Drei Krienser und ihre Ideen zum Andritz-Areal

Was auf der Krienser Industriebrache alles entstehen könnte

Die Andritz Hydro AG an der Obernauerstrasse in Kriens.

(Bild: Andritz)

Einst einer der wichtigsten Arbeitgeber in Kriens, ist die Andritz Hydro AG an diesem Standort bald nur noch ein Schatten ihrer selbst. Entsteht hier nun eine hippe Wohnsiedlung oder ein topmodernes Wirtschaftszentrum? Drei Krienser präsentieren für zentralplus ihre zuweilen ausgefallenen Ideen, wie das Areal in Zukunft genutzt werden soll.

Auf 12’000 Quadratmetern, oder umgerechnet rund 1,5 Fussballfeldern, wartet mitten in Kriens ein ungenutztes Gelände auf seine Zukunft. Das Andritz-Areal ist eines der letzten Zeitzeugen der Krienser Industriegeschichte. Die Weichen für die Zukunft des Gebiets sind noch nicht gestellt. Während die Krienser Politik und die derzeitigen Liegenschaftsbesitzerin verhandeln, haben wir bei Experten und Kriensern nachgefragt, was ihre Wünsche und Vorstellungen zum bisher abgeschlossenen Industriedistrikt sind.

Vorschlag 1 – Gerold Kunz: «Ein Tunnel nach Kriens»

Architekt und Denkmalpfleger

Architekt Gerold Kunz.

Architekt Gerold Kunz.

(Bild: zvg)

Gerold Kunz, Architekt und Denkmalpfleger in Nidwalden, lebte viele Jahre in Kriens. Seine Kernbotschaft: Lasst dem Areal und den Kriensern Zeit. «Für über 150 Jahre war das Gebiet nicht Teil von Kriens, die Öffentlichkeit hatte keinen Zugang. Alle Überbauungen richteten sich darauf aus, dass es sich um ein geschlossenes Firmenareal handelt.» Bevor deshalb auf dem Areal die Bagger auffahren, wünscht sich Kunz etwas rebellisch eine zehnjährige Zwischennutzung mit Provisorien, Gebasteltem, Behelfsmässigem und einer Buvette.

Diese soll im Sommer zwischen den Bauten oder unter einem Industriehallendach, im Winter in einer Halle Platz finden: «Die Gebäude sollten nur instand gehalten werden, es sollten keine baulichen Veränderungen an den Grundstrukturen vorgenommen werden.» Für den Architekten entstünden in der Phase der Zwischennutzung die Bedürfnisse der Bevölkerung, wie die Industriebrache genutzt werden kann. «Die Krienser Behörden und die Politik müssen den Mut finden, zu sagen, dass es eine Überforderung darstellt, innerhalb von zwei Jahren ein passendes Konzept zu entwickeln.

Die umgenutzte Lokremise in der Stadt St. Gallen dient Gerold Kunz als Inspiration für das Andritz-Hydro-Areal. Das heute als Kulturzentrum eingerichtete Gebäude ist zusammen mit dem danebenliegenden Wasserturm ein Kulturdenkmal von nationaler Bedeutung.

Das Restaurant in der ehemaligen Lokremise in der Stadt St. Gallen. Diese Umnutzung dient Gerold Kunz als Inspiration für das Andritz-Hydro Areal. Das heute als Kulturzentrum eingerichtete Gebäude ist zusammen mit dem danebenliegenden Wasserturm ein Kulturdenkmal von nationaler Bedeutung.

Das Restaurant in der ehemaligen Lokremise in der Stadt St. Gallen.

(Bild: Andreas Praefcke / Wikicommons)

Ein weiterer Wunsch ist finanzpolitisch sehr umstritten: «Ich möchte einen Tunnel von Kriens nach Littau, quer durch den Sonnenberg.» Der Tunnel müsste in den Augen von Kunz für Fussgänger und Fahrradfahrende benutzbar sein, könnte aber auch eine öV-Verbindung enthalten. Für das Andritz-Hydro-Areal würde es bedeuten, dass von diesem aus der Zugang zum Tunnel wäre. Wo genau, das müsse noch überlegt werden.

