Sind Pflastersteine in Luzern ein Problem?

Vorwurf: Der neue Falkenplatz ist nicht behindertengerecht

Der frisch gepflästerte Falkenplatz in der Stadt Luzern.

(Bild: jwy)

Ein kollektives Aufatmen ging durch die Stadt, als kürzlich die Neugestaltung des Grendels und des Löwengrabens abgeschlossen wurde. Kritik gibt’s nun aber an den Pflastersteinen auf dem Falkenplatz: Diese seien ein Hindernis für Behinderte. Die Stadt Luzern widerspricht.

Seit kurzem erstrahlt die Achse Löwengraben–Grendel in neuem Glanz: Das langjährige Flickwerk aus Strasse und Trottoirs ist einer durchgehenden und fussgängerfreundlichen Oberfläche gewichen (zentralplus berichtete). Dabei wurde auch der Falkenplatz zwischen den beiden Gassen neu gepflästert.

Der Umbau war nicht nur eine optische Auffrischung, sondern erfülle auch die Anforderungen des Behindertengleichstellungsgesetzes, teilte die Stadt Luzern zum Abschluss der Bauarbeiten mit. Alles paletti also? Neben lobenden Worten für Grendel und Löwengraben sorgt jetzt der Falkenplatz für Kritik.

Dass der Falkenplatz die Anforderungen des Behindertengleichstellungsgesetzes erfülle, sei falsch, meint der Verband Schweizerischer Pflästerermeister (VSP), ein Berufsverband mit schweizweit 66 Mitgliedern. Der neu gepflästerte Platz sei nicht komplett hindernisfrei, sagt Vizepräsident Christian Enz aus Luzern. «Die verwendeten Natursteine entsprechen nicht der Norm des hindernisfreien Verkehrsraums», sagt er.

Der frisch gepflästerte Falkenplatz in der Stadt Luzern.

Sieht hübsch aus, doch wie hindernisfrei ist der neue Falkenplatz?

(Bild: jwy)

Pflastersteine sind immer wieder Thema, wenn’s um die Gestaltung von Innenstädten geht. So hat Procap, der grösste Mitgliederverband von und für Menschen mit Behinderungen, in einer Publikation unlängst festgehalten: «Rollstuhlgängige Pflästerungen gibt es nicht.» Darum empfehlen die Verbände, auf grossflächige Pflästerungen in Innenstädten möglichst zu verzichten.

Und auch die Schweizer Fachstelle für Hindernisfreie Architektur hält auf ihrer Website fest: «Bruchraue Natursteinpflästerungen sind aufgrund ihrer Unebenheiten für Personen mit Rollstuhl, Rollator, Gehbehinderung oder weissem Stock ungeeignet.» Solche Steine wurden auf dem Falkenplatz verwendet.

Vorbild Altdorf

Solche Positionierungen der Verbände haben den VSP aufhorchen lassen. Gespaltene Steine, wie sie auf dem Falkenplatz zum Einsatz kamen, seien nie behindertengerecht. Jeder, der mit dem Velo oder Trottinett den Falkenplatz befahre, könne das erkennen.

Der VSP setzt sich dafür ein, dass Innenstädte und Altstädte «fachmännisch und normkonform beraten, geplant und ausgeführt werden», heisst es. Doch das funktioniere nur, wenn alle zusammenspielen, von der Planung über die Produktion der Steine bis zur perfekten Verlegung. «Es darf in Bezug auf qualitativ hochwertige Pflästerungen keine Kompromisse gemacht werden», fordert Enz.

Pflästerungen und das Behindertengleichstellungsgesetzes würden sich nicht grundsätzlich ausschliessen, sagt Enz. In Altdorf sei das in der neu gestalteten Schützengasse auf einer Fläche von 1’500 Quadratmetern gelungen. Die speziell bearbeiteten Steine wurden mit so engen Fugen verlegt, dass eine glatte Oberfläche – eine «hindernisfreie Pflästerung», wie es im Projekt heisst – entstand. «Ich war selbst überrascht, wie gut und eben das wurde», sagt er.

Stadt Luzern widerspricht

Im Konzept der Stadt Luzern für den Falkenplatz ist von einer «Leichtigkeit und Eleganz» der neuen Pflästerung die Rede. Hat man daneben etwa das hindernisfreie Befahren unterschätzt? Die Stadt Luzern lässt diese Kritik nicht gelten und hält an ihrer Einschätzung fest: Die Pflästerung erfüllt die Anforderungen des Behindertengleichstellungsgesetzes.

Das Tiefbauamt teilt auf Anfrage mit, dass man keine Kenntnis habe von der Kritik des VSP. Man habe sich vor Baubeginn mit Vertretern von Fachstellen für hindernisfreies Bauen ausgetauscht und sogar eine Begehung des Falkenplatzes gemacht. Schon die bisherige Pflästerung habe die Anforderungen des hindernisfreien Bauens erfüllt, bei der Neugestaltung sei man analog vorgegangen. «Die Normen bezüglich Oberfläche, Höhe und Spaltmasse zwischen den Steinen wurden eingehalten», hält die Stadt Luzern fest.

Zudem gibt es am neuen Falkenplatz entlang der Gebäude neu eine 1,5 Meter breite asphaltierte Zone. Dies ist nicht nur ein gestalterisches Element, sondern stelle für Gehbehinderte eine Optimierung dar. «Bei jeder neuen Pflästerung halten wir uns grundsätzlich an die Normen des hindernisfreien Bauens», hält die Stadt Luzern fest.

Bei der Beratungsstelle Hindernisfrei Bauen Luzern (HBLU) schliesslich bestätigt man, dass man mit der Stadt in Kontakt war bei der Planung des Falkenplatzes. Doch über den jetzigen Stand der Ausführung hat man keine Kenntnis.

Der frisch gepflästerte Falkenplatz in der Stadt Luzern.

Um den gepflästerten Falkenplatz gibt’s neu eine 1,5 Meter breite asphaltierte Fläche.

(Bild: jwy)

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