Museum ist im finanziellen Dilemma

Warum es für die Bourbaki-Kinos in Luzern wohl keinen Mieterlass geben wird

Befinden sich in einer verzwickten Lage: Museumsleiterin Irène Cramm (links) und Beatrice Richard, Präsidentin der Stiftung Bourbaki Panorama Luzern. (Bild: bic)

Die Kinobranche ist aktuell stark auf kulante Vermieter angewiesen. Doch im Bourbaki in Luzern ist das schwierig. Das Museum lebt grösstenteils von der Vermietung der Kinosäle und der Bar – und kann es sich kaum leisten, seinen Mietern entgegenzukommen.

Sie war im vergangenen Jahr eine der grossen Fragen der Schweizer Politik: Inwiefern sollen Vermieterinnen einen finanziellen Beitrag zur Abfederung der Folgen der Pandemie leisten müssen? Ein Vorschlag, der die Vermieter von kommerziell genutzten Flächen gesetzlich zu einem Verzicht auf 60 Prozent des Mietzinses verdonnern wollte, scheiterte im Parlament.

Von diesem Entscheid negativ betroffen sind insbesondere kleine Läden, Gastro- oder Kulturbetriebe, die keine Einigung mit dem Hauseigentümer erzielen konnten. Es gibt indes auch Vermieterinnen, die schlicht und einfach auf die Mieteinnahmen angewiesen sind, um zu überleben.

Wenn ein Kulturbetrieb auch Vermieter ist

Mit dem Bourbaki-Museum steht eine solche mitten in der Stadt Luzern. Das Gebäude ist im Besitz der Stiftung Bourbaki Panorama Luzern sowie der Stadt, welcher der gläserne Anbau mit der Bibliothek gehört. Das Problem, mit dem sich die Stiftung derzeit konfrontiert sieht, ist, dass mit der Neugass Kino AG eine Hauptmieterin entscheidend zum Betrieb des Museums und zum Unterhalt des Bildes und der Liegenschaft beiträgt.

Die wegen Corona arg gebeutelte Neugass Kino AG betreibt drei der vier Kinos im Bourbaki sowie die Bar auf dem Drehkranz. Und diese sind bekanntlich seit längerem geschlossen. Die finanziellen Auswirkungen dürften immens sein und die Zukunft ungewiss. Darum hat das Kino-Unternehmen nun zwei Vereine ins Leben gerufen, welche die Kinowelt nachhaltig am Leben erhalten sollen (zentralplus berichtete).

Vermietung gehört zum Kerngeschäft

Für die Verantwortlichen der Stiftung Bourbaki Panorama ist deshalb seit Längerem klar, dass sie handeln müssen. Denn mehrere unbenutzte Kinosäle wären wohl etwas vom Gravierendsten, das der Stiftung widerfahren könnte. Ein Entgegenkommen bei den Mieten ist aus Sicht der Stiftung deshalb angezeigt. Nur, ein kompletter oder teilweiser Mieterlass reisst eben auch grosse Löcher in die Kasse des Bourbaki-Museums – und würde nicht weniger als dessen Betriebskonzept infrage stellen.

Dieses basiert im Kern auf den Einnahmen aus der Vermietung von weiten Teilen des Gebäudes. Obwohl das Bourbaki eine Kultureinrichtung ist, muss sie sich grösstenteils privatwirtschaftlich finanzieren. «Es ist seit der Gesamtsanierung des Gebäudes zwischen 1996 und 2003 die Idee, dass unser Museum ohne Unterstützung der öffentlichen Hand betrieben werden kann», erklärt Museumsleiterin Irène Cramm bei einem Treffen vor dem Rundbild, das an die vielleicht grösste Solidaritätsaktion der Schweizer Geschichte erinnert.

«Bis jetzt sind wir den Mietern insofern entgegengekommen, als wir die Mieten gestundet haben.»

Beatrice Richard, Präsidentin Stiftung Bourbaki Luzern

Und Beatrice Richard, Präsidentin der Stiftung, hält fest: «Das Bourbaki-Panorama war damals schweizweit eine der ersten Institutionen, die auf diesem Public-Private-Partnership-Modell aufgebaut wurde.» Zwanzig Jahre lang habe das auch super funktioniert. Aber: «Die 60/40-Lösung für die Mieten, die beim Bund diskutiert wurde, wäre uns als nicht gewinnorientiertes Unternehmen deshalb ans Lebendige gegangen und nur schwer tragbar gewesen.»

Auch die eigenen Eintritte fielen weg

Die eigene finanzielle Lage sei aktuell insofern schwierig, dass auch während der zwischenzeitlichen Öffnung in den Sommermonaten viel weniger Besucherinnen ins Museum gekommen und zahlreiche Veranstaltungen ausgefallen seien. Zwischen 30 und 40 Prozent der Besucher sind laut Museumsleiterin Cramm Gäste aus dem Ausland. Diese fielen fast komplett weg.

«Zwar haben wir als Kulturbetrieb Ausfallentschädigungen von Bund und Kanton erhalten. Dies ist aber nur ein Bruchteil der Einnahmen, die wir im Jahr zuvor generiert hatten», so Cramm. «Wenn wir nun auch bei den Mieten weniger einnehmen, hat dies direkte Auswirkungen auf den Museumsbetrieb.»

Deshalb steht die Bourbaki Stiftung momentan in intensiven Gesprächen mit den Mietern. «Als Kulturbetrieb haben wir natürlich vollstes Verständnis für deren schwierige Situation», sagt Beatrice Richard.

