FDP kritisiert städtischen Nachhaltigkeitsbericht

Warum tummeln sich Zürcher Bettwanzen in einem Bericht über die Stadt Zug?

Bettwanzen (Bild) sind im Nachhaltigkeitsbericht ein Thema. Ob und wie viele es in Zug gibt, erfährt man jedoch nicht.

(Bild: PD)

Alle zwei Jahre flattert der Nachhaltigkeitsbericht in alle Briefkästen der Stadt Zug. Er sage wenig aus und erreiche sein Ziel nicht, findet FDP-Gemeinderätin Karen Umbach. Der Zuger Stadtrat kontert die Kritik. zentralplus hat sich das Ganze angeschaut und einige Merkwürdigkeiten entdeckt.

Karen Umbach und ihre Fraktionskollegen haben eine Interpellation zum periodisch erscheinenden Nachhaltigkeitsbericht der Stadt Zug eingereicht. Die Antwort des Zuger Stadtrats liegt jetzt vor. Umbach betont auf Anfrage von zentralplus, sie kritisiere nicht das Ziel des Berichts: «Nachhaltigkeit geht uns alle an. Es ist auch nicht ein Links-Rechts-Thema».

Doch sie kritisiere, wie der Bericht gemacht sei und was er aussage. «Was darin steht, könnte man auf einer halben A4-Seite zusammenfassen», sagt die Stadtzuger FDP-Politikerin.

«Was darin steht, könnte man auf einer halben A4-Seite zusammenfassen.»
Karen Umbach, FDP-Gemeinderätin Zug

Karen Umbach, FDP

Die Stadtzuger FDP-Gemeinderätin Karen Umbach.

(Bild: FDP)

Der Bericht zeige weder auf, wo man auf dem Weg zur 2000-Watt-Gesellschaft stehe. Noch, wie das Ziel erreicht werden könne. Doch das sollte er eigentlich, und auch die zehnköpfige politische Nachhaltigkeitskommission mit Präsident Urs Raschle hat diesen Auftrag gefasst (siehe Kasten).

Ziel nur teilweise erreicht

In seiner Antwort auf die Interpellation weist der Stadtrat als Erstes auf den Volksauftrag der Initiative «2000-Watt-für-Zug» hin. «Der Bericht ist Teil der Umsetzung dieser Forderung», schreibt er.

Ziel sei, der Leserschaft aufzuzeigen, was im Rahmen der langzeitlichen Betrachtung eine Rolle spielen könne und wo die Stadt Zug auf dem Weg einer nachhaltigen Entwicklung stehe. Der Bericht wolle «sensibilisieren und informieren».

Die überschaubare Anzahl Flugbewegungen über Zug.

Die überschaubare Anzahl Flugbewegungen über Zug.

(Bild: Nachhaltigkeitsbericht Stadt Zug 2016)

«Rückmeldungen aus der Bevölkerung und anderen Städten lassen hier eine gewisse Wirkung erkennen», schreibt der Stadtrat. Das Ziel, dass der Bericht auch von der Politik als Standortbestimmung aufgenommen wird, um daraus weitere Schritte abzuleiten, sei bis jetzt «nur teilweise erreicht worden», räumt die Exekutive ein.

«Rückmeldungen aus der Bevölkerung und anderen Städten lassen hier eine gewisse Wirkung erkennen.»
Der Zuger Stadtrat

 

Cercle Indicateur: Die Balken stehen für die Ergebnisse der Stadt Zug. Der schwarze Rhombus markiert den Durchschnitt der teilnehmenden Schweizer Städte.

Cercle Indicateur: Die Balken stehen für die Ergebnisse der Stadt Zug. Der schwarze Rhombus markiert den Durchschnitt der teilnehmenden Schweizer Städte.

(Bild: Nachhaltigkeitsbericht Stadt Zug 2016)

Cercle Indicateur vergleicht Städte und Kantone

Der Bericht ist erst zwei Mal erschienen, 2014 und 2016. zentralplus hat einen Blick in die Ausgabe 2016 geworfen. Im Bericht verweist man als Erstes auf den «Cercle Indicateur».

Die Nachhaltigkeitskommmission

Die Nachhaltigkeitkommission besteht aus zehn Personen. Ihr Präsident ist Stadtrat Urs Raschle (CVP). Weitere Mitglieder sind die Gemeinderäte Ivano de Gobbi (SP), Astrid Estermann (ALG), Josef Kalt (FDP), Barbara Müller-Hoteit (CSP), Isabelle Engel-Reinhart (CVP), Raphael Tschan (SVP). Mit beratender Stimme in der Kommission tun die Behördenvertreter Walter Fassbind, Regula Kaiser und Dina Matter mit.

Das ist eine Plattform, welche die nachhaltige Entwicklung von 17 Kantonen und 19 Städten einheitlich erfasst und so vergleichbar macht. Auch der Kanton Zug beteiligte sich bereits zum vierten Mal an der Erhebung (zentralplus berichtete).

