Cham: Abstimmung über das «Papieri»-Areal naht

Was hat die Bevölkerung vom neuen Quartier?

Der Chamer Bauchef Rolf Ineichen beim Eingang des Papieri-Areals: Hier hat die Eigentümerin von Anfang an klargemacht, dass es keine Kanti geben soll.

(Bild: mbe.)

Am 25. September stellt die Chamer Bevölkerung die Weichen im «Papieri»-Areal. Die Arealbesitzerin will in den nächsten Jahren Wohnungen und Arbeitsplätze im 120’000 Quadratmeter grossen Gebiet realisieren. Durch die Umzonung erzielt sie einen hohen Mehrwert. Der Chamer Bauchef Rolf Ineichen ist überzeugt, dass auch die Gemeinde etwas davon hat.

«Papieri» nennen die Chamer die ehemalige Papierfabrik liebevoll. Viele Chamer oder ihre Vorfahren haben dort gearbeitet. Die Fabrik ist inzwischen ein Stück Zuger Industriegeschichte. Denn Papier produziert wird in Cham schon länger nicht mehr (siehe Box zur Geschichte unten). Renoviert wird aber auch nicht, an vielen Orten wächst Gras, Maschinen rosten vor sich hin. Man wartet.

Die Cham Paper Group als Besitzerin des Areals stellte bereits 2012 ein Umzonungsgesuch an die Einwohnergemeinde Cham. Nach einem langen Verhandlungs- und Planungsprozess, bei dem auch die Bevölkerung mitwirken konnte, ist es nun so weit: Am 25. September stellt Cham an einer Urnenabstimmung die Weichen für die Zukunft des Areals. Oder die Bevölkerung schickt das Projekt bachab.

Einsprachen abgearbeitet

Es gibt ein Richtprojekt, das als Sieger aus einem Testplanungsverfahren hervorgegangen ist. Das Einspracheverfahren nach der ersten öffentlichen Auflage im Frühling ist ebenfalls abgeschlossen (mehr dazu im Interview unten). Weil im Papieri-Areal verdichtet gebaut werden soll und die Gebäudevolumen teilweise von der Normbauweise abweichen, müssen die Chamer abstimmen. Einerseits über den Bebauungsplan und dann auch über die neue Bauzone «Papieri».

Mit 120’000 Quadratmetern Fläche sei das Areal eines der letzten grossen Baufelder in der Gemeinde Cham, argumentiert die Einwohnergemeinde. Es entstehe ein Wohn- und Arbeitsgebiet in Zentrumsnähe mit neuen Wohnungen für zirka 2000 Einwohner und bis zu 1000 Arbeitsplätzen.

«Ein ausgewogenes Projekt»

zentralplus wollte vom Chamer Gemeinderat Rolf Ineichen wissen, was das Projekt der Chamer Bevölkerung bringt. Der Vorsteher Planung und Hochbau war 2012 noch nicht im Gemeinderat, als die Verhandlungen begannen, er trat sein Amt im Januar 2015 an. Doch er kennt die Akten und Fakten. «Ich bin der Überzeugung, dass es ein ausgewogenes Projekt ist, über das wir abstimmen», sagt Rolf Ineichen, «ich denke, die Mehrheit der Chamer wird das auch so sehen.»

zentralplus: Herr Ineichen, wie wichtig ist die Urnenabstimmung über das Papieri-Areal für Cham, gab es etwas Vergleichbares in den letzten Jahren?

Rolf Ineichen: Nein. Von der Bedeutung her kann man schon von einem Jahrhundertprojekt sprechen. Rund 120’000 Quadratmeter Land werden einer neuen Nutzung zugeführt. Für den Bebauungsplan und die Umzonung braucht es obligatorisch eine Abstimmung.

zentralplus: Der Landpreis wird stark ansteigen durch die Umzonung. Profitiert vor allem die Cham Paper Group davon?

Ineichen: Dass die Umzonung einen Mehrwert für den Landeigentümer generiert, ist richtig. Die Gemeinde profitiert aber ebenfalls. Heute ist das Areal Industrieland. Ein Teil liegt bereits heute in der Wohn- und Gewerbezone. Die neue «Zone Papieri» wird eine Mischzone für Wohnen und Gewerbe mit Auflagen. So muss der Wohnanteil mindestens 50 Prozent, der Gewerbeanteil mindestens 25 Prozent betragen.

zentralplus: Wie viel beträgt der Quadratmeterpreis jetzt und nach der Umzonung?

