Auswertung dauert bis zu 48 Stunden

Warum Corona-Schnelltests langsam sein müssen

Bundesrat Alain Berset (links) traf den Zuger Regierungsrat Martin Pfister. (Bild: uus)

Um sich bei Roche Diagnostics über Corona-Schnelltests zu informieren, ist Bundesrat Alain Berset letzte Woche in den Kanton Zug gekommen. Auf den Einsatz solcher Tests warten Kantone wie Zug und Luzern. Dennoch scheint sich wenig zu bewegen. Woran liegt es?

Die Positivitätsrate bei den Corona-Tests legt nahe, dass in der Schweiz in jüngster Zeit zu wenig getestet wird. Über 11 Prozent der Getesteten waren am vergangenen Wochenende Covid-19-positiv.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) geht davon aus, dass bei einer Positivitätsrate von über 5 Prozent viele Infizierte nicht mehr entdeckt werden – und dass ein Land die Pandemie nicht mehr unter Kontrolle hat.

Zwei Tage Ungewissheit

An der Zahl der zur Verfügung stehenden Test-Kits kann die geringe Testaktivität nicht liegen: Sowohl das Bundesamt für Gesundheit (BAG) sowie die Behörden der Kantone Zug und Luzern beteuern auf Anfrage von zentralplus, dass derzeit genügend PCR-Tests vorhanden sind.

«Da sich die Covid-19-Symptome kaum von anderen Erkältungssymptomen unterscheiden, wären raschere Testresultate sehr wertvoll.»

Martin Pfister (CVP), Zuger Gesundheitsdirektor

PCR steht für Polymerase-Kettenreaktion und bezeichnet jene Art von Tests, welche die Schweiz im Rahmen ihrer Teststrategie einsetzt. Ihr Vorteil: Sie sind ziemlich zuverlässig. Ihr Nachteil: Die Auswertung in einem zertifizierten Labor dauert lange – bis zu 48 Stunden.

«Wertvolle Ergänzung»

Nun ist die Zeit aber ein entscheidender Faktor in der derzeitigen Strategie zur Eindämmung der Seuche: Durch Tests sollen die Infizierten festgestellt werden, durchs Contact Tracing ihre Kontakte ausgemacht und in Quarantäne geschickt werden – um so Infektionsketten zu unterbrechen.

«Schnelltests können eine wertvolle Ergänzung in unserer Bekämpfungsstrategie sein, insbesondere im Hinblick auf die Erkältungs- und Grippesaison», sagt der Zuger Gesundheitsdirektor Martin Pfister (CVP). «Da sich die Covid-19-Symptome kaum von anderen Erkältungssymptomen unterscheiden, wären raschere Testresultate sehr wertvoll.»

Ziel der bundesrätlichen Exkursion: Hauptquartier von Roche Diagnostics in Rotkreuz. (Bild: zvg)

Der Zeitvorteil sei wichtig, sagt auch Christos Pouskoulas, Leiter Gesundheitsversorgung des Kantons Luzern. Schnelltests könnten bei einer für die Zukunft diskutierten Verkürzung der Quarantänedauer von Nutzen sein.

Wie ein Schwangerschaftstest

Anlässlich des Besuchs von Gesundheitsminister Alain Berset (SP) in Zug vergangene Woche begleitete Pfister den Bundesrat in Rotkreuz auch zum Testhersteller Roche Diagnostics. Dort liess sich der Bundesrat über den Schnelltest der Firma informieren.

«Je früher validierte Schnelltests vorliegen, desto besser.»

Christos Pouskoulas, Leiter Gesundheitsversorgung Kanton Luzern

Dieser funktioniert so wie ein Schwangerschaftstest: Man nimmt einen Abstrich und nach spätestens einer halben Stunde kann man im Kontrollfenster des Teststreifens das Resultat ablesen.

Zum Einsatz kommen Schnelltests bereits in verschiedenen Ländern. Jüngst zum Beispiel am Giro d’Italia. Dort mussten verschiedene Fahrer nach positiven Corona-Tests aus dem Rennen genommen werden.

Den Anfang machte am Samstag Mitfavorit Simon Yates. Der hatte am Freitag leichte Covid-Symptome gezeigt. Also testete man ihn mit einem Schnelltest. Als dieser eine Infektion anzeigte, wertete man auch noch einen PCR-Test aus, um sicherzugehen.

In der Schweiz zugelassen

Der Antigen-Schnelltest von Roche ist einer von mehreren Schnelltests, die eine CE/IVD-Zertifizierung haben und in der Schweiz zugelassen sind. Er ist seit dem 21. September über die üblichen Vertriebskanäle erhältlich.

«Bis wann es validierte Schnelltests zum Einsatz auch ausserhalb von Laboratorien gibt, kann derzeit nicht gesagt werden.»

