Das Ende des Zuger Deals

Warum das Sparprogramm an der Urne scheitern könnte

«Viele Massnahmen im Entlastungsprogramm sind zweckmässig, aber schmerzhaftes Sparen ist schlicht falsch.»

(Bild: mag)

Man zittert allerorts. Es ist tatsächlich möglich, dass die Zuger Bevölkerung zum ersten Mal eine Finanzvorlage der Bürgerlichen bachab schicken könnte. Wie es dazu kommen konnte.

«Ich will dann nicht schuld sein», warnte der SVP-Kantonsrat Jürg Messmer an einer Ratsversammlung im Frühling. «Ich will dann nicht schuld sein, wenn das Volk das Entlastungsprogramm bachab schickt.» Die Linke hatte gerade angedroht, man werde das Referendum ergreifen, wenn Sparmassnahmen auf Kosten von sozial schwächer Gestellten angepeilt würden. Man hat trotzdem angepeilt. Und dann auch ergriffen. Am Sonntag ist der Tanz nun endlich zu Ende.

Ob die Zuger sich für oder gegen dieses Paket entscheiden, ist völlig unklar. Die Gegner jedenfalls haben tatsächlich Grund zur Hoffnung, obwohl im Kanton Zug der bürgerliche Reflex oft zieht: Was von links kommt, wird gerne abgelehnt – genauso wie das, was von ganz rechts kommt. Aber der Widerstand kommt nicht nur von links: Er kommt von Leuten, denen man auch im bürgerlichen Lager vertraut: Polizisten, Kanti-Lehrern, Kantonspersonal, Institutionen wie Pro Infirmis oder Insieme Cerebral. Das Mobilisierungspotenzial dieser Verbände ist unbekannt, weil es noch nie getestet wurde. Das reicht, um die bürgerlichen Kantonsräte nervös zu machen.

Ob es auch reicht, um die Wählerschaft der dominierenden bürgerlichen Parteien zu schlagen, ist schlicht nicht klar. Immerhin war anfangs sogar die SVP in der Sache gespalten.

Der Denkfehler: falsche Grosszügigkeit

Klar ist hingegen eines. Man muss die Art und Weise, wie das Entlastungsprogramm entstanden ist, im Nachhinein als Blindflug betrachten. Da wurde im Kantonsrat mit einem Selbstverständnis gewirkt, das direkt den guten alten Zeiten entstammt. Wir geben, und wir nehmen auch wieder. Jahrzehntelang hat die Tiefsteuerstrategie das Zuger Staatswesen und den Immobilienmarkt blühen lassen. Davon hatten auch finanziell schwächer gestellte Einwohner etwas – in Form von hohen Steuerfreibeträgen und tiefen Einkommenssteuern, hohen Abzügen und höheren Beiträgen für Familien, IV-Bezüger, Arbeitslose.

Dummerweise begeht die bürgerliche Elite einen Denkfehler, wenn sie diese Vorzüge immer noch als Grosszügigkeit missversteht – als eine Grosszügigkeit, die sich der Kanton nicht mehr leisten könne. Denn diese Vorzüge sind nichts anderes als das Fundament der Tiefsteuerstrategie.

Es stimmt zwar: Zug erbringt – man hat es gelesen – teurere Leistungen als andere Kantone. Diese Mehrleistungen für eine ganze Reihe von Personengruppen, darunter auch sozial schwächer Gestellte, sind aber in Wahrheit nichts anderes als eine Form des Ausgleichs. Eine Beruhigungsmöglichkeit für die Schichten, die nur bedingt vom Boom profitiert haben.

Wir haben alle etwas davon. Wir sind halt anders.

Die Tiefsteuerstrategie muss der Allgemeinheit einen Vorteil bringen. Sonst wäre dem Stimmvolk über all die Jahre nicht erklärbar gewesen, warum seine grünen Wiesen überbaut wurden, weshalb die Mietpreise so stark angestiegen sind, weshalb so viel identitätsstiftende Bausubstanz vernichtet wurde, weshalb die 3-Zimmer-Wohnung nebenan plötzlich für 3000 Franken an Amerikaner vermietet wird.

Das Gefühl, das den Kanton in all diesen turbulenten Jahren des Booms zusammengehalten hat, war ein einendes. Eine Komplizenschaft. Und gleichzeitig das Gefühl, etwas richtig zu machen. Wir sind halt anders. Der Sonderfall Zug. Wir haben alle etwas davon. Auch wenn das, rein finanziell, in Bezug auf den Mittelstand schon länger nicht mehr stimmte. Da die Mietpreise den Steuervorteil bei mittleren Einkommen schon lange mehr als zunichtemachten.

Das Gleichgewicht zerfällt

Als der Rat in seinem Selbstverständnis als Speckgürtelentferner, Fittrimmer und Klarheitschaffer entschieden hat, auch bei Familien zu sparen und bei Bezügern von Ergänzungsleistungen, bei Schulkindern und bei Pendlern, hat er zwar in seiner eigenen Logik nur konsequent gehandelt: «Wünschbare» Grosszügigkeit musste etwas nach unten korrigiert werden. Nur: Damit fällt der Deal im Kanton ins Wasser. Plötzlich soll die Tiefsteuerveranstaltung nur noch für grosse Steuerzahler gut sein. Nicht mehr für die ganze Bevölkerung.

Deshalb besteht nun überhaupt die Möglichkeit, dass die Zuger Bevölkerung am Sonntag Nein sagen könnte. Die «Grosszügigkeit» und das «Wünschbare» waren dringend notwendige Argumentbausteine im Tiefsteuergebäude. Wenn sie wegfallen, bleibt nur der reine Abstiegskampf im Steuerwettbewerb – ohne Erfolgsversprechen, Vision oder einende Kraft.

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