Ausnüchterungszelle so teuer wie Fünf-Sterne-Hotel

Warum kostet eine Nacht im Zuger «Hotel Suff» so viel?

Eine der Ausnüchterungszellen in der Zuger Strafanstalt – wo man für 590 bis 780 Franken pro Nacht seinen Rausch ausschlafen muss, wenn man in Gewahrsam genommen wird.

(Bild: woz)

Wer ab nächstem Jahr in Zug in die Ausnüchterungszelle wandert, muss für diese Herberge der speziellen Art nicht zu knapp bezahlen. Andernorts kommt dieses zweifelhafte Vergnügen deutlich günstiger.

Betrunkene, die die Zuger Polizei zwecks Ausnüchterung in Gewahrsam nimmt, müssen ab dem 1. Januar 2018 für die verursachten Kosten aufkommen. Sprich: dafür in die eigene Tasche greifen. Und das ziemlich tief. Denn diese Zelle hat durchaus Fünf-Sterne-Status. Zumindest, was den Preis angeht.

Bis zu 780 Franken teuer

In Zug kostet eine Übernachtung in der Ausnüchterungszelle nämlich pauschal 590 Franken. Ohne ärztliche Untersuchung. Braucht’s zusätzlich medizinische Abklärungen mit Polizeibegleitung, beläuft sich die Rechnung pro Person gar auf 780 Franken. So viel Geld für eine Nacht, nur um den Rausch auszuschlafen?

Klo und Waschbecken.

Klo und Waschbecken.

(Bild: woz)

Für diesen Preis könnte man lässig etwa im Zuger Parkhotel einchecken. Und zwar sogar in der Parkhotel Suite – die kostet ab nächstem Jahr 600 Franken die Nacht. Mit Kingsize-Bett übrigens statt Einheitsmatratze.

«Die Höhe der Pauschale richtet sich nach Durchschnittswerten des Polizeiaufwands.»

Beat Villiger, Zuger Sicherheitsdirektor

Warum aber bloss also ist so eine Ausnüchterungszelle so teuer in Zug? Ist das womöglich der legendäre und viel beschworene «Zuger Finish», der einfach immer etwas teurer kommt als vergleichbare Einrichtungen in anderen Kantonen?

Gratis-Zahnpasta und in Plastik abgepackte Zahnbürste

Sicherheitsdirektor Beat Villiger erklärt, dass die Kosten für die Ausnüchterungszelle nicht für die Übernachtung oder die Nutzung der Zelle anfallen, sondern für die notwendige polizeiliche Begleitung und Betreuung. «Die Höhe der Pauschale richtet sich nach Durchschnittswerten des Polizeiaufwands, der in der Regel in der Nacht und an Wochenenden anfällt», so Villiger.

Gratis: Zahnpasta und Zahnbürste.

Gratis: Zahnpasta und Zahnbürste.

(Bild: woz)

Die Kosten würden konkret rund vier Arbeitsstunden von Polizistinnen und Polizisten entsprechen, einem zweistündigen Einsatz einer Zweierpatrouille pro begleitete oder in Gewahrsam genommene Person. Hinzu kommen – so Villiger – die Effektenaufnahme, die allfällige Ausstattung mit geeigneter Kleidung, die Entlassungsformalitäten sowie das Aufräumen der Zelle.

Wer einen Blick in eine der fünf Ausnüchterungszellen in der Zuger Strafanstalt werfen kann – dort, wo es insgesamt 35 Zellen hat und wo in der Regel neben Untersuchungshäftlingen Straftäter mit Haftdauer bis zu einem Jahr hinter Schloss und Riegel kommen –, den erwartet nicht viel.

Im Kanton Luzern günstiger, aber …

Und doch ist es mehr, als man denkt: eine Matratze, eine Sitzfläche, ein Papierkorb, ein vergittertes Fenster, zwei Videokameras, eine Trennwand, ein WC und ein Waschbecken, ein teils zerkratzter Spiegel und teils geritzte Wände. Nicht zu vergessen: Zahnpasta und Zahnbürste. Es sieht sehr sauber aus. Der Geruch ist neutral – keine Spuren von Urin oder Erbrochenem.