Jonas Montari, BAG-Sprecher

Auf den Einsatz von Schnelltests drängen die Kantone in unterschiedlicher Deutlichkeit. Die Zürcher Gesundheitsdirektorin Natalie Rickli (SVP) forderte dies im «Tages-Anzeiger» ausdrücklich. In der Zentralschweiz übt man sich in Diplomatie.

«Je früher validierte Schnelltests vorliegen, desto besser», sagt Christos Pouskoulas in Luzern. Aber natürlich müsse die Validierung korrekt durchgeführt werden, sonst seien die Resultate der Tests nicht verwertbar. «Wir vertrauen auf das BAG, welches diese Zulassung rasch, aber auch mit der nötigen Sorgfalt prüfen wird», sagt Martin Pfister in Zug.

Man darf Testresultat nicht einfach ablesen

Die Validierung ist ein internes Verfahren des Bundes, der sich überlegt, ob man die Schnelltests in die nationale Covid-19-Teststrategie einbinden will. «Voraussetzung ist, dass sie den Qualitätskriterien, insbesondere bezüglich Spezifität und Sensitivität genügen», sagt BAG-Sprecher Jonas Montari.

Mit 10 Franken pro Test relativ günstig, aber dem Bund zu wenig sicher: Roches Antigen-Schnelltest. (Bild: zvg)

Roche gibt die Sensitivität seines Tests mit 96,5 Prozent an. Das heisst, er erkennt 96,5 der Infektionen, 3,5 Prozent übersieht er. Die Spezifität liegt bei 99,68 Prozent – das bedeutet, es wird praktisch keinem Gesunden eine falsche Corona-Diagnose gestellt.

Der springende Punkt ist: Die Schnelltests sind zwar in der Schweiz zugelassen. «Aber die Antigen-Schnelltests fallen derzeit unter das Epidemiegesetz, was eine Durchführung des Testes in nicht zertifizierten Laboren im Moment untersagt», sagt Roche-Sprecherin Nina Mählitz. Der Test darf also nicht am Untersuchungsort von einem Arzt rasch ausgewertet werden, sondern muss nach der Probenentnahme erst an ein Labor geschickt werden – genauso wie die PCR-Tests. Das macht den ganzen Zeitvorteil zunichte.

Auch für Schnelltest ist Fachpersonal nötig

Abzuwarten bleibt, ob die BAG-Validierung diesen Laborzwang beseitigen wird. Offen ist auch, wie lange die Prüfung dauert. Es gebe jedenfalls zum jetzigen Zeitpunkt keine verlässlichen Schnelltests, die ausserhalb von Laboratorien eingesetzt werden könnten, glaubt Jonas Montari vom BAG. «Bis wann dies der Fall sein wird, kann derzeit nicht gesagt werden.»

Abgesehen vom Laborzwang unterscheidet der Antigen-Schnelltest von Roche sich auch in einem anderen Punkt von anderen Schnelltests, wie etwa einem Schwangerschaftstest: Der Abstrich muss von medizinischem Fachpersonal entnommen werden. «Der benötigte Nasen-Rachen-Abstrich muss korrekt ausgeführt werden, um möglichst aussagekräftiges Probenmaterial zu gewinnen», sagt Nina Mählitz. Das Stäbchen muss also genügend lang und genügend weit eingeführt werden.

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3 Kommentare
  • Profilfoto von Martin
    Martin, 19.10.2020, 20:32 Uhr

    Schon erstaunlich wie viele Leute es gibt, die glauben sie würden einen besseren Job machen als die Angestellten beim BAG oder Bund.
    Diese Krise hat mir zumindest wieder vor Augen geführt, was für ein Glück ich habe in einem demokratischen Land zu leben. Während der Pandemie wurden und werden wir von der Regierung ständig informiert und jede/r darf so laut und schrill kritisieren wie er/sie möchte.
    Kritik ist wichtig und richtig, aber nur zu sagen, dass «die da oben» keine Ahnung haben scheint mir ziemlich sinnfrei zu sein.

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  • Profilfoto von Stefan Ernst
    Stefan Ernst, 14.10.2020, 08:55 Uhr

    Bürokratie und die weitverbreitete Unfähigkeit in Bern werden dieses Land noch an die Wand fahren. Dezentrales Testing muss her und zwar sofort – bei eine Positivrate von 15% gestern kann man nicht von einem wirksamen Testregime reden. Dass man sich nun sorgen macht ob der Schnelltest nicht ganz genau ist, ist einfach nur ein tragischer Witz.

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    • Profilfoto von Guellemaetteli
      Guellemaetteli, 15.10.2020, 12:43 Uhr

      Im Zusammenhang mit Covid-19 sollte sich die Schweiz ehrlich hinter/fragen: Was kostet uns das Bundesamt für Gesundheit (BAG) und was bringt es uns?

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