Plenum in Luzern mit hitziger Publikumsdebatte

Warum fällt die Innerschweiz in Sachen Filmförderung ab?

Von links:  Alice Schmid, Filmemacherin, Matteo Gariglio, Luzerner Dokumentarfilmer, Daniel Waser, Geschäftsführer der Zürcher Filmstiftung, Sabine Boss, Regisseurin

(Bild: pze)

Die Filmförderung in der Zentralschweiz hinkt im Bundesvergleich hinterher. Denn es gibt, im Gegensatz zur restlichen Schweiz, kein kantonsübergreifendes Fördersystem. Das frustriert die Filmemacher – an einer Diskussion im Luzerner Stattkino machen sie ihrem Ärger Luft.

Im Rahmen des Innerschweizer Filmpreises wurde diesen Samstag über die Frage diskutiert: «Zentralschweizer Filmförderung wohin?» Die Dringlichkeit der Frage wird ganz zu Beginn der Diskussion durch einen Film illustriert: Während in Zürich, Bern, Basel, Bern oder der Westschweiz Millionen in die Filmförderung investiert werden, haben sich die Innerschweizer Kantone «bisher erfolgreich gegen ein gemeinsames System gewehrt», lässt der Film ironisch verlauten.

Das heisst: Weil die Innerschweizer Kantone nicht zusammen eine Art Stiftung errichten, bleiben die hiesigen Filmschaffenden auf dem Trockenen. Doch wieso schafft die Zentralschweiz in Sachen Filmförderung nicht, was in der übrigen Schweiz inzwischen etabliert ist?

Um diese Frage zu beantworten, wurden prominente Podiumsteilnehmer eingeladen: Alice Schmid, Filmemacherin (unter anderem vom Napf-Film «Das Mädchen vom Änziloch»), Matteo Gariglio, Luzerner Dokumentarfilmer, Daniel Waser, Geschäftsführer der Zürcher Filmstiftung, Sabine Boss, Regisseurin («Dr Goali bin ig») und Albin Bieri aus dem Vorsitz der Innerschweizer Filmfachgruppe. Moderiert wurde das Plenum von der bekannten Fernseh- und Radiomoderatorin Monika Schärer. 

Fördersystem vom Podium erwünscht

Also: Woran hakt es? Albin Bieri erklärte, das habe mehrere Gründe: «Viele Verantwortliche berufen sich auf den Standpunkt: Die Filmförderung ist Sache des Bundes.» Weiter habe das Schweizer Fernsehen einen Förderungsauftrag. Zusammen sei das ein Topf von rund 50 Millionen Franken. «Man glaubt, regionale Fördergelder seien da nur einen Tropfen auf den heissen Stein», so Bieri.

«Von der Arbeit her macht es keinen Sinn für mich, in Luzern zu leben.»

Matteo Gariglio, Luzerner Filmemacher

Dabei waren sich die Diskussionsteilnehmer erstaunlich einig: Ein Filmfördersystem, das die ganze Zentralschweiz abdeckt, wäre wünschenswert. Denn das finanzielle Umfeld mach Filmemacher das Leben in Luzern nicht gerade einfach. Matteo Gariglio fasst zusammen: «Von der Arbeit her macht es keinen Sinn für mich, in Luzern zu leben.» Man könne es sich nicht leisten, mit Innerschweizer Produzenten zusammenzuarbeiten – da zu wenige Förderungsgelder da sind.

Der Innerschweizer Filmpreis
Die Albert-Koechlin Stiftung (AKS) verleiht dieses Jahr zum ersten Mal den Innerschweizer Filmpreis. Insgesamt fliessen durch den Preis 590'000 Franken in die Innerschweizer Filmförderung. Die Stiftung zeichnete zwölf Filme aus (siehe Box am Ende). Weiter wurden Spezialpreise verliehen, beispielsweises wurde der Zuger Filmemacher Erich Langjahr (72) für sein Schaffen mit einem Ehrenpreis gewürdigt. Der Innerschweizer Filmpreis soll alle zwei Jahre vergeben werden. Dieses Wochenende sind alle preisgekrönten Filme im Bourbaki und im Stattkino zu sehen.

Büro Zürich gibt Chancen auf Subventionen 

Auch Alice Schmid zeigte die Leiden einer Filmemacherin auf, die nach Geld sucht: Für den Film «Das Mädchen vom Änziloch» musste sie alle Möglichkeiten ausschöpfen. Sie habe ein Büro in Zürich, und konnte sich dadurch dort um Fördergelder bewerben. «Ohne das Büro in Zürich ginge es nicht», sagte sie. Gleichzeitig bewarb sie sich in Luzern und in Bern für Subventionen, da das Änziloch an der Kantonsgrenze liege, so Schmid.

Kaum Spielfilme aus der Innerschweiz

Sabine Boss gab eine Einschätzung über das Niveau des Innerschweizer Filmschaffens. Sie sass heuer in der Jury des Innerschweizer Filmpreises. Sie hat sich alle eingereichten Filme angesehen und resümierte: «Die Schere zwischen sehr gut und fast laienhaft ist sehr gross.» Was man aber merke: «Es werden sehr wenige Spielfilme eingereicht. Das ist insofern verständlich, da Spielfilme das mit Abstand die teuerste Form des Films ist.»