Ineichen: Der Quadratmeterpreis richtet sich nach Angebot und Nachfrage. Zudem sind nicht alle Baufelder gleich attraktiv und ein Teil der Fläche ist als Freiraumfläche ausgeschieden. Einen konkreten Quadratmeterpreis zu nennen ist daher schwierig. Tatsache ist, dass durch die Umzonung und Nutzungsänderung ein Mehrwert für den Eigentümer entsteht.

zentralplus: Das ist schön für die Cham Paper Group. Doch was haben die Gemeinde und die Bevölkerung davon?

Ineichen: Meine Vorgänger im Gemeinderat haben 2012, als die Grundbesitzer das Umzonungsgesuch einreichten, zwei Bedingungen gestellt. Die erste war, dass die Gemeinde mitreden kann. Es sollte ein kooperativer Prozess sein. Die zweite Bedingung war, dass die Allgemeinheit dafür direkt etwas bekommen sollte.

zentralplus: Die Cham Paper Group hatte sicher keine Freude damals.

Ineichen: Die Verhandlungen waren nicht ganz einfach, es wurde intensiv diskutiert, wie ich von meinen Vorgängern erfahren habe. Es war den Grundbesitzern aber bewusst, dass sie auch etwas geben mussten. Doch es war keine Verpflichtung. Man erzielte zusammen tragfähige Ergebnisse. Insgesamt können wir heute sagen, dass wir einen ausgereiften Vorschlag zur Abstimmung bringen.

zentralplus: Und was schaut für die Allgemeinheit jetzt konkret heraus?

Ineichen: Die Gemeinde bekommt verschiedene Landstücke geschenkt, die wir einer öffentlichen Nutzung zuführen können. Das sind 5600 Quadratmeter im Bereich Teuflibach, wo heute das «ZuKi» ist; ein weiteres Stück Land mit 5400 Quadratmetern bei den Baufeldern M1 und M2 an der Knonauerstrasse inklusive Lagerhaus; dazu kommen rund 7000 Quadratmeter Land vom Papieri-Gleis, die wir als Langsamverkehrsfläche für eine neue Verbindung vom Areal ins Dorfzentrum nutzen können. Es entstehen 100 preisgünstige Wohnungen, welche die Arealbesitzerin gemäss dem kantonalen Wohnbauförderungsgesetz erstellen muss. Das sind die Punkte, welche man im städtebaulichen Rahmenvertrag bereits 2014 definiert hat.

«Es gab Einsprachen von Privatpersonen und Verbänden. Die Hauptkritik von Privaten kam wegen der Höhe der Hochhäuser.»

Rolf Ineichen, Bauchef Cham

zentralplus: Genügt das, um die Bevölkerung für ein Ja zu begeistern?

Ineichen: Der Nutzen für die Gemeinde ist auch, dass ein neues Wohn- und Arbeitsgebiet in Zentrumsnähe entsteht, mit Platz für 2000 Einwohner und möglichen 1000 Arbeitsplätzen. Was man auch nicht vergessen darf: Das Areal ist heute abgeschlossen. Nachher wird es grösstenteils öffentlich zugänglich sein. Vor allem der Lorzenraum wird stark aufgewertet durch den geplanten neuen Lorzenufersteg. Im unteren Teil, wo sich heute die Kläranlage befindet, wird alles zurückgebaut und renaturiert, die Landschaft bekommt also ebenfalls etwas zurück.

zentralplus: Es gab 14 Einsprachen gegen das Bauprojekt (zentralplus berichtete). Was wurde kritisiert?

Ineichen: Es gab Einsprachen von Privatpersonen und Verbänden. Die Hauptkritik von Privaten kam aus dem Wohnquartier Knonauerstrasse/Schluechtstrasse wegen der Höhe der Hochhäuser. Hochhäuser haben jedoch den Vorteil, dass mehr Freiflächen möglich sind. Auch ein Baufeld von 117 Metern Länge an der Knonauerstrasse wurde als zu lang, zu massiv und zu hoch kritisiert.

zentralplus: Wie ist die Gemeinde mit den Einwendungen umgegangen?

Ineichen: Einem Drittel der Einwender konnten wir entsprechen und Lösungen finden. So wird der Riegel an der Knonauerstrasse nun unterbrochen, es sollen zwei Gebäude gebaut werden. Zudem wurde die maximale Gebäudehöhe um zwei Meter reduziert. Einem weiteren Drittel der Einwendungen konnte teilweise entsprochen werden. Für das letzte Drittel konnte mit den Einwendern keine Einigung erzielt werden. Da war ein Gemeinderatsentscheid erforderlich. Einwendungen, Entscheide und Stellungnahmen des Gemeinderats werden in den Abstimmungsunterlagen aufgeführt sein.

Aufwertung: Entlang der Fabrikgebäude an der Lorze soll ein Steg realisiert werden.

Aufwertung: Entlang der Fabrikgebäude an der Lorze soll ein Steg realisiert werden.

(Bild: mbe.)

zentralplus: Was haben die Verbände kritisiert?

Ineichen: Drei Verbände haben rekurriert und teilweise gute Einwände gebracht. Wir konnten bei den meisten Anliegen Lösungen finden. Eine Einwendung betraf den Verkehr. Der VCS stellte die Frage, was passiert, wenn die Umfahrung Cham – Hünenberg (UCH) nicht kommt. Wir haben jetzt die Bedingung eingebaut, dass die Umfahrung in Betrieb sein muss, wenn 50 Prozent der zulässigen anrechenbaren Geschossfläche überschritten werden. Ansonsten braucht es ein neues Verkehrsgutachten für den Rest der Überbauung.

zentralplus: Sie mussten den Bebauungsplan auch beim Kanton einreichen, gab es da Kritik?

Ineichen: Wir standen immer in Kontakt, sodass nichts Gravierendes kam. Die Ausnützungsziffer hat die Gemeinde mit 1,4 tiefer angesetzt als der Kanton, der 2,0 wollte. Wir wollten keine zu hohe Ausnützung, damit attraktive Freiflächen entstehen können und die Überbauung Rücksicht auf die historischen Gebäude und die umliegenden Quartiere nehmen kann.

zentralplus: Wann fahren die Bagger auf und wie schnell wird das gesamte Areal überbaut sein?

Ineichen: Wenn das Stimmvolk zustimmt, in der zweiten öffentlichen Auflage keine Einwände oder Beschwerden eingehen und der Kanton Bebauungsplan und Zonenplanänderungen genehmigt, kann bis im Frühjahr oder Sommer 2017 Rechtskraft erlangt werden. Somit kann frühestens 2018 mit einem Baubeginn gerechnet werden.

zentralplus: Ein kleiner Werbespot von Gemeindeseite: Wieso sollten die Chamerinnen und Chamer am 25. September Ja stimmen?

Ineichen: Sie legen damit den Grundstein für ein neues, nachhaltig genutztes und durchmischtes Quartier mit hoher Lebensqualität. Wir haben die einmalige Chance, einen tollen neuen Dorfteil mit vielfältigen Nutzungen zu erhalten. In Etappen werden 900 bis 1250 Arbeitsplätze und 900 bis 1200 Wohnungen inklusive 100 preisgünstiger Wohnungen geschaffen. Dank Wegachsen für den Langsamverkehr werden zudem neue und attraktive Verbindungen auch für die angrenzenden Quartiere unserer Gemeinde entstehen.

Geschichte der «Papieri» auf einen Blick

1657 Gründung der Papiermühle an der Lorze

1840 Erste Papiermaschine in Cham

1978 Fusion der Papierfabriken Cham und Tenero

1993 Übernahme der italienischen Papierfabrik Cartiera di Carmignano inklusive Werk Condino

1999 Übernahme der norwegischen Papierfabrik Hunsfos Fabrikker AG

2007 Stilllegung des Tessiner Werks Tenero; Jubiläum 350 Jahre Papierfabrik Cham

2008 Verkauf des norwegischen Hunsfos-Werks

2009 Umbenennung der «Cham-Tenero AG» in «Cham Paper Group Schweiz AG»

2011 Schrittweise Einstellung der Papierproduktion in Cham aufgrund des starken Frankens, 200 von 300 Stellen werden gestrichen.

2012 Die Verleihung des Zuger Innovationspreises an die Cham Paper Group durch den Zuger Regierungsrat sorgt für Ärger bei den Gewerkschaften; die Papieri-Besitzer stellen ein Umzonungsgesuch an den Gemeinderat Cham.

2014 Ankündigung eines Abbaus von weiteren 50 Stellen, produziert wird nur noch in Italien. Das Projekt eines Neubaus in Cham für die Herstellung von schmutzabweisenden Lebensmittelverpackungen wird mangels Nachfrage abgeblasen.

2015 Die Cham Paper Group Switzerland Inc. beschäftigt in Cham noch rund 50 Personen in Verkauf, Entwicklung und Logistik in ihrem Bürogebäude. Die anderen Gebäude sind momentan zwischengenutzt.

2016 Urnenabstimmung in Cham über die Zukunft des Papieri-Areals.

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