Zug steht in Zentralschweiz am schlechtesten da

Warum hat der Boom-Kanton deutlich mehr Arbeitslose?

Zug hat trotz oder gerade wegen des Wirtschaftsbooms die meisten Arbeitslosen in der Zentralschweiz.

(Bild: woz)

Es ist klingt nach Jammern auf hohem Niveau. 2,4 Prozent: So viele Arbeitslose hatte der Kanton Zug im Schnitt 2017. Zwar liegt man damit unter dem nationalen Durchschnitt. Und doch ist dies der schlechteste Wert in der Zentralschweiz. Woran liegt’s? Der Grund dafür ist verblüffend: Von einem «Mismatch» ist die Rede.

Die Wirtschaft in Zug brummt. Überall summen die Kräne über Baustellen. Immer neue Häuser und Industriequartiere schiessen aus dem Boden der Steueroase. Die Pendlerstaus morgens und abends im Kanton Zug bezeugen, wie es um die wirtschaftliche Attraktivität des Boom-Kantons steht. In vielen Gemeinden sind in glucksender Vorfreude auf strömende Profite sogar weiter die Steuern gesenkt worden. Zug, das wirtschaftliche Paradies also?

Nicht in jeder Hinsicht. Denn es gibt 1’644 Personen, die im Kanton Zug im letzten Jahr im Schnitt arbeitslos gemeldet waren. Kaum zu glauben. Könnte man doch meinen, dass in Zug Vollbeschäftigung herrschen müsste. Klar, 2,4 Prozent Arbeitslosigkeit im Kanton Zug im Jahresschnitt 2017 – das ist nicht viel. Schweizweit sind es ja immerhin 3,2 Prozent. Und doch, woran liegt’s?

41 Zuger Arbeitslose mehr

Die Zuger Arbeitslosenzahl 2017 hat laut Angaben des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco) gegenüber 2016 nämlich nicht abgenommen. Im Gegenteil. Es sind 41 gemeldete Arbeitslose hinzugekommen. Und vor allem im Vergleich zu anderen Kantonen in der Zentralschweiz trägt der Kanton Zug die rote Laterne.

«Alleine der Fakt, dass der Kanton Zug die höchsten Arbeitslosenzahlen in der Zentralschweiz hat, ist schon seit Jahren so.»

Bernhard Neidhart, Amt für Wirtschaft und Arbeit im Kanton Zug

Denn im Kanton Luzern waren es 2017 nur 1,9 Prozent – sprich: 4’229 – Arbeitslose. Das sind 373 Personen weniger als im Vergleichsjahr. Im Kanton Schwyz blieb die Arbeitslosenquote 2017 mit 1,8 Prozent quasi unverändert. Das heisst, die Zahl der bei der RAV gemeldeten Personen stieg lediglich um 29 auf 1’566 Personen an. In Uri und Nidwalden blieben die Arbeitslosenzahlen 2017 mit 1,0 beziehungsweise 1,1 Prozent konstant. Uri hatte im Jahresdurchschnitt 195 (–7) Arbeitslose, Nidwalden 271 (–7). 

Kanton Obwalden hat die wenigsten Arbeitslosen: 0,9 Prozent

Am tiefsten war die Arbeitslosigkeit in Obwalden, und zwar sogar schweizweit gesehen. Die Quote nahm von 1,0 Prozent auf 0,9 Prozent ab, die Zahl der Arbeitslosen verringerte sich um 25 auf 188 Personen.

Was ist da also los im Kanton Zug? Bernhard Neidhart, Leiter des kantonalen Amts für Wirtschaft und Arbeit, nimmt Stellung.

Viele Pendler im Kanton Zug produzieren nicht nur Staus, sondern nehmen auch so manchem Zuger den Arbeitsplatz weg.

Viele Pendler im Kanton Zug produzieren nicht nur Staus, sondern nehmen auch so manchem Zuger den Arbeitsplatz weg.

