechts und links von der Mitte würden hingegen Risiken bergen. Denn diese können sich mit pointierten Aussagen negativ auf die Reputation und das Image einer Organisation auswirken. Kommt hinzu, dass sich nicht alle Politiker ein solches Amt wünschen: «Viele links-grüne Politiker lehnen Anfragen für Verwaltungsratsmandate ab, weil sie ihre Unabhängigkeit wahren wollen.» Ausserdem führe die Berufung von SVP-Mitgliedern bei Sozialdemokraten sowie Grünen zu Ablehnung und vi­ce ver­sa. Es droht also negative Publicity für die Unternehmen.

Fach- und Branchenwissen ist wichtig

Ein weiterer Grund für die überproportionale Vertretung von FDP und CVP begründe sich aus der Tatsache, dass wirtschaftsverständige Politiker tendenziell eher bei den bürgerlichen Parteien zu finden sind, erwähnt Stüdeli. Tönt nach logischen Gründen – und dennoch wird der Vorwurf der parteipolitisch motivierten Ämterbesetzung laut (zentralplus berichtete).

Aber was für einen Rucksack braucht es, um in einem Verwaltungs-, Spital- oder Stiftungsrat Einsitz zu nehmen? «Theoretisch gibt es ein Anforderungsprofil. Wichtig sind etwa Fach- und Branchenwissen. Auch das Beziehungsnetz eines potenziellen Kandidaten ist relevant.» Die Unabhängigkeit ist jedoch schwierig zu wahren, «denn der Übergang zwischen einem gut vernetzten Experten und Filz ist unscharf».

Katholische Kantone tun sich schwerer mit der Transparenz

Problematisch werde es, wenn Politiker als reine Interessenvertreter im Parlament agierten und die Gesetzgebung nach den Wünschen einzelner Organisationen gestalteten. Schwierig werde es auch, wenn ein Betrieb nicht alleine nach fachlichen Kriterien Verwaltungsratsmandate vergibt.

Dass Politik und Wirtschaft viele Berührungspunkte haben, ist kein luzernerisches Unikum: «Die Nähe zwischen Parlamentariern, Behörden, Verwaltungsräten, Lobby-Organisationen und Journalisten ist in der Schweiz generell gross», so Stüdeli: «Jeder kennt jeden.» Für Stüdeli ist es per se fragwürdig, wenn die gleiche Person in mehreren Gremien gleichzeitig sitzt.

Die 61-jährige Doris Russi Schurter präsidiert neu den Verwaltungsrat der Luzerner Kantonalbank (LUKB).

Die 61-jährige Doris Russi Schurter präsidiert neu den Verwaltungsrat der Luzerner Kantonalbank (LUKB).

(Bild: zvg)

Dennoch gibt es innerhalb der Schweiz Unterschiede, wie Stüdeli festhält: «Katholische und ländliche Kantone tun sich in der Regel schwerer mit dem Thema – etwa bei der Transparenz.» Bestes Beispiel ist das in Luzern abgelehnte Öffentlichkeitsprinzip (zentralplus berichtete). Dort verschärfe sich die bereits strukturell gegebene Nähe zwischen Politik und Wirtschaft. Stüdeli plädiert für eine klare Trennung zwischen politischen Ämtern und Mandaten in halbprivaten oder staatlichen Organisationen.

Einfluss schwer abschätzbar

Doch worin liegt die Attraktivität, in einem Spital- oder Verwaltungsrat Einsitz zu nehmen? «Eine solche Position ist mit Renomee und Status verbunden.» Auch die Entschädigung spiele eine Rolle. Insbesondere für Anwälte könne ein solches Amt ausserdem zu weiteren Mandaten, sprich juristischen Aufträgen, führen», erklärt Stüdeli. Das könnte beispielsweise auch auf Doris Russi Schurter zutreffen: Neben ihren zahlreichen Positionen in Verwaltungsräten arbeitet sie als selbstständige Rechtsanwältin.

Wie viel Einfluss in einem strategischen Gremium tatsächlich ausgeübt werden kann, ist schwer einzuschätzen. Russi Schurter weist die Kritik von Links und Rechts jedenfalls von sich: «Ich befürchte keine Interessenkonflikte.» Der Vorwurf, sie stehe einer Partei nahe, lässt Russi Schurter nicht gelten. Auf Anfrage sagt sie: «Ich kann bestätigen, dass ich keiner Partei angehöre und auch nie politisch engagiert war. Deshalb pflege ich auch keine Kontakte zu den politischen Parteien.» Sie sei nur in strategischer, nicht in operativer Funktion tätig.

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