Luzern: Erich Brechbühl über «Weltformat»-Festival

Wann ist Werbung Kunst, wann einfach nur langweilig?

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(Bild: jav)

Das Luzerner Festival «Weltformat» ist international bekannt. Weshalb es aus der Schweiz jedoch weniger Zulauf hat als aus China und weshalb es kaum Werbeplakate in die Ausstellungen schaffen, wollten wir vom Präsidenten und Mitgründer Erich Brechbühl wissen.

Wir treffen den Präsidenten des einzigen Grafik-Design-Festivals der Schweiz in seinem Atelier in Luzern. Direkt hinter dem Old Swiss House, wo Kellnerinnen in Dirndl über die Terrasse eilen, arbeitet Erich Brechbühl für das international erfolgreiche Festival, welches am 29. September 2018 in die 10. Runde geht.

Eine grosse Holzkiste mit Teilen einer Ausstellung und ein Karton mit den Plakaten fürs Festival sind vor wenigen Minuten angekommen. Man merkt dem Grafiker an, dass er sie gerade am liebsten durchsehen würde. Doch erstmal werfen wir einen Blick zurück, auf ein Gespräch mit Brechbühl, in welchem er erklärte: «Luzern soll die Grafikhauptstadt der Schweiz werden.» Und wir wollen wissen: Ist sie das schon geworden?

«Man schaut auf jeden Fall nach Luzern», so Brechbühl. Die Plakathauptstadt der Schweiz sei Luzern sicher. Viele gute Studios und gute Leute wie Feixen, Velvet, Troxler oder Imboden seien in Luzern zu Hause und international erfolgreich. Und es folgen viele Junge nach. «Ansonsten müssen wir bescheiden bleiben», so Brechbühl. Mit dem «Weltformat»-Festival sei die Stadt jedoch ohne Zweifel zu einem Treffpunkt der Schweizer Grafikerszene geworden. «Hier wird gebündelt und ausgetauscht.»

International vor überregional

Die Beachtung des Festivals war jedoch in den ersten Jahren international grösser als national. «Vielleicht liegt das am Kantönligeist, ich weiss es nicht», spekuliert Brechbühl lachend. Und die internationale Aufmerksamkeit ist konstant gewachsen: 1’200 Plakate wurden dieses Jahr für den Newcomer-Award eingereicht – vor allem aus Deutschland und der Schweiz, aber auch eine ganze Reihe aus Polen, Russland, China, Taiwan, aus den USA, aus Frankreich, England bis hin zu Iran, Botswana oder Kasachstan. Nur 20 werden nominiert und nur eines kann gewinnen.

«In ganz vielen Branchen besteht offenbar das Ziel, mit ihrer Werbung nicht aufzufallen.»
Erich Brechbühl, Grafiker und Präsident des Grafikfestivals Weltformat

Viele nominierte und interessierte Grafiker reisen für das Eröffnungswochenende an – für die Workshops, den Vernissagemarathon am Samstag und für das Symposium am Sonntag.

Es wird eine kleine Bistro-Ausstellung im Neubad geben, neben einer Aktion von Siebdruckern aus Berlin. Sie wollen auf über 300 Meter Papier live im Pool des Neubads eine Welle drucken und damit ihren eigenen Rekord brechen. Diesen hatten sie in einer Hallenbad-Zwischennutzung im Stadtbad Wedding in Berlin.

Die elf Ausstellungen und zusätzlichen Workshops finden unter anderem in der Kunsthalle, der Kornschütte, dem Laboratorium, dem Winkel und dem Neustahl statt. «Swiss Style Now» – die international reisende Ausstellung – ist dafür gerade aus Peking zurückgekommen. Eine halbvirtuelle Ausstellung wird es vor dem Neubad geben – mit Bewegtplakaten, die man per App in ihrer animierten Form anschauen kann. Und im Vögeligärtli wird die historische Ausstellung zum «Swiss Style», einem Plakatstil aus den 50er-Jahren, rein virtuell aufgestellt.

