Warum in Zug ein über 400-jähriges Haus abgerissen wurde
Es war eine eigentliche Perle: das aus dem Jahre 1591 stammende Haus Oberer Roost in der Stadt Zug. Vor acht Jahren dann das unrühmliche Ende: Das Haus wurde dem Erdboden gleich gemacht. Pikant: Es gehörte der Stadt Zug.
Am Donnerstag steht im Zuger Kantonsrat die Revision des Denkmalschutzgesetzes auf der Traktandenliste. Bürgerliche Politiker und die Zuger Regierung wollen den Denkmalschutz im Kanton aufweichen (zentralplus berichtete). So soll die Position der Besitzer eines schützenswerten Hauses massiv ausgebaut werden. Das könnte in letzter Konsequenz dazu führen, dass nur noch Gebäude geschützt werden, wenn die Eigentümer damit einverstanden sind.
Die Regierung plant zudem weitere Lockerungen. Beim Denkmalschutz gilt aber: Weg ist weg. Wenn der Wert eines Kulturgutes erst im Nachhinein richtig erkannt wird, dann ist es unwiderruflich zu spät. Drastisch zeigt dies das Beispiel des Hauses Oberer Roost in der Stadt Zug. Es stammte aus dem 16. Jahrhundert und wurde vor wenigen Jahren abgerissen.
Erinnerung an einen Blickfang
Es war in diesem Sommer, als in einem Leserbrief an das herrschaftliche Haus «Zum Oberen Roost» in Zug erinnert wurde. Mit seinem verwunschenen Garten und der herrlichen Lage über dem Zugersee war das Ensemble im Süden der Stadt eine eigentliche Perle und für die Zugreisenden auf der Strecke Zug – Arth-Goldau ein Blickfang.
«Es ist wirklich unverständlich, dass dieses Haus nicht unter Schutz kam.»
Andreas Bossard, Zuger Alt Stadtrat
Der Kernbau des Oberen Roost wurde – wie auch eine schöne Inschrift am Kellerportal belegte – im Jahre 1591 errichtet. Ein Um- und Anbau im nördlichen Teil erfolgte im Jahre 1812. Aus dieser Zeit stammten auch wesentliche Teile der Ausstattung wie Täfer, Parkett und Kachelöfen.
In keinem Inventar aufgeführt
Die neben dem Hauptgebäude liegende und ebenfalls abgebrochene Scheune wurde im Jahre 1755 errichtet. Im Jahre 2010 folgte dann das unrühmliche Ende: Das Haus wurde abgerissen. Besitzerin des Anwesens war die Stadt Zug.
«Die Eigentümerschaft konnte bei der Tätigung der Planungsinvestitionen davon ausgehen, dass das Haus abgebrochen werden dürfe.»
Franziska Kaiser, Kantonale Denkmalpflegerin
Kaum zu glauben: Dieses uralte Haus war nicht einmal in einem Inventar aufgeführt. Immerhin das sollte heute eigentlich nicht mehr passieren. Die Inventarisationsarbeiten im Kanton Zug sind mittlerweile abgeschlossen. Für die Zukunft ist eine regelmässige Aktualisierung des Inventars im Rahmen der gemeindlichen Ortsplanungsrevisionen vorgesehen.
Heute sähe es anders aus
Heute werden im Kanton Zug alle Gebäude, die älter als 40 Jahre sind, überprüft. Im Kanton Bern zum Beispiel werden gar alle Häuser mit Jahrgang 1990 einer systematischen Überprüfung unterzogen. Vor diesem Hintergrund bleibt um so rätselhafter, wieso vor wenigen Jahren in der Kantonshauptstadt ein so altes Gebäude dem Erdboden gleich gemacht wurde.
Der frühere Zuger Stadtrat Andreas Bossard erklärt, dass man das Haus Roost aus heutiger Sicht in die nun dort bestehende Überbauung integrieren würde. Dies sei leider beim damaligen Wettbewerbsverfahren unterlassen worden. «Heute stehen dort vier langgezogene Blöcke. Dieses alte Haus hätte der ‹kalten› Überbauung ein Gesicht gegeben.»
Bossard weist darauf hin, dass die Denkmalpflege das Haus kurz vor dessen Abbruch im Jahre 2010 untersucht hatte. «Ich habe einen Augenschein bei diesen Arbeiten vorgenommen. Ich staunte, was da zerstört wurde.» Bilder von diesem bauhistorischen Untersuch sind auf der Denkmalpflege vorhanden und die Resultate zur Bauuntersuchung «Hofstrasse 42, Oberer Roost» im Tugium 27/2011 nachlesbar.
Der Kernbau des Hauses Oberer Roost im Süden der Stadt Zug bestand aus einem gemauerten Sockelgeschoss und einem zweigeschossigen Blockbau. Das Kielbogenportal im Kellerbereich war mit der Jahreszahl 1591 und den Initialen «HB», dem Wappen der Familie Brandenberg, versehen.
Zudem war ein Steinmetzzeichen angefügt. Dieses stammte vom bekannten Zuger Stadtbaumeister Jost Knopfli (1550–1634), welcher unter anderem das Kapuzinerkloster Zug erbaut hatte. Erster Besitzer des Hauses war der 1629 verstorbene Leutnant Hans Brandenberg, welcher in Zug unter anderem als Stadtschreiber wirkte.
1774 gelangte der Roosthof in den Besitz von Josef Leonz Müller, der in Bischofszell als Chorherr tätig war. Nach seinem Tod wurde von seiner Familie für den Oberen Roost ein Fideikommiss eingerichtet. Im Jahre 1972 kaufte die Stadt Zug das ganze Anwesen.
Kein Einzelfall
«Es ist wirklich unverständlich, dass dieses Haus nicht unter Schutz kam», sagt Bossard. Er verweist in diesem Zusammenhang auch auf den politischen Druck, der in solchen Fragen auf den betreffenden Ämtern und Behörden lastet. «Vor dem Hintergrund dieser politischen Situation und auch infolge fehlender Inventare sind in der Vergangenheit einige wertvolle Objekte leider für immer verschwunden.»
Bis zur aktuellen Inventarrevision seien die schützenswerten Gebäude im Kanton Zug nie systematisch erfasst worden, erklärt Franziska Kaiser von der Denkmalpflege. In Zusammenhang mit dem Neubauvorhaben im Roost sei das Amt für Denkmalpflege damals auf das Objekt aufmerksam gemacht worden.
Kein Antrag der Denkmalkommission
«Weil die Planungen für den Neubau bereits fortgeschritten waren und das Objekt auch nicht im Inventar verzeichnet war, verzichtete die Denkmalkommission darauf, einen Antrag auf Unterschutzstellung zu stellen. Die Eigentümerschaft konnte bei der Tätigung der Planungsinvestitionen davon ausgehen, dass das Haus abgebrochen werden dürfe.»
Das Beispiel zeige aber, dass es wichtig sei, die potenziellen Schutzobjekte flächendeckend zu erfassen und somit frühzeitig «auf dem Radar» zu haben. Nur so könne Rechtssicherheit für die Eigentümerschaft gewährleistet und gleichzeitig sichergestellt werden, dass keine wertvollen Kulturgüter verloren gingen.
Bleibt anzufügen: Der Entscheid, das Haus Roost bauhistorisch untersuchen zu lassen, erfolgte im Jahre 2004. Es gab also einen Zeitpunkt deutlich vor dem Abbruchjahr (2010), als man die Bedeutung des Hauses bereits erkannt hatte. Zudem: Als Eigentümerin hätte auch die Stadt Zug selbst eine Unterschutzstellung verlangen können.
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