(Bild: woz)

«Alleine der Fakt, dass der Kanton Zug die höchsten Arbeitslosenzahlen in der Zentralschweiz hat, ist schon seit Jahren so», sagt Neidhart. Es gelte aber zu beachten, dass die Arbeitslosenrate im Kanton Zug schwankend um etwa einen Prozentpunkt tiefer liege als die durchschnittliche Rate der Schweiz. «Eine detaillierte Studie über die Gründe gibt es nicht.»

Die Sache mit den Pendlern: 11’000 aus Zürich, 11’000 aus Luzern

Laut Neidhart muss die Zahl der Zuger Arbeitslosen aber in einem grösseren räumlichen Zusammenhang gesehen werden.

So würden täglich etwa je rund 11’000 Arbeitskräfte aus dem Kanton Zürich in den Kanton Zug pendeln und umgekehrt. «Im Vergleich dazu sieht die Pendlerstatistik mit Luzern einseitiger aus: nämlich rund 11’000 von Luzern nach Zug und nur rund 4’000 von Zug nach Luzern.»

«Die Binnenwirtschaft in Zug ist kleiner. Sie ist nicht so kompetitiv beziehungsweise hat eine viel kleinere Wertschöpfung pro Einheit.»

Bernhard Neidhart

Daraus könne man folgern, dass der Arbeitsmarkt von Zug Teil des Arbeitsmarkts von Zürich sei, so Neidhart.

«Betrachtet man nun die Arbeitslosenrate des Kantons Zürich, welche etwa im schweizerischen Durchschnitt liegt, dann kann man die Situation des Zuger Arbeitsmarkts als gut bezeichnen. In diesem Licht lässt sich wohl auch der Anteil Binnenwirtschaft, der in Zug viel kleiner ist als in den übrigen Zentralschweizer Kantonen, als Faktor erwähnen», sagt der Zuger Wirtschaftsexperte. Mit Binnenwirtschaft meint Neidhart jene Wertschöpfung, welche auf dem schweizerischen Markt geschaffen werde, also nicht durch Ex- und Importe.

Neidhart: Zuger Wirtschaft läuft gut

Und die Binnenwirtschaft reagiere eben traditionell weniger stark und wenn, dann verzögert, auf internationale Konjunkturschwankungen. «Dafür ist die Binnenwirtschaft gemäss Wirtschaftslagebericht des Seco auch nicht so kompetitiv beziehungsweise hat eine viel kleinere Wertschöpfung pro Einheit», versichert Neidhart.

Inwieweit die Tatsache, dass Zug Teil einer Grossagglomeration sei, den Unterschied zur Zentralschweiz beeinflusse, lasse sich quantitativ nicht eruieren, beeinflusse aber mit Bestimmtheit die Arbeitslosenrate.

Läuft in Zug besonders gut und kreiert neue Arbeitsplätze: Bitcoins und Co.

Läuft in Zug besonders gut und kreiert neue Arbeitsplätze: Bitcoins und Co.

(Bild: flickr/ BICKeychain)

Laut Neidhart läuft die Zuger Wirtschaft derzeit auf breiter Front sehr gut. «Wenn ich aber die Arbeitslosenstatistik des Seco, Stand Ende Dezember 2017, genauer anschaue, dann sind 40 Prozent der Zuger Arbeitslosen zuletzt in den folgenden vier Branchen tätig gewesen: im Grosshandel als grösste Branche in Zug, im Baugewerbe wegen der Saisonalität, im Gesundheits- und Sozialwesen plus in einer Branche namens ‹freiberufliche sowie technische und wissenschaftliche Tätigkeit›.»

Eine sehr starke Dynamik ist dagegen nach Einschätzung des Zuger Wirtschaftsexperten in den letzten drei Jahren um die Basistechnologie Blockchain entstanden. «Aber auch die angestammten Branchen wie Life Sciences, High Tech, ICT sind gut unterwegs», so Neidhart.

Sind es die besser qualifizierten Pendler, die manche Zuger arbeitslos machen?

