Zuger Chauffeure in Zürich, Buslinien am Zürichsee

Warum die Zugerland Verkehrsbetriebe den Kanton Zürich erobern

Zugerland Verkehrsbetriebe goes Zürich. Jedenfalls vorübergehend.

(Bild: zVg / Montage wia)

Die Zugerland Verkehrsbetriebe sparen, wo sie können. Und expandieren gleichzeitig in den Kanton Zürich, wo sie sich am Zimmerberg festgesetzt haben. Was aussieht wie ein Widerspruch, ist Teil einer von der Zuger Regierung gebilligten Wachstumsstrategie.

«Hunter»-Strategie hiess das fatale Unternehmen der Swissair, mit der die Schweizer Fluggesellschaft einst in die Pleite flog. Indem die kleine Swissair wahllos viele kleine Fluggesellschaften zusammenkaufte, wollte sie wachsen und so selber zu einer Macht der Lüfte werden.

Schiffbruch mit Carreisen

Ein klein wenig an die «Hunter»-Strategie erinnert fühlte sich, wer das Gebaren der Zugerland Verkehrsbetriebe (ZVB) in den letzten zwei Jahrzehnten verfolgte. Kurz nach der Jahrtausendwende tat sie sich mit einem Baarer Carunternehmen zusammen und gründete die Zugerland Reisen AG, mit der sie sich in der Branche der privaten Ferienreisen versuchte. Diversifizieren und zusätzliches Geld verdienen, war die Idee. Warum auch nicht?

Mit Ausflügen in den Europapark liess sich indes kein Geld verdienen. Die Margen im Carreisebusiness sind klein und der Wettbewerb überaus hart und umstritten. Deswegen erfolgte 2012 der Rückzug. Künftig beschränkten sich die ZVB auf private Extrafahrten – etwa im Zusammenhang mit Hochzeiten.

Zutritt zum Kanton Zürich war nicht gratis

Damals hatten die ZVB eine andere Idee: Sie kauften an der Pfnüselküste, also am linken Zürichseeufer, die AHW Busbetriebe (Autobus Horgen-Wädenswil). Den Betrieb, der im Rahmen einer Nachfolgeregelung veräussert wurde, mussten sie aber erst einmal auf Vordermann bringen und sanieren.

In Zug blieb nicht unbemerkt, als die ZVB anfingen, im eigenen Kanton Kosten einzusparen. Denn die Zuger Staatshaushaltkrise erreichte auch den öffentlichen Verkehr. Die Verkehrsbetriebe gehören mehrheitlich dem Kanton und müssen somit Sparvorgaben der Regierung umsetzen.

Das Personal versuchten die ZVB zwar von den Sparübungen auszunehmen. Aber bekanntlich haben die ZVB nun einen Überbestand an Chauffeuren, die sie deshalb an die Verkehrsbetriebe der Stadt Zürich (VBZ) ausgeliehen haben (zentralplus berichtete).

Der Zuger «Exil-Chauffeur» Mersudin Becirbasic am Steuer eines VBZ-Busses.

Der Zuger «Exil-Chauffeur» Mersudin Becirbasic am Steuer eines VBZ-Busses.

(Bild: lob)

Kostendruck im öffentlichen Verkehr

Was von aussen aussieht wie ein Widerspruch – Expansion im Kanton Zürich, Kontraktion im Kanton Zug –, ist gewollt. Denn die mittelgrossen Verkehrsbetriebe in der Schweiz stehen unter Druck, günstiger zu wirtschaften – eine Flurbereinigung ist im Gang.

Ein Teil der Betriebe verschwindet oder geht in grösseren Einheiten auf. Ein anderer Teil beschränkt sich zunehmend darauf, als Fuhrhalter und Auftragnehmer für grössere Betriebe zu arbeiten. Der Kostendruck rührt von der Notwendigkeit, bei der Ausschreibung von öffentlichen Aufträgen günstiger zu offerieren, um den Zuschlag zu erhalten.

«Die Zuger Regierung hat vor ungefähr zehn Jahren als Mehrheitsaktionärin eine Eigentümerstrategie für die ZVB verabschiedet», sagt Gianni Bomio, der Generalsekretär der Zuger Volkswirtschaftsdirektion. Und diese Strategie lässt wachstumsorientiertes Handeln der ZVB zu.

«Der Markt im Kanton Zürich ist knallhart.»

Gianni Bomio, Generalsekretär Zuger Volkswirtschaftsdirektion

Bomio hat zusammen mit dem ZVB-Unternehmensleiter Cyrill Weber und Gregor Kupper, dem früheren Verwaltungsratspräsidenten, die Expansion in den Kanton Zürich vollzogen und sitzt als Privatperson immer noch in den Verwaltungsräten der drei mit dem Engagement am Zimmerberg verbundenen ZVB-Tochterfirmen.

Zimmerberg-Busse rentabel

Mit dem Kauf der Busbetriebe an der Pfnüselküste habe man eine willkommene Gelegenheit erhalten, über die Kantonsgrenze hinaus zu expandieren, sagt Bomio. Aber vor allem habe man zusätzliches Know-how erworben.