 

Grafik statt nur Plakat

«Weltformat» entstand ursprünglich aus der Ausstellung der besten 100 Plakate, die der Leiter der Fachklasse Grafik, Urs Strähl, 2003 nach Luzern holte. Zwei Jahre später fand eine erste Version des Festivals mit dem Namen «Posters Lucerne» statt. 2009 entstand dann das Festival «Weltformat».

Doch dieses Jahr dreht sich erstmals nicht mehr alles um die Plakate. Das Festival nennt sich neu «Weltformat – Graphic Design Festival» und will sich damit offiziell auch gegenüber anderen Medien wie dem Buch öffnen. «Durch die Ausrichtung stand das Medium Plakat im Mittelpunkt. Es geht uns jedoch in erster Linie um Grafik, um gute Gestaltung. Nicht um das Plakat um des Plakates willen», so Brechbühl.

Erich Brechbühl in seinem Atelier am Löwenplatz.

Erich Brechbühl in seinem Atelier am Löwenplatz.

(Bild: jav)

Wo sind die mutigen Kunden?

Doch wann ist ein Plakat überhaupt ausstellungswürdig? Wann wird aus Werbung Kunst? «Diesen Entscheid überlassen wir ganz den Kuratoren», so Brechbühl. Und diese werden nicht vom Festival angefragt, sondern kommen mit ihren Ideen und Vorschlägen auf «Weltformat» zu.

Das Festival sei dafür da, Neues zu entdecken und sich in der Szene auszutauschen. «Wir schauen vorwärts. Wenn wir historische Ausstellungen machen, dann aus der Motivation heraus, Vergessenes wiederzufinden – das Historische für die Zukunft neu zu betrachten.»

Erich Brechbühl

Erich Brechbühl (41) gründete 2003 sein Grafikstudio Mixer. Für seine Arbeit wurde er mit mehr als einem Dutzend internationaler Designpreise ausgezeichnet, unter anderem in Moskau, Tokio und Taiwan. Dieses Jahr gewann er den Swiss Poster Award in der Kategorie Digital out of Home mit seinem animierten Plakat für die Initiative «Car-freies Inseli – gegen die Blechlawine».

Auch in Luzern ist er vielfältig engagiert: Er war Vorstandsmitglied im Neubad und ist Mitgründer des Plakatfestivals «Weltformat». Zudem ist er Mitbegründer und Co-Leiter des Kulturlokals «Im Schtei» in Sempach.

Oft höre er den Vorwurf, dass vor allem Kulturplakate ausgestellt würden. «Weil dort offensichtlich die mutigen Kunden sind», ist Brechbühls einfache Antwort darauf. «In ganz vielen Branchen besteht offenbar das Ziel, mit ihrer Werbung nicht aufzufallen.» Ein Autohersteller überlege wahrscheinlich: Wie machen es die anderen? Und mache es dann genauso. So werde der öffentliche Raum mit langweiligen, immergleichen Plakaten zugepflastert. «Da geben Firmen Unsummen aus, um das Foto einer Wiese und mit ihrem Logo tausendfach aufzuhängen.»

Dass er selbst kaum Fotoplakate mache, habe einen einfachen Grund: «Die ganze Welt ist fotorealistisch. Im Bahnhof ein Plakat aufzuhängen, das eine Frau in einem Bahnhof zeigt, ist weder auffällig noch kreativ, schon gar nicht plakativ. Es fällt einfach nicht auf», so Brechbühl lachend. Er würde sich wünschen, dass die Kunden und die Agenturen etwas öfters vom fotorealistischen Plakat abrücken und etwas Neues wagen. Mal aus dem Rahmen fallen.

So könnte es dann durchaus passieren, dass auch ein ganz kommerzielles Werbeplakat plötzlich am «Weltformat» ausgezeichnet wird.

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