Die abschliessende Frage bleibt: Warum hat der Boom-Kanton also vergleichsweise so viele Arbeitslose? Liegt es etwa daran, dass die attraktiven Jobs in Zug von vielen höher qualifizierten Arbeitskräften aus Luzern und Zürich besetzt werden und einheimische Zuger auf diese Weise aus dem Arbeitsmarkt drängen?

Das würde auch erklären, warum so viele 29- bis 45-Jährige unter den Zuger Arbeitslosen figurieren (996 Personen von zuletzt 1’676). Und warum auch Personen mit Fachfunktionen und Kader unter den joblos Gemeldeten sind (1’463 Personen von 1’676 Personen).

«Diese dynamischen Wirtschaftssektoren in Zug stellen hohe Anforderungen an die Qualifikationen der Arbeitnehmer.»

Fredy Hasenmaile, Credit Suisse, Zürich

Ein Zürcher Wirtschaftsexperte bestätigt dies. «Der Hauptgrund für die markant höhere Arbeitslosigkeit im Kanton Zug gegenüber der Zentralschweiz liegt in der Branchenstruktur», versichert Fredy Hasenmaile, Ökonom bei der Credit Suisse.

Wichtige Branchen im Kanton Zug wie der Grosshandel (aktuell: 4 Prozent), Informatik (3,5 Prozent), nternehmensdienstleistungen (3 Prozent), Finanz- und Versicherungsdienstleistungen (2,9 Prozent) würden den Durchschnitt im Kanton Zug nach oben ziehen, so Hasenmaile.

Die Sache mit dem Zuger «Mismatch»

«Diese dynamischen Wirtschaftssektoren in Zug stellen hohe Anforderungen an die Qualifikationen der Arbeitnehmer.» Daraus resultiere typischerweise ein «Mismatch» zwischen den Qualifikationen, welche nachgefragt werden und denjenigen, welche die ansässige Bevölkerung anbietet. «Kontinuierliche Investitionen in die Bildung sind ein Schlüssel, um diesen Mismatch einzudämmen», so der Credit-Suisse-Experte.

Auch andere Kantone mit einer starken Wirtschaft wie Zürich (3,6 Prozent Arbeitslose), Basel-Stadt (3,7 Prozent) oder Genf (5,3 Prozent) weisen, so Hasenmaile, im Schweizer Vergleich überdurchschnittliche Arbeitslosenquoten auf.

So setzen sich die Arbeitslosen im Kanton Zug zusammen

Die Frage ist, wie die Arbeitslosen sich im Kanton Zug soziologisch und altersmässig zusammensetzen. Sind das nur Unqualifizierte?

Laut dem kantonalen Amt für Wirtschaft und Arbeit sowie gemäss der Arbeitsmarktstatistiken im Kanton Zug sind die meisten Arbeitslosen im Alterssegment zwischen 29 und 65 Jahren zu finden: Im Dezember 2017 waren dies unter den 1’676 arbeitslos gemeldeten Personen – angesichts 2’729 Stellensuchender – 1’530 Personen. Wobei knapp ein Drittel aller Zuger Arbeitslosen über 50 sind.

Mehr Frauen als Männer, mehr Kurzzeit- als Langzeitarbeitslose

Gleichzeitig gibt es unter diesen 1’676 Arbeitslosen mehr Männer als Frauen (1’000 zu 676). Mehr Schweizer als Ausländer (857 zu 816). Mehr Kurzzeitarbeitslose als Langzeitarbeitslose: 1’001 Personen waren einen bis sechs Monate lang ohne Job, 414 Personen sieben bis zwölf Monate lang und 261 Personen länger als ein Jahr ohne Arbeit. Auch befinden sich nicht nur wenig qualifizierte Arbeitskräfte (155) unter den Arbeitslosen: 1’099 Personen haben eine Fachfunktion inne und sogar 364 Personen zuletzt Kaderpositionen ausgeübt.

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