Die ZVB-Firmen sind nämlich als Subunternehmer in den Zürcher Verkehrsverbund (ZVV) eingebunden. 25 Buslinien zwischen Adliswil und Wädenswil werden von der ZVB-eigenen AHW Busbetriebe in Horgen im Auftrag der VBZ und vor allem der Sihltal-Zürich-Üetlibergbahn (SZU) betrieben. Rund 100 Leute arbeiten so indirekt für die Zuger.

Das bis 2019 gesicherte Auftragsvolumen der ZVB-Tochter betrug anfangs 11,5 Millionen Franken, ist seit der Eröffnung der Zürcher Durchmesserlinie aber gestiegen. Seit ihrer Sanierung arbeitet die AHW rentabel, wird versichert. Die ZVB mache keine Verluste mit den Tochtergesellschaften am Zimmerberg.

Die meisten der roten Zimmerberg-Busse auf dem linken Zürichseeufer werden von einer Tochterfirma der Zugerland Verkehrsbetriebe gefahren.

Die meisten der roten Zimmerberg-Busse auf dem linken Zürichseeufer werden von einer Tochterfirma der Zugerland Verkehrsbetriebe gefahren.

(Bild: wikipedia / Roland Fischer)

Brutale Effizienzsteigerungen

Die AHW ist – anders als die ZVB in Zug – kein direkter Ansprechpartner des Kantons in Sachen öffentlicher Verkehr, kein marktverantwortliches Unternehmen. Sie ist, wie gesagt, eine Subunternehmerin der SZU und eine Art Fuhrhalterin innerhalb des Zürcher Verkehrsverbunds. Sie erhält von ihm jeweils auch die Fahrzeuge zur Verfügung gestellt. Auf der anderen Seite ist sie auch stärker der Kontrolle und den Effizienzsteigerungen des Verbunds unterworfen. Der ZVV hat seit seiner Gründung in den vergangenen Jahrzehnten fast 50 Prozent seines Aufwands reduziert und kann den öffentlichen Verkehr sehr viel günstiger sicherstellen als in Anfangszeiten.

«Der Markt im Kanton Zürich ist knallhart», meint Bomio. Zu lernen, wie man sich darin zu bewegen hat, war nicht das einzige Ziel der Zuger. Es gibt auch logistische Herausforderungen. So haben die Busbetriebe am Zimmerberg keinen Hauptstützpunkt, sondern parkieren ihre Fahrzeuge dezentral in mehreren Garagen. Dergestalt fallen weniger Leerfahrten an, mein Bomio. Auf der anderen Seite seien der Einsatz der Fahrzeuge und die Koordination der Wartung schwieriger zu handhaben.

Vom grossen Bruder lernen

«Der ZVV ist der grösste Verkehrsverbund der Schweiz», sagt ZVB-Unternehmensleiter Cyrill Weber, «und auch so etwas wie ein Trendsetter.» Vom ZVV könne die ZVB sehr viele Sachen lernen und übernehmen. «Darunter auch viele wichtige Details wie Fahrgastinformationen.»

«Vom Zürcher Verkehrsverbund können wir extrem viel für Zug lernen.»

Cyrill Weber, ZVB-Unternehmensleiter

Daneben habe die Expansion betriebliche Gründe. So könne die ZVB den Markt und seine Preise in der Nachbarschaft kennenlernen, sagt Weber. Eine Strategie notabene, wie sie auch andernorts zu beobachten sei. So ist etwa der Kauf der Stanser Postauto-Betreiberin Thephra AG durch die Verkehrsbetriebe der Stadt Luzern (VBL) vor zwei Jahren in diesem Licht zu sehen.

Weiter fallen Synergien an, wenn die ZVB für die AHW Busbetriebe zentrale Dienstleistungen erbringt. Und natürlich gehts um mehr Grösse.

Beteiligung in der Ostschweiz

Das Engagement am Zimmerberg ist nicht das einzige ausserkantonale Engagement der ZVB, mit der man Skaleneffekte erreichen will. Mit der Auto AG Schwyz und anderen Transportunternehmungen wie der Bus Ostschweiz AG spannt man bei der Fahrzeugbeschaffung zusammen, um günstigere Preise zu erhalten.

Vor einigen Jahren habe man deshalb auch mit der Bus Ostschweiz AG – einem neuen, grossen Verbund zwischen Walensee und Bodensee – eine vertiefte Zusammenarbeit beschlossen, sagt ZVB-Sprecherin Gabriela Kaufmann. «Um die Kooperation zu vertiefen, wurde eine gegenseitige Beteiligung beschlossen.»

Die Schulung von externen Chauffeuren, die früher mit eigenen Kursen durchgeführt wurden, hat man indes eingestellt. Stattdessen hat sich die ZVB an der Verkehrsfachschule in Bern beteiligt und bietet deren Kurse in Zug an. So habe man das Angebot breiter abstützen können, sagt Kaufmann. Und profitiere auch bei der internen Weiterbildung vom neuen Arrangement.

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