Auch der Zürcher Daniel Waser bestätigt: «Es ist eine Realität, dass Film viel mehr Geld beansprucht als anderes Kulturschaffen.» Dies müsse man den Politikern aufzeigen, die ein Fördersystem installieren sollen. Das könne beispielsweise durch eine Einladung ans Filmset geschehen, um zu zeigen, wo die Fördergelder konkret hinfliessen, so Waser. Man müsse Parlamentarier finden, die sich der Filmförderung verschreiben und dafür kämpfen.

Moderatorin Monika Schärer (rechts) mit Sabine Boss und Albin Bieri im Gespräch.

Moderatorin Monika Schärer (rechts) mit Sabine Boss und Albin Bieri im Gespräch.

(Bild: pze)

Politvertreter im Publikum 

Und prompt meldete sich das (politische) Publikum – konkret Josef Schuler, Verantwortlicher Kulturförderung im Kanton Uri. Er sagte: «Eine Einigung auf ein gemeinsames System ist schwer, wenn sechs Kantone involviert sind.» Vor allem, wenn diese Kantone finanziell nicht auf Rosen gebettet seien. Insbesondere dem grössten Kanton, Luzern, fehle es an Budget für die Filmförderung. Ausserdem «fehlt der Druck auf die Verantwortlichen», endlich etwas umzusetzen.

«Wenn ich nicht in der Region mit einem gewissen Grundstock gefördert werde, habe ich keine Chance auf Bundesgelder.»

Luke Gasser, Filmemacher

Das war das Stichwort für Stefan Sägesser, Verantwortlicher für die Kulturförderung im Kanton Luzern, das Mikrofon zu ergreifen. Er stimmte Schuler zu, der Druck müsse erhöht werden. Aber: «Es braucht von allen Seiten mehr Untersützung», so Sägesser, und damit meint er auch die Filmbranche selber. Er ist sich sicher: «Von nichts kommt einfach nichts.» 

Luke Gasser wird «ausgelacht» 

Luke Gasser, Filmschaffender aus Obwalden und ebenfalls als Gast anwesend, widersprach da vehement: «Wir haben schriftlich ein Zugeständnis: Die Kantone erkannten schon vor fünf Jahren, dass dringender Handlungsbedarf besteht. Passiert ist aber nichts.» Irgendwann gäbe es einen Zugzwang: «Man muss einsehen, dass die Kantone der Zentralschweiz die Einzigen sind, die einfach nichts machen.»

Dabei werde er «ausgelacht», wenn er ohne Geld nach Bern gehe und Fördergelder vom Bund verlange. «Wenn ich nicht in der Region mit einem gewissen Grundstock gefördert werde, habe ich keine Chance auf Bundesgelder», so Gasser.

Filmpreis als Präsentationsmöglichkeit 

Einen Ausblick gab es dann trotzdem, denn – auch hier war man sich sehr einig –, die Zentralschweiz hat filmisch viel zu bieten. Alice Schmid erklärte: «In der Urschweiz liegen Geschichten.» Und Sabine Boss ergänzte, die Hochschule bringe erstaunliche Talente hervor, vor allem im Animations-Bereich. Aber: Für eine funktionierende Filmförderung müsse Öffentlichkeitsarbeit betrieben werden. Bisher sei das Thema noch nicht in der Politik angekommen. Dazu biete, so die Diskussionsteilnehmer, die Albert-Köchlin-Stiftung und ihr «Innerschweizer Filmpreis» ein willkommenes Fenster, in welchem gezeigt werden kann, was im Bereich Film in der Zentralschweiz geleistet wird.

Die Preisträger 2017
  • Thaïs Odermatt: Spezialpreis für Schnitt Im Film: «En La Boca», CHF 15‘000.
  • Oswald Schwander: Spezialpreis für Sounddesign Im Film: «Imagine Waking Up – Tomorrow And All Music Has Disappeared», CHF 15‘000.
  • Erich Langjahr: Ehrenpreis 2017, CHF 30’000

Ausgezeichnete Filme

  • Alice Schmid: Dokumentarfilm «Das Mädchen vom Änziloch», CHF 50’000
  • Michael Krummenacher: Spielfilm «Heimatland», CHF 50’000
  • Ursula Brunner: Dokumentarfilm «Alleinerziehende Väter – Ihr Kampf um Anerkennung», CHF 50’000
  • Nikola Ilić: Dokumentarfilm «RAKIJADA – Distilleted Village Tales», CHF 50’000
  • Lalita Brunner: Animationsfim «Immersion» (Abschlussfilm), CHF 15’000
  • Silvio Kletterer: Dokumentarfilm «Geislemacher», CHF 50’000
  • Veronica L. Montaño: Animationsfilm «Ivan’s Need» (Abschlussfilm), CHF 15’000
  • Lukas Reto / Hobi Schärli: Spielfilm «Gotthard», CHF 50’000
  • Lukas Reto / Hobi Schärli: Spielfilm «Heidi», CHF 50’000
  • Jadwiga Kowalska: Animationsfilm «Die Brücke über den Fluss», CHF 50’000
  • Edwin Beeler: Dokumentarfilm «Die weisse Arche», CHF 50’000
  • Matteo Gariglio: Dokumentarfilm «En La Boca», CHF 50’000
Die Gesamtpreissumme beträgt 590’000 Franken.
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