Die aktuelle Erhebung des Cercle Indicateurs zur Nachhaltigkeit der Stadt Zug bestätigte 2016 das gute Ergebnis von 2013, heisst es.

Zug in vielen Bereichen überdurchschnittlich

Tatsächlich liegt die Stadt bei vielen gemessenen Dingen klar über dem schweizerischen Durchschnitt. Positiv ist das bei der Wasserqualität, der Luftqualität, dem Einkommen (doppelt so hoch!), der Wirtschaftsstruktur, dem Kultur- und Freizeitangebot, der sozialen Unterstützung und der überregionalen Solidarität (NFA!). Eher negativ ist der hohe Rohstoffverbrauch über dem Durchschnitt.

Nachholbedarf hat Zug bei der Verminderung des Lärms, den Investitionen, beim Verursacherprinzip (starke Abweichung, ungenügend) und ebenfalls bei der Integration. Schade ist, dass die Zahlen vergleichbarer Städte nicht angegeben werden. Und die Grafik ist teilweise fehlerhaft gestaltet.

Die Nachhaltigkeitskommission zieht folgendes Fazit über die Stadt Zug: «Die Entwicklungen bei den erneuerbaren Energien, beim Wasserhaushalt und bei der Bildung weisen auf eine Verbesserung hin, während die Biodiversität und die Partizipation eine negative Entwicklung aufzeigen.»

Was haben Bettwanzen in Zürich mit der Nachhaltigkeit der Stadt Zug zu tun, fragt sich nicht nur die FDP Zug.

Was die Bettwanzen-Plage in Zürich mit der Nachhaltigkeit der Stadt Zug zu tun, fragt sich nicht nur die FDP Zug.

(Bild: Nachhaltigkeitsbericht Stadt Zug 2016)

Lokale Themen mit Fragezeichen

Neben dieser national einheitlichen Beurteilung beleuchtet die Nachhaltigkeitskommission in ihrem Bericht aber auch bewusst Indikatoren mit mehr Lokalbezug. Wer einen Blick hineinwirft, staunt etwas über den Themenmix. Was zum Beispiel die Bettwanzen-Plage mit dem Thema oder mit Zug zu tun haben, ist schwer nachvollziehbar. Zumal die angeführte Statistik gar nicht aus Zug, sondern aus der Stadt Zürich stammt. Quelle ist die Beratungsstelle Schädlingsbekämpfung von Umwelt- und Gesundheitsschutz Zürich.

Unser Schluss: Entweder gibt es (noch) keine Bettwanzen in Zug. Oder das Thema ist den Autoren so unangenehm, dass man erst gar nicht in Zug nachzufragen gewagt hat. Reingenommen hat man das Thema trotzdem, was den Verdacht nahelegt, dass die unangenehmen kleinen Viecher sich auch in Zuger Matrazen wohl fühlen.

Was Schüler-Austausch oder die Nachbarschaftshilfe mit Nachhaltigkeit zu tun haben, erschliesst sich dem Leser ebenso wenig. Ob die Flugbewegungen in zehn Kilometern Höhe über Zug – von Montag bis Freitag sind es rund 50 – wirklich relevant sind für die Nachhaltigkeit, kann man sich ebenfalls fragen.

Was müssen die Zuger konkret tun?

Fazit: Der Bericht ist ein ziemliches «Chrüsimüsi». Dafür verzichtet er darauf, klar zu sagen, was die Stadt Zug oder ihre Bevölkerung ganz konkret im Alltag ändern müsste, damit sie das Ziel der 2000-Watt-Gesellschaft wirklich erreicht. Das wagt man wohl nicht zu sagen, um niemanden zu verärgern. Da gäbe es doch einigen Verbesserungs- und Schärfungsbedarf für die Kommission.

Der nächste Bericht wird 2018 herausgegeben.

Stadtrat findet die 28’000 Franken eine sinnvolle Investition

Für die Produktion des Nachhaltigkeitsberichts wendet die Stadt 13’985 Franken auf, erfährt man in der Antwort auf die FDP-Interpellation. Druck und Versand kosten weitere 14’788 Franken. Das macht totale Kosten von 28’773 Franken.

Ob der Stadtrat der Meinung sei, dass diese Kosten gut investiertes Geld seien, wollen die FDP-Gemeinderäte wissen. Der Stadtrat antwortet Ja und findet praktisch nur lobende Worte für die Broschüre.

Online zu wenig für den Stadtrat

Auch will der Stadtrat nicht einsteigen auf die Frage der Politiker, ob man den Bericht nur alle vier (statt zwei Jahre) verfassen und nur auf der Homepage veröffentlichen könnte. Der Bericht wird bereits neben der gedruckten Version auch online aufgeschaltet.

Auf den Druck ganz verzichten will die Stadt jedoch nicht. «Um die Bevölkerung der Stadt Zug zu erreichen, ist eine Papierversion erforderlich», heisst es. Die Bereitschaft, sich damit auseinanderzusetzen, sei höher als mit der digitalen Variante.

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