In Zentrum des Areals soll ein Meeting Point entstehen: «Ein Treffpunkt wie an einem Bahnhof, mitten im Areal.» Dieser könne eine Arena sein, eine Art «Parlamentssaal», ein Theater. Ein Ort, der Tag und Nacht frei zugänglich sein soll. Kunz empfiehlt einen internationalen Gestaltungswettbewerb. Der Meeting Point soll in den Augen von Kunz zum «Big Picture» des Areals werden und inspirieren.

Den Vortritt hätten Fussgänger und Velofahrer: «Ich möchte ein engmaschiges Fuss- und Velowegnetz durchs Areal. Die Krienser sollen sich wie die ehemaligen Mitarbeiter frei bewegen können auf dem Areal.» Ganz euphorisch wird Kunz, wenn es um die Grünflächen geht: «Ich möchte mich an einem botanischen Garten beteiligen und wäre bereit, einen Verein mit zu gründen.»

Ein Gebiet von rund 12’000 Quadratmetern steht in Kriens zum Verkauf. Die ungefähre Ausprägung des Areals innerhalb der roten Linie.

Ein Gebiet von rund 12’000 Quadratmetern steht in Kriens zum Verkauf. Die ungefähre Ausprägung des Areals innerhalb der roten Linie.

(Bild: Bildmontage / Google)

 

Vorschlag 2 – Gilles Morf: «Das Krienser Zentrum. Eine Leere»

Abteilungsleiter Ortsplanung und Baugesuche im Kanton Zug

Der Krienser Gilles Morf ist Abteilungsleiter Ortsplanung und Baugesuche im Kanton Zug und verdeutlicht die verkehrstechnisch schwierige Lage der Andritz Hydro: «Das Areal liegt direkt am Verkehrs-Nadelöhr zwischen Oberdorf und Unterdorf. Die Erreichbarkeit ist stark eingeschränkt.»

Gilles Morf ist Abteilungsleiter Ortsplanung und Baugesuche im Kanton Zug.

Gilles Morf ist Abteilungsleiter Ortsplanung und Baugesuche im Kanton Zug.

(Bild: zvg)

Auch für Velofahrer von und nach Obernau sei dieser Bereich ungünstig: «Eine Zumutung und sehr gefährlich.» Schon heute herrsche massiver Stau auf der Kantonsstrasse. Deshalb sei eine Verdichtung im herkömmlichen Sinne, die zu Mehrverkehr beim motorisierten Individualverkehr führt, nicht zu verantworten. Für Morf kommt deshalb nur eine Lösung infrage: «Eine Nutzung ohne Parkplätze.»

Morf betont die strategische Wichtigkeit des Areals für das Dorfzentrum: «Mit dem Schappe-Coop-Center wurde das Krienser Zentrum auseinandergerissen.» Früher waren Coop und Migros in Fussgängerdistanz erreichbar, das ist heute nicht mehr der Fall: «Im Zentrum ist ein Vakuum entstanden. Eine Leere.» Auch deshalb hätten sich Zwischennutzungen etabliert, die sonst in einem lebenden Zentrum selten oder nie anzutreffen seien. Etwa ein Sonnenstudio, ein Velohändler oder Kebab-Lokale.

Morf hofft, dass sich die Situation mit dem neuen Gemeindezentrum bessert (zentralplus berichtete). Mit dem Andritz-Hydro-Areal könne ein Beitrag geleistet werden, diese Lücke zu schliessen und etwas Verbindendes zu schaffen. Unattraktiv sei auch der Bus-Wendeplatz gegenüber dem Areal: «Eine Betonwüste mit Hinterhof-Architektur, ein grosser Platz ohne Ambiente.»

 

Eine weitere Impression aus der Lokremise in St. Gallen.

Eine weitere Impression aus der Lokremise in St. Gallen.

(Bild: Gerold Kunz)

Und was darf es nun konkret sein? «Das Areal sollte meines Erachtens als Park mit Pavillon, mit offenem Krienbach-Gewässer und Freiluft-Aufenthaltsraum analog dem Vögeligärtli Luzern genutzt werden.» Es soll als Zeuge der Krienser Industriegeschichte dienen. Gleich auf der anderen Strassenseite entsteht das Jugend- und Kulturzentrum Schappe Süd. Morf wünscht sich ein verbindendes Element zwischen Jung und Alt, einen Generationenpark mit Infrastrukturen für Jung und Alt und fordert mutig: «Die Kantonsstrasse als trennendes Element zwischen Nord und Süd sollte aufgebrochen werden. Warum nicht Tempo 30 Zone auf der Kantonsstrasse?» Man fahre dort ohnehin nur eine geringe Geschwindigkeit. Die Gestaltung des Areals sollte auch die ganze Umgebung mit Wendeschleife miteinbeziehen.

Vorschlag 3 – Werner Baumgartner: Schicksalsprojekt Andritz-Areal

Präsident des SC Kriens und Inhaber einer Immobilienentwicklungsfirma

Werner Baumgartner, Präsident SC Kriens und Bauunternehmer.

Werner Baumgartner, Präsident SC Kriens und Immobilienentwickler

(Bild: zvg / SC Kriens)

Wie Morf und Kunz sieht Werner Baumgartner, Präsident des SC Kriens und Inhaber einer Immobilienentwicklungsfirma, Chancen in der Krienser Industriebrache: «Das Areal hat enormes Potenzial und wird ein Kernstück für die Zukunft von Kriens sein.» Das Grundstück habe für die Gemeinde seit dem 19. Jahrhundert eine grosse Bedeutung. «Ich bin überzeugt, dass es eine sehr wichtige Rolle für das Selbstverständnis von Kriens bilden wird.» Er erhebt es gar zum Schicksalsprojekt der Kommune: «Es wird mitentscheiden, ob es Kriens schafft, eine eigenständige und interessante Gemeinde mit einem lebendigen und attraktiven ‹Dorfzentrum› zu werden.»
 
Baumgartner skizziert eine durchmischte Nutzung bestehend aus Dienstleistungen, Gewerbe, generationenübergreifendem Wohnen und allenfalls nicht gewinnorientierten Nutzungen: «Auf jeden Fall darf dieser Stadtteil nicht zu einem Strassenfeger werden. Es ist wichtig, dass das Leben spürbar wird.» Denn das Areal werde einen entscheidenden Einfluss auf die umliegenden Liegenschaften haben.

Wie geht es weiter mit dem Areal?

Zurzeit laufen ein Wettbewerb sowie ein Entwicklungskonzept über die Einbettung des Areals in die Zentrumszone. «Bisher wurde das Gelände auf Wunsch der Andritz Hydro bei der Zonenplanung nicht beachtet», erklärt Matthias Senn, Gemeinderat und Bauvorsteher.

Ziel: Die Firma soll bleiben

Ganz vom Krienser Zentrum wegziehen wird Andritz vorerst nicht. Zwar werden die rund 80 Stellen in der Produktion verlagert nach Ravensburg (DE), das geschieht frühstens in fünf Jahren. Die restlichen rund 250 Arbeitsplätze bleiben vorerst. Doch fest steht dies nicht. Zur Verhandlung stehen möglicherweise nicht nur die 12’000 Quadratmeter, sondern gar das gesamte Areal über 36’000 Quadratmeter, schreibt Cyrill Wiget, Gemeindepräsident von Kriens. «Das Ziel, die Firma hier halten zu können, bleibe bestehen.»

Aus der Perspektive der Krienser Gemeinderates gilt bis auf Weiteres der Status quo. Das heisst: «Es bleibt eine Arbeitszone, bis der Einwohnerrat auf einen allfälligen Antrag etwas anders entscheidet», hält Cyrill Wiget, Gemeindepräsident von Kriens, fest. Es gebe kein Recht auf Umzonung.

Der Investor ist nicht bekannt

Vonseiten der Andritz Hydro ist nicht bekannt, wer als Käufer des riesigen Firmenareals infrage kommt, so Senn: «Die Andritz Hydro wird den Namen erst nach Unterzeichnung des Vertrages bekannt geben.» Eine Alternative ist, dass die Gemeinde gleich selbst das Gelände ersteigert. Das fordert der Grüne Fraktionschef Bruno Bienz in einem Vorstoss, ihm schwebt etwa ein Handwerkerzentrum vor. Diese Variante stösst beim Gemeinderat nicht auf taube Ohren: «Der Gemeinderat hat Interesse signalisiert.»

Während das Management der Andritz in Kriens offenbar nicht per se abgeneigt ist, fehlt vom Hauptsitz des österreichischen Unternehmens in Graz ein Signal, erklärt Wiget: «Zu einem Käufer gehört auch ein williger Verkäufer, und den gibt es zurzeit nicht.» Derzeit laufen laut dem Gemeinderat Gespräche mit der lokalen Geschäftsleitung.

 

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