Auch im Kanton Schwyz geht’s ähnlich exklusiv wie in Zug zu in Sachen Kostenveranlagung. «Gemäss Gebührentarif ist mit Kosten von 600 Franken zu rechnen», sagt David Mynall, Sachbearbeiter Kommunikation der Kantonspolizei Schwyz. Müsse ein Arzt zur Klärung der Haftfähigkeit beigezogen werden, werde dieser gemäss dessen Abrechnung weiterverrechnet.

Dabei geht es auch deutlich billiger. Im Kanton Luzern müssen Betrunkene pro Nacht deutlich weniger berappen. In der Verordnung über den Gebührenbezug bei der Luzerner Polizei, Paragraf 8a unter «Gebühr für polizeiliche Gewahrsam wegen Trunkenheit», steht da nämlich schwarz auf weiss: «Personen, die zu ihrer Ausnüchterung in polizeilichen Gewahrsam genommen werden, haben eine Gebühr von 300 Franken zu bezahlen.»

Zimmer mit Aussicht.

Zimmer mit Aussicht.

(Bild: woz)

«Weiter führt dies zu einer Anzeige an die zuständige Staatsanwaltschaft gemäss Übertretungsstrafgesetz», erklärt Urs Wigger, Mediensprecher bei der Luzerner Polizei. Diese Anzeige führe zu einer Busse und entsprechenden Gebühren. «Über die Höhe dieser Kosten kann ich keine Angabe machen, da dies nicht in der Zuständigkeit der Polizei liegt.» Also doch nicht ganz so billig.

Im Zürcher «Stundenhotel» ist die erste Stunde Rauschausschlafen gratis

Sagt’s und zitiert nochmals aus Paragraf 19 besagter Verordnung: «Wer durch Trunkenheit öffentliches Ärgernis erregt, wird mit einer Busse bestraft. Die Polizei kann Betrunkene, die öffentliches Ärgernis erregen, zur Vermeidung weiterer Störungen nach Hause oder in Spitalpflege bringen oder bis zu 24 Stunden in Gewahrsam nehmen.»

«Bei uns kommt nur jemand zur Ausnüchterung, wenn er oder sie sich selbst oder Fremde ernsthaft und unmittelbar gefährdet.»

Michael Walker, Mediensprecher Stadtpolizei Zürich

Auch bei der Stadtpolizei Zürich ist das «Hotel Suff» günstiger als in Zug. Wobei – wer dort eingewiesen wird, bezahlt eine Art «Stundenhotel»-Tarif. «Bis zu einer Stunde ist die Ausnüchterungs- und Betreuungsstelle der Zürcher Stadtpolizei gratis», erklärt Mediensprecher Michael Walker. Eine bis drei Stunden kosten 450 Franken, drei bis sechs Stunden 520 Franken. Und wenn’s mehr als sechs Stunden werden, muss man über 600 Franken Sicherheitskosten berappen.

Blick in den Innenhof der Zuger Strafanstalt.

Blick in den Innenhof der Zuger Strafanstalt.

(Bild: woz)

«Bei uns kommt nur jemand zur Ausnüchterung, wenn er oder sie sich selbst oder Fremde ernsthaft und unmittelbar gefährdet», sagt Walker. Das ist übrigens auch im Kanton Zug so. Die angeführten Kosten würden laut Walker für die Dienste des anwesenden Sicherheitspersonals veranschlagt. Seien weitere medizinische Abklärungen mit ärztlichem Personal notwendig, würden die dafür entstehenden Kosten separat abgerechnet.

In Zug rund zehn Personen pro Jahr in der Ausnüchterungszelle

Dabei wurden 2016 laut «Tagesanzeiger» 751 Personen von der Zürcher Stadtpolizei in dieses stille, abgeschlossene Örtchen spediert. Alleine am Street-Parade-Samstag im August nahm die Polizei 18 betrunkene und mit Drogen zugedröhnte Raver in Gewahrsam. Dabei sind nur rund 40 Prozent der in Ausnüchterungshaft Befindlichen tatsächlich Zürcher.

In Zug sind es da deutlicher weniger Personen, die pro Jahr in die Ausnüchterungszelle wandern. Sicherheitsdirektor Beat Villiger: «Wir rechnen aufgrund der Erfahrungswerte mit etwa zehn Fällen pro Jahr.»

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