Instandhaltungs-Pflicht geht ins Geld

Wegen der verzwickten Situation seien die Mieten für die Kinos und die Bar, Stand heute, allerdings noch nicht gesenkt oder erlassen worden. «Bis jetzt sind wir den Mietern insofern entgegengekommen, als wir die Mieten gestundet haben. Denn wir haben zwar ein paar Reserven, aber auch diese gehen irgendwann zur Neige.»

Ein grosser Posten ist nur schon der Unterhalt des Gebäudes, der jährlich Zehntausende von Franken kostet. Und weil dieses wie auch das Bild unter Denkmalschutz stehen, gebe es folglich eine Instandhaltungs-Pflicht. Deshalb könne dort nur sehr bedingt gespart werden.

Im Bourbaki gibt es derzeit viel zu diskutieren (Bild: Julia Leijola). (Bild: Julia Leijola)

Mieteinnahmen statt Unterstützung durch Steuergelder

Man müsse darum eine Lösung finden, die für alle irgendwie verträglich sei. Und Irène Cramm hält fest: «Dabei müssen wir unsere Mieter auch auf unsere Situation sensibilisieren, während sie ihrerseits natürlich alle Hebel in Bewegung setzen, damit ihre Betriebe überleben können. Was auch in unserem ureigenen Interesse ist.»

«Die Neugass Kino AG schafft freiwillig einen Raum, der niederschwellig von der Öffentlichkeit genutzt werden kann.»

Irène Cramm, Geschäftsführerin Bourbaki Museum

Denn dank des gewählten Finanzierungsmodells sei man in den vergangenen Jahren nie betroffen gewesen, wenn in der Politik wieder einmal die Kulturfinanzierung diskutiert worden sei. «In der momentanen Situation sind nun aber genau diejenigen Betriebe bessergestellt, die von der öffentlichen Hand finanziert werden», so Cramm.

Die Botschaft des Rundbildes verinnerlichen und bewahren

Ein zentraler Punkt ist für sie, dass das Gebäude seine Ausstrahlung und die damit verbundene Kraft insbesondere von den Kinos erhält, was bei den kommenden Diskussionen einen zentralen Punkt einnehmen wird. «Die Leute kommen hierher, um einen Film zu schauen und danach an der Bar noch etwas zu trinken. Das ist, was das Bourbaki-Panorama als Treffpunkt mitten in der Stadt ausmacht», sagt Cramm.

Und das besonders auch deshalb, weil die Neugass Kino AG als Betreiberin und Mieterin der Bar in gewissen Bereichen auf einen Konsumationszwang verzichte. «Das ist nicht selbstverständlich und die Neugass Kino AG schafft so freiwillig einen Raum, der niederschwellig von der Öffentlichkeit genutzt werden kann», so die Bourbaki-Chefin. Man sei also auf gegenseitige Solidarität angewiesen, obwohl gleichzeitig jeder auch für sich selber schauen müsse.

«Das ist ja auch die Botschaft des Rundbildes. Ein mausarmes Land nimmt 87’000 hungernde und verwundete Soldaten einer fremden Macht auf und die Bevölkerung teilt mit ihnen das Wenige an Lebensmitteln, das ihr am Ende des Winters geblieben ist», schlägt Cramm den Bogen zum historischen Ereignis, mit dem sich das Museum befasst. Auch wenn sich Frankreich zur Rückzahlung der enormen Kosten an die offizielle Schweiz verpflichten musste, ist es nicht selbstverständlich, dass diese humanitäre Aktion durch die bedingungslose Hilfe der Bevölkerung so erfolgen konnte

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2 Kommentare
  • Profilfoto von Rudolf 1
    Rudolf 1, 07.02.2021, 06:48 Uhr

    «Das ist ja auch die Botschaft des Rundbildes. Ein mausarmes Land nimmt 87’000 hungernde und verwundete Soldaten einer fremden Macht auf und die Bevölkerung teilt mit ihnen das Wenige an Lebensmitteln, das ihr am Ende des Winters geblieben ist» – Die Kosten für die Internierung wurde Frankreich von der Schweiz auf Heller und Pfennig in Rechnung gestellt. Bleibt auf dem Teppich!

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    • Profilfoto von Patrick Deicher
      Patrick Deicher, 07.02.2021, 12:40 Uhr

      Das ist nur die halbe Wahrheit: Ja, die Kosten der staatlichen Stellen wurden in Rechnung gestellt. «Die Endabrechnung beläuft sich auf 12’154’396 Franken und 90 Rappen – eine Riesensumme, wenn man bedenkt, dass der Bund Anfang 1871 insgesamt nur über knapp 8,5 Millionen Franken verfügt.»
      Die andere Seite der Medaille ist die private Hilfstätigkeit der Bevölkerung im Jahr 1871: «Die Forschung geht indes davon aus, dass der Wert der privaten Zuwendungen die staatlichen Kosten für Verpflegung, Transport und Unterkunft der Bourbakis überstiegen haben dürfte.» (Zitate NZZ, 30.1.2021, S. 11).
      Die privaten Aufwände wurden nie in Rechnung gestellt, weder Heller noch Pfennig… Ich persönlich finde das für die Schweiz des Jahres 1871 eindrücklich. Die im Panorama dargestellte Internierung überbringt uns bis heute eine wichtige Botschaft: Wenn der Wille vorhanden ist, flächendeckend in der Schweiz, dann kann eine gewaltige Herausforderung gemeistert werden. Gemeinsam und solidarisch ist sehr sehr vieles möglich.

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