Resultate der Mitwirkung zur räumlichen Entwicklung

Was Baarer wollen: Mehr Grün! Mehr Parkplätze! Weniger Tempo!

Manche mögens alt, manche ganz modern. Beim Mitwirkungsprozess zur räumlichen Entwicklungsstrategie spürt man unterschiedliche Vorlieben. (Bild: wia)

Wie soll sich Baar räumlich entwickeln? Dazu konnte sich die Bevölkerung kürzlich digital äussern. Insgesamt sind 820 Stellungnahmen eingegangen. Die Auswertung zeigt, dass insbesondere ein Thema den Baarern unter den Nägeln brennt.

Alle ungefähr 15 Jahre müssen die Gemeinden ihre Ortsplanungen überprüfen und den geänderten Verhältnissen anpassen. Die Zuger Gemeinden befindet sich aktuell mitten in diesem Prozess. Bis spätestens 2025 müssen sie ihre Ortsplanungen revidiert haben. Im Zuge dessen wird auch eine räumliche Entwicklungsstrategie (RES) erarbeitet, mit welcher sich die Gemeinde Baar Leitlinien für die zukünftige Entwicklung setzt.

In Baar konnte die Bevölkerung im Frühling im Rahmen einer Onlinemitwirkung kundtun, was ihr an der Gemeinde fehlt, worauf ein stärkerer Fokus gesetzt werden soll und wo sie kritische Punkte sieht.

«Der Gemeinderat wurde vom Echo positiv überrascht: Rund 130 Personen und Institutionen haben insgesamt 820 Stellungnahmen eingereicht», heisst es in einer Medienmitteilung vom Donnerstag. «Die Anregungen und Ideen aus der Bevölkerung sind für die weitere Ortsplanungsrevision von grosser Bedeutung.»

Die rege Teilnahme habe allerdings den ambitionierten Zeitplan kurz ins Wanken gebracht. Statt bereits im Juli könne die definitive Strategie nun erst Anfang November vom Gemeinderat verabschiedet werden. «Weil wir aber parallel bereits mit den Vorarbeiten für die Richt- und Nutzungsplanung begonnen haben, sind wir trotzdem auf Kurs», lässt sich Gemeinderat Jost Arnold zitieren.

Ein 25-seitiger Bericht

Was wünschen sich denn nun die Baarerinnen? Die Medienmitteilung bleibt dazu äusserst vage, weshalb wir einen Blick in die Tiefen des 25-seitigen Mitwirkungsberichts werfen. Dort geht es um Leitsätze und Ziele der Gemeinde und darum, wie die Bevölkerung zu diesen steht.

Auffallend: Gleich beim ersten Leitsatz ist man gespalten. Dieser lautet: «Baar ist ein attraktiver und innovativer Ort in der Lorzenebene mit urbanen Strukturen und dörflichen Qualitäten.» Nur bei rund 50 Prozent findet die Aussage eher oder vollkommene Zustimmung.

Die Räumliche Entwicklungsstrategie

Die Räumliche Entwicklungsstrategie (RES) wurde in den Jahren 2020 und 2021 von der Abteilung Planung / Bau, externen Fachplanern und unter Einbezug eines Begleit- und eines Reflexionsgremiums erarbeitet, in denen Vertreterinnen von Parteien, Interessengruppen und der Bevölkerung Einsitz nehmen. Im Herbst 2021 startet die Ausarbeitung der grundeigentümerverbindlichen Richt- und Nutzungsplanung. Auch in dieser zweiten Phase wird sich die Bevölkerung einbringen können.

Auf Anfrage erklärt Jost Arnold: «Das Problem ist der Begriff der Lorzenebene. Viele können sich mit diesem Begriff nicht identifizieren.» Dass die Diskrepanz mit den «urbanen Strukturen und dörflichen Qualitäten» zu tun haben könnte, verneint der Baarer Bauchef.

Andere Leitsätze finden viel deutlichere Zustimmung. Etwa dieser: «Die Identitäten der unterschiedlichen Zentrumsbereiche sind gestärkt und zu einem attraktiven sowie lebendigen Ortskern verbunden.» Kaum jemand widerspricht dem.

Der Verkehr macht den Baarerinnen Kummer

Ebenso sind sich die meisten Teilnehmenden einig, dass eine nachhaltige kombinierte Mobilität, eine gute Vernetzung und lebenswerte Strassenräume das «Rückgrat der Entwicklung» seien. Doch gerade hier, in Sachen Verkehr, häufen sich die Rückmeldungen der Teilnehmer. Verschiedene Befragte wünschen sich Temporeduktionen oder eine grundsätzliche Vermeidung des Durchgangsverkehrs in Baar, jemand verlangt ein Roadpricing.

Eine andere Person wünscht sich eine Schliessung der Dorfstrasse an Wochenenden. Auch Velowege sollen sicherer und durchgängiger gemacht werde. Viele dieser Anliegen verspricht die Gemeinde im Rahmen des kommunalen Gesamtverkehrskonzeptes zu prüfen.

«Es fehlt eine wirkliche Vision für den Verkehr.»

Teilnehmende beim Mitwirkungsverfahren

Ein weiteres Bedürfnis: Ladestationen für E-Autos. Andere hingegen finden, dem motorisierten Verkehr werde zu wenig Geltung getragen in der räumlichen Entwicklungsstrategie. Auch sollen verschiedene Vorschläge zur Parkierung gemacht werden. Und jemand wünscht sich, ganz konkret, dass die Höllstrasse autofrei werde.

Passend zu den durchaus unterschiedlichen Inputs in Sachen Verkehr äussert sich eine Person kritisch: «Es fehlt eine wirkliche Vision für den Verkehr.»

Wenn man den Langsamverkehr nur schon früher ernst genommen hätte

Jost Arnold gibt zu, dass der Verkehr eine der grössten momentanen Herausforderungen sei. «Auch wenn sich die Tangente sehr positiv ausgewirkt hat», wie er auf Anfrage sagt. So habe der Verkehr durchaus abgenommen im Dorf. Dennoch sei es in der Erarbeitung des Nutzungskonzepts wichtig, das Augenmerk auf den Langsamverkehr sowie die Fussgänger zu legen.

Arnold sagt: «Schade, dass man das nicht schon früher gemacht hat.» Ist das etwa leise Kritik an seinen Vorgängern? «Nein, das ist keine Kritik. Früher waren diese Themen schlicht weniger präsent.»

Apropos Tangente: Hätte es nicht Sinn gemacht, mit der öffentlichen Mitwirkung wenige Monate abzuwarten, bis die Tangente eröffnet wurde? «Nein», so Jost Arnold dezidiert. «Die Problematik, den Langsam- und den Fussverkehr besser mit dem motorisierten Individualverkehr in Einklang zu bringen, bleibt dieselbe.»

Weg mit dem Ackerland! «Njet!», sagt die Gemeinde

Nebst dem Verkehr nimmt auch das Thema Ökologie einen auffallend grossen Stellenwert ein bei den Teilnehmern. «Weniger Asphalt und mehr Grün und Bäume», wünscht sich jemand. Dies insbesondere, um die Hitze in Siedlungsgebieten zu mindern. Dies will die Gemeinde in der künftigen Strategie berücksichtigen. Auch die Forderung, dass die Bevölkerung auf Biodiversität sensibilisiert werden soll, will die Gemeinde beherzigen.

Wagemutig fordert jemand, dass die Landwirtschaftsflächen reduziert werden, um aus ihnen Freiräume zu schaffen. Diesem Input will die Gemeinde hingegen nicht nachgehen. «Fruchtfolgeflächen müssen erhalten bleiben», so der Kommentar dazu.

Betreffend der Entwicklung der Siedlungsgebiete wird der Ruf laut, dass historische Bauten gesichert werden. Dem stimmt die Gemeinde zu: Man wolle identitätsstiftende Bauten fördern. Auch fordert man einen Stadtentwickler für Baar, mehrmals wird auch gewünscht, dass das Ziel der Verdichtung höher gewichtet wird.

Und wie geht es nun weiter?

Nun hat die Gemeinde also 820 Inputs bearbeitet und in die Planung eingeflochten. Dies, obwohl die Rückmeldungen für die Gemeinde keine Verbindlichkeit haben. Vielmehr gehe es darum, zu spüren, was die Bürger beschäftige.

Die definitive Strategie liegt aber noch nicht vor. Die Abteilung Planung/Bau sei nun zusammen mit den externen Fachplanern daran, aufgrund der Stellungnahmen die Leitsätze, Karten und Ziele zu bereinigen. Im November soll die vom Gemeinderat verabschiedete Vorlage an einer Informationsveranstaltung der Öffentlichkeit präsentiert und publiziert werden. Zudem werde über die weiteren Schritte der Ortsplanungsrevision informiert.

Dies ist gleichzeitig der Startschuss für die Richt- und Nutzungsplanung, in der die Ergebnisse auf einzelne Parzellen heruntergebrochen werden. Will heissen: Nun wird die Flughöhe verringert, es geht ins Detail (